Analyse

Gesunkene Rohölpreise Jetzt den Heizöltank auffüllen?

Stand: 08.09.2022 08:12 Uhr

Rohöl ist so billig wie seit Monaten nicht mehr. Heizölkunden merken davon aber nichts. Warum kostet der Brennstoff immer noch so viel? Und worauf ist jetzt beim Kauf zu achten?

Eine Analyse von Angela Göpfert, tagesschau.de

Öl ist wieder so billig wie seit dem russischen Überfall auf die Ukraine nicht mehr. Der Preis für die Rohölsorte Brent aus der Nordsee ist zur Wochenmitte auf ein Sieben-Monats-Tief von 91,30 Dollar je Barrel (159 Liter) gefallen - und das, obwohl das Ölkartell OPEC+ noch zu Wochenbeginn eine Kürzung seiner Fördermengen angekündigt hatte.

Wachstumssorgen wirken sich auf Ölmarkt aus

Doch auf den Rohstoffmärkten treten derzeit weniger die Angebotssorgen als die Nachfragerisiken in den Vordergrund: allen voran die wiederholten Lockdowns in China. Immer wieder riegeln die chinesischen Behörden ganze Millionenstädte ab, um eine Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern.

Das belastet das Wachstum Chinas und hat damit direkte Auswirkungen auf die Ölpreise; schließlich ist die Volksrepublik einer der größten Ölimporteure der Welt. Das globale Wachstum sehe überhaupt nicht gut aus, kommentierte Analyst Edward Moya vom Broker Oanda. "Und das ist ein Problem für die Rohölpreise."

Heizölpreis auf Rekordhoch

Doch der Abwärtstrend beim Rohölpreis seit Mitte Juni kommt auf dem deutschen Heizölmarkt einfach nicht an. Seit Februar ist ein enormer Preissprung zu verzeichnen.

Im Juli betrug der durchschnittliche Verbraucherpreis (inklusive Mehrwertsteuer) für 100 Liter leichtes Heizöl rund 143 Euro, berichtete jüngst das Statistische Bundesamt. Damit hatte sich der Preis binnen Jahresfrist mehr als verdoppelt. Ein Ende des Preisauftriebs scheint nicht in Sicht. Laut dem Portal FastEnergy erreichte der durchschnittliche Heizölpreis in Deutschland im August mit rund 174 Euro ein neues Rekordhoch.

Hohe Gewinnmarge der Raffinerien

Diese wachsende Differenz zwischen Rohölpreis und Heizölpreis spiegelt sich in einem hohen sogenannten "Crack-Spread" von aktuell 63 Dollar je Barrel wider. Gemeint ist damit die Differenz des raffinierten Produktes zum Ölpreis. Zum Vergleich: Bei Benzin beträgt der "Crack-Spread" derzeit nur 15 Dollar.

"Der Crack-Spread stellt grob die Raffinerie-Marge dar", erläutert Marktexperte Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest. Bei Benzin liege diese Marge mittlerweile wieder im Normalbereich, bei Heizöl und Diesel sei sie deutlich erhöht. "Heizöl und Diesel sind prinzipiell das gleiche Produkt, werden lediglich als Heizöl und Diesel unterschiedlich deklariert", so Rethfeld.

Starke Wechselwirkung mit dem Gaspreis

Der Grund für die hohen Raffinerie-Margen bei Heizöl beziehungsweise Diesel liegt für den Rohstoffexperten Rethfeld auf der Hand: "Heizöl ist als Gasersatz sehr begehrt." Tatsächlich versuchen derzeit viele Großabnehmer aus Industrie und Energiewirtschaft, das teure Gas zu ersetzen. Sofern möglich, stellen ihre Feuerungsanlagen von Gas auf Öl um.

"Wenn wir die Bedeutung von Heizöl als Gasersatz richtig deuten, dann müssten fallende Gaspreise den Heizölpreis ebenfalls entlasten", schlussfolgert Rethfeld.

Regionales Sonderproblem: der Rheinpegel

Heizöl- und auch Tankstellen-Kunden im Süden Deutschlands sehen sich derweil mit einem zusätzlichen Problem konfrontiert: Die extreme Hitze und der mangelnde Regen haben zu teils historischen Tiefständen auf dem Rhein geführt. Wegen des anhaltenden Niedrigwassers kann auch der Transport von raffinierten Ölprodukten auf einer der wichtigsten deutschen Wasserstraßen derzeit nur eingeschränkt stattfinden.

Kein Wunder also, dass die Heizölpreise im Süden Deutschlands besonders stark gestiegen sind. Ohnehin ist der Süden von den hohen Heizölpreisen am stärksten betroffen, ist hier doch auch die Dichte an Ölheizungen bundesweit am höchsten.

Saisonalität spricht für weiter steigende Preise

Heizöl-Kunden stehen vor der Frage, ob sie ihre Tanks vor dem Winter jetzt nochmals schnell auffüllen oder lieber noch ein bisschen warten sollen. Für sie zeigt sich ein gemischtes Bild: So dürften einerseits die steigenden Nachfragesorgen, gerade mit Blick auf China, letztlich auch den Preisauftrieb bei Heizöl und Diesel dämpfen beziehungsweise für einen allmählichen Preisrückgang sorgen.

Zugleich geht der Heizölpreis direkt vor Beginn der Heizperiode üblicherweise nach oben. Das zeigt ein Blick auf den saisonalen Verlauf, wonach der Heizölpreis im statistischen Schnitt von August bis Februar steigt.

Gaspreise als Frühindikator

Vor allem aber lohnt sich für Heizöl-Kunden ein Blick auf die Entwicklung der Gaspreise: Fallende Gaspreise können ein wichtiger Frühindikator für einen Preisrückgang auch bei Heizöl sein. Der europäische Erdgas-Future TTF hatte Ende August ein Rekordhoch von 343 Euro je Megawattstunde erreicht, aktuell notiert er rund 100 Euro tiefer.

Nicht zuletzt dürfte vor allem für Heizöl-Verbraucher im Süden Deutschlands der Pegelstand des Rheins einen wertvollen Hinweis darauf geben, wann mit nachlassendem Druck auf den Heizölpreis zu rechnen ist.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell Nachrichtenradio am 05. August 2022 um 06:00 Uhr.