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50 Jahre nach Produktionsstart Warum der VW Golf so erfolgreich wurde

Stand: 29.03.2024 12:05 Uhr

Anfang der 1970er-Jahre kämpfte VW mit stockenden Verkaufszahlen und Kurzarbeit. Ein italienischer Designer zeichnete den ersten Golf und brachte die Wende. 50 Jahre später ist der Golf das meistverkaufte Auto Europas.

Von Torben Hildebrandt, NDR

Ingo Weißenfels ist leidenschaftlicher Golf-Fahrer. In den 80er-Jahren fing bei ihm alles im Kinderzimmer an. "Das Golf-1-Cabrio hab ich als Spielzeugauto in der Hand gehalten", erinnert sich Weißenfels. Etwas später sah er im Fernsehen die "Schwarzwaldklinik". Schauspieler Sascha Hehn sprang in der TV-Serie gerne mal in sein weißes Golf Cabrio.

Der VW Golf feiert 50-jähriges Jubiläum

Torben Hildebrandt, NDR, tagesthemen, 28.03.2024 23:10 Uhr

Als Erwachsener dann erfüllte sich der Auto-Liebhaber aus dem niedersächsischen Eickeloh seinen Traum: Er kaufte sich einen eigenen Oben-Ohne-Golf. Baujahr 1983, Farbe: Papyrusgrün-metallic, ein sportlicher GTI-Motor mit 112 PS. "Ich hab so lange gesucht, bis ich das Top-Modell gefunden habe", ist Weißenfels stolz. "Ich hab irrsinnigen Spaß daran, weil die anderen Autofahrer nicht denken, dass man damit so schnell sein kann."

Funktioniert etwas nicht, kann der 42-Jährige selbst Hand anlegen, als Automechaniker kennt er sich aus. Weißenfels' Cabrio-Modell ging als "Erdbeerkörbchen" in die Auto-Geschichte ein - wegen des markanten Überroll-Bügels, der an einen Henkel erinnert. Damals umstritten, heute legendär.

Ingo Weißenfels

Ingo Weißenfels hegt und pflegt seinen "Oben-Ohne-Golf" aus dem Jahr 1983.

Sportlich-kantig statt klein und rund

Weißenfels' Golf ist einer von mehr als 37 Millionen, die Volkswagen bis heute ausgeliefert hat. Der Golf ist damit Europas meist gefahrenes Auto. Die Erfolgsgeschichte beginnt im März 1974 - aus der Not heraus. Volkswagen steckt damals in einer tiefen Krise, die Verkaufszahlen brechen ein, der Konzern schickt Beschäftigte in Kurzarbeit oder ganz nach Hause.

In diesen unruhigen Zeiten beweist VW Mut und lässt am 29. März 1974 die Bänder für die Serienproduktion anlaufen - für ein Auto, das Deutschland so noch nicht gesehen hat. Volkswagen hat den italienischen Designer Giorgetto Giugiaro engagiert. Er verabschiedet sich vom runden Käfer-Design und zeichnet einen sportlich-kantigen Kompaktwagen mit klaren Linien.

Der Motor ist nicht mehr im Heck des Fahrzeugs untergebracht. Stattdessen bekommt der Golf einen Kofferraum mit großer Heckklappe. "Der Golf kam wie Phoenix aus der Asche", sagt Rainer Fessel, der heutige Leiter des VW-Werks in Wolfsburg. Mit seinem ungewöhnlichen Design und dem Frontantrieb habe der Golf "sofort die Herzen der Menschen erobert."

"Der Garant und die Konstante"

Die erste Version ist ab 8.000 D-Mark zu haben, anfangs ohne Kopfstützen und rechten Außenspiegel. Eine Zeit lang hat Volkswagen Käfer und Golf parallel im Angebot. Aber schnell zeigt sich, wer das Rennen macht: Schon 1976, zwei Jahre nach Produktionsstart, durchbricht der Golf die magische Grenze von einer Million verkaufter Fahrzeuge. Diesel-Kunden müssen zeitweise ein Jahr auf ihren Neuwagen warten, weil VW nicht mit der Produktion hinterherkommt.

Es folgt Generation auf Generation; inzwischen rollt die achte Modellvariante in Wolfsburg vom Band. Manche waren erfolgreicher, manche weniger - aber immer waren die Autos klar als Mitglied der Golf-Familie erkennbar. Das aktuelle Modell wird seit 2019 gebaut, allerdings ruckelte es anfangs gewaltig. Softwareprobleme bremsten den Start aus, Kunden waren mit dem Bedienkonzept im Cockpit unzufrieden.

Inzwischen ist der Golf 8 auf Touren gekommen: Mit rund 81.000 verkauften Fahrzeugen war er im vergangen Jahr Deutschlands meist zugelassenes Auto - dem SUV-Trend zum Trotz. In der Fabrik in Wolfsburg arbeiten zurzeit rund 7.000 Beschäftigte an dem Auto. Wolfsburg ohne den Golf? "Gar nicht vorstellbar", sagt Werksleiter Fessel. "Der Golf ist seit 1974 der Garant und die Konstante hier im Werk Wolfsburg."

"Golf-Klasse" und "Generation Golf"

Volkswagen setzt in den 70er- und 80er-Jahren Maßstäbe, die Bezeichnung "Golf-Klasse" wird zum geflügelten Begriff. Später, im Jahr 2000, erfindet der Autor Florian Illies für sein gleichnamiges Sachbuch die "Generation Golf". Die Automobilexpertin Helena Wisbert von der Ostfalia Hochschule in Wolfsburg erklärt den Erfolg des Modells mit der Massentauglichkeit des Autos: "Der Golf ist ein Allrounder und wird sowohl von den Privatkunden als auch von Gewerbekunden geschätzt, weil er sehr viele Anforderungen an ein Alltagsauto bedient", erläutert Wisbert.

Tatsächlich kann der Golf begeistern, er stört aber auch nicht. Manche finden ihn langweilig, kaufen ihn aber wegen der Zuverlässigkeit. Der Golf kann Familienkutsche sein - oder PS-starkes Spielzeug für den sportlichen Fahrer. "Der Golf ist klassenlos", meint Werksleiter Fessel.

Die Zukunft ist elektrisch

Als Volkswagen den Umbau zur Elektromobilität beginnt und die ID-Modelle auf den Markt kommen, sehen viele die Tage für den Golf gezählt. Die achte Generation könnte die letzte sein, heißt es oft. Doch dann kommt es anders. Die E-Autos von Volkswagen haben bislang offenbar nicht das Zeug zur Ikone. So verkaufte sich im vergangenen Jahr der Verbrenner-Golf in Deutschland dreimal besser als der elektrische ID.3.

Inzwischen ist klar, dass der Golf weiterleben wird - nur eben mit Elektromotor. "Der Golf wird auch in Zukunft eine feste Rolle spielen, auch mit anderer Antriebstechnik", sagt Fessel. "Den Namen Golf kennt jedes Kind, kennt jeder auf der Welt - warum sollte man sich von so einem Namen verabschieden?" Wie der nächste Golf aussieht? Wann er kommt? Alles offen.

Für die Auto-Expertin Helena Wisbert kann der Bekanntheitsgrad des Golf im Wettbewerb mit günstigeren, internationalen E-Auto-Anbietern den Unterschied ausmachen. "Damit kann sich Volkswagen von neuen Marken differenzieren, die eben nicht die Historie haben und jetzt in den Markt eingestiegen sind", glaubt die Auto-Professorin. Und so könnte der Golf für VW noch einmal zum Hoffnungsträger werden - so wie damals, beim Produktionsstart 1974.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 28. März 2024 um 23:10 Uhr.