Energiegenossenschaften In die Zukunft investieren

Stand: 15.03.2023 08:13 Uhr

In der Strom- und Gaskrise boomen sogenannte Energiegenossenschaften, die gemeinsam nachhaltig in die Erneuerbaren investieren. Manchmal gibt es sogar eine hohe Rendite.

Von Jens Eberl und Gereon Helmes, WDR

Johann Stumpf aus Rösrath ist vor zwei Wochen zum zweiten Mal Papa geworden. Die Geburt seiner Tochter motiviert ihn, sich aktiv an der Energiewende zu beteiligen. Deshalb engagiert er sich bei der Gründung einer Bürger-Energiegenossenschaft.

"Man denkt dann als Familienvater auch perspektivisch an die Zukunft und setzt andere Prioritäten, weil man ja doch was übergeben möchte, was am Ende auch noch funktioniert", so der Familienvater. Auf dem Dach einer Schule soll eine große Photovoltaikanlage entstehen.

Die Kosten für die Anlage liegen bei etwa 100.000 Euro; für eine Einzelperson kaum bezahlbar, also wollen sie es gemeinschaftlich versuchen. Die Idee kommt von Christoph Schmidt, er arbeitet bei den Stadtwerken Rösrath. "Wir haben momentan etwa 300 Menschen, die konkret Interesse bekundet haben und mit diesen 300 werden wir starten", so Schmidt.

Gemeinsam Projekte stemmen

"Energiegenossenschaften, als Zusammenschluss vieler Gleichgesinnter, können Projekte stemmen, die einzelnen nicht möglich sind", erklärt Stefan Hoffmann. Er ist bei der Verbraucherzentrale NRW für den Bereich Energie und Klima zuständig. "Die Wertschöpfung bleibt in der Region und kommt der Bevölkerung zu Gute."

Laut Verbraucherzentrale Hamburg wurden seit 2006 in Deutschland mehr als 900 Energiegenossenschaften gegründet. Nach Angaben des Genossenschaftsverbandes sind in ihnen mittlerweile 220.000 Bürger mit rund 1,84 Milliarden Euro beteiligt.

Lokale Wirtschaft stützen

Für die Gründung solch einer eingetragenen Genossenschaft müssen sich mindestens drei Personen zusammentun. Andreas Wieg, Leiter der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften, stellt den gemeinschaftlichen Gedanken der Energiegenossenschaften in den Vordergrund. "Sie ermöglichen eine breite Bürgerbeteiligung vor Ort, so dass sich auch Menschen mit geringeren Möglichkeiten aktiv einbringen können.

Das gemeinsame Engagement ist nicht nur gut für die Energiewende, sondern auch für die lokale Wirtschaft. Bei den meisten Projekten werden nämlich Handwerksbetriebe, Dienstleister und auch Banken vor Ort einbezogen", so Wieg.

Gemeinsamer Geschäftsbetrieb

Energiegenossenschaften können gemeinschaftlich Projekte entwickeln, wie Photovoltaik-Dächer, Photovoltaik-Freiflächenanlagen, Windenergieanlagen oder Windparks. Aber auch Carsharing oder Wärmenetze sind Beispiele.

Die Genossenschaft sammelt Geld ein und gibt dann Anteile an die Genossen aus. Jeder kann für sich entscheiden, ob er einen Anteil erwirbt - oder auch mehrere. Wie viel so ein Anteil kostet, schreibt die Generalversammlung in der Satzung fest.

Charakteristisch für jede Genossenschaft ist der gemeinschaftliche Geschäftsbetrieb. Jedes Mitglied hat unabhängig von der Höhe seiner Beteiligung eine Stimme in der Generalversammlung. Dies soll alle Mitglieder vor einer Übermacht von Mehrheitseignern schützen und die Unabhängigkeit von außergemeinschaftlichen Interessen wahren.

Risiken bis hin zum Totalverlust

Jedes Mitglied hat grundsätzlich Anspruch auf Auszahlung einer jährlichen Dividende, deren Höhe allerdings jedes Jahr neu festgelegt wird. Andreas Wieg betont aber, dass die Geldanlage nicht im Vordergrund stehen soll: "Genossenschaften sind keine reinen Kapitalsammelstellen. Wenn ich aber mit meinem Geld in meiner Region bei einer Gemeinschaftsinitiative für die Energiewende mitmachen will, dann ist die Mitgliedschaft in der entsprechenden Genossenschaft eine Überlegung wert."

Investorinnen und Investoren sollten sich auch der Risiken einer solchen Geldanlage bewusst sein. Genossenschaftsanteile sind eine unternehmerische Beteiligung, deren Verlauf und Ausgang vom erfolgreichen Geschäft abhängt, warnt die Verbraucherzentrale.

Oft reicht schon eine falsch prognostizierte Sonneneinstrahlung oder Windmenge, um ein Geschäftsmodell ins Straucheln zu bringen. "Im schlimmsten Fall droht der Totalverlust des investierten Geldes. Der Vorteil: Genossenschaften bieten in der Regel die Möglichkeit auch nur mit sehr kleinen Beträgen zu investieren und mitzumachen", so Verbraucherschützer Hoffmann.

Investition breit streuen

Bei unverhältnismäßig hohen Ertragsversprechen sollten Anlegerinnen und Anleger skeptisch werden. Sie können Zeichen für ein unseriöses Genossenschaftsmodell sein. Stefan Hoffmann rät: "Wie bei allen anderen Investments auch gilt salopp gesagt: Lege niemals alle Eier in einen Korb. Darüber hinaus sollte man sich das Konzept einer Genossenschaft anschauen, bevor man investiert."

In Rösrath soll Johann Stumpf für einen Genossenschaftsanteil 500 Euro bezahlen. Das wäre hier also die Mindestsumme, um in die nachhaltige Energie zu investieren. Für ihn eine Investition in die Zukunft.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete der WDR in der "Aktuellen Stunde" am 08. März 2023.