Tweet von Elon Musk

Musk-Übernahme Wie geht es weiter mit Twitter?

Stand: 05.10.2022 15:26 Uhr

Nach monatelangem Widerstand will Tech-Milliardär Elon Musk nun doch den Kurznachrichtendienst Twitter kaufen. tagesschau.de klärt die wichtigsten Fragen zu Musks neuerlicher Kehrtwende.

Von Mit Informationen von Bianca Von der Au und Till Bücker, ARD-Börsenredaktion

Was sind die Hintergründe?

Die erste Episode im Fall Elon Musk und Twitter begann im April dieses Jahres. Damals hatte der derzeit reichste Mensch der Welt angekündigt, die Social Media-Plattform für rund 44 Milliarden Dollar zu kaufen. Wenige Wochen später erklärte er den Deal jedoch einseitig für ausgesetzt. Anfang Juli zog er sein Angebot komplett zurück. Zur Begründung verwies Musk auf seine bisher nicht belegten Behauptungen, dass Twitter deutlich mehr Fake-Accounts habe als die vom Unternehmen stets genannte Schätzung von weniger als fünf Prozent. Das könne potenziell einen Einfluss auf Werbeeinnahmen haben.

Das Unternehmen pochte jedoch auf die Einhaltung des Kaufvertrags und zog vor Gericht. Darauf reagierte der Tech-Milliardär mit einer Gegenklage. Im August legte er mit neuen Argumenten beim Versuch nach, die Übernahme abzublasen. Dabei brachte der Tesla-Chef Anschuldigungen des Whistleblowers Peiter Zatko, Ex-Sicherheitschef des Kurznachrichtendienstes, ins Spiel, der Twitter unter anderem mangelnden Schutz von Nutzerdaten und andere Sicherheitsschwächen vorwarf. Aufgrund dieser "ungeheuerlichen" Mängel sei Musks Kaufangebot für Twitter als ungültig einzustufen, schrieben seine Anwälte damals an das Unternehmen. Nun folgt die nächste spektakuläre Wende: Musk will den milliardenschweren Kauf nach Monaten voller Streit doch umsetzen.

Tesla-Chef Musk will nun doch den Kurznachrichtendienst Twitter kaufen

Torben Börgers, ARD Washington, tagesthemen, tagesthemen, 05.10.2022 22:15 Uhr

Wie könnte der neue Deal aussehen?

In einer Mitteilung an die US-Börsenaufsicht SEC erklärte Musk gestern, man wolle das Geschäft wie am 25. April vereinbart durchziehen. Der Tesla-Chef habe in einem Brief vorgeschlagen, den Deal zum ursprünglich vereinbarten Kaufpreis von 54,20 Dollar pro Aktie durchzuführen, erklärten seine Anwälte - und bestätigten damit Medienberichte. Auch Twitter teilte in einem knappen Statement mit, das Schreiben mit dem erneuerten Angebot Musks erhalten zu haben. Das Unternehmen beabsichtige, die Transaktion wie geplant zum Abschluss zu bringen.

Dass die Übernahme tatsächlich über die Bühne geht, ist auch weiterhin nicht gesichert. So wies Musk gegenüber der SEC darauf hin, dass seine Offerte von Finanzierungszusagen abhänge. Zudem verlangt er als Voraussetzung ein Ende des laufenden Rechtsstreits. Noch ist ein Prozess für den 17. Oktober im US-Staat Delaware angesetzt, bei dem es um den Versuch Musks geht, den Kauf bleiben zu lassen.

Für den Frankfurter Wirtschaftsanwalt Christoph Schalast ist klar, dass der SpaceX-Gründer darüber hinaus noch einmal versuchen wird, am Preis zu rütteln. "Deswegen hat er auch ganz geschickt in seinem jetzigen Schreiben einige Vorbedingungen eingewoben, die man eigentlich nicht akzeptieren kann", meint er gegenüber der ARD-Börsenredaktion.

Warum hat Musk seine Meinung geändert?

Die konkreten Gründe für Musks Umdenken blieben vorerst unklar, er selbst äußerte sich zunächst nicht weiter. Ein Aspekt könnte die Aussicht auf eine Niederlage vor Gericht sein. Musks Anwaltsteam habe den Eindruck gewonnen, dass sich das Verfahren zu seinen Ungunsten entwickele und die Richterin sich nach den ersten Anhörungen zur Vorbereitung des Prozesses bereits auf die Seite von Twitter gestellt habe, berichtete der Finanzdienst Bloomberg gestern unter Berufung auf einen Insider.

Um aus dem milliardenschweren Deal herauszukommen, hätte Musk dem Unternehmen schwerwiegende Vertragsverstöße nachweisen müssen. Der Tech-Milliardär versucht seit Monaten, angeblich falsche Angaben von Twitter zur Zahl von Spam- und Fake-Accounts als Bruch der Übernahmevereinbarungen darzustellen. Doch ob das vor Gericht reichen würde, gilt als zweifelhaft.

Viele Experten bewerten seine Chancen bei dem Gerichtsverfahren als ungünstig. In einer ersten Einschätzung erklärte etwa der Analyst Dave Ives von Wedbush, Musk habe offenbar erkannt, dass er kaum Chancen auf einen Sieg vor Gericht habe, und dass der Deal "so oder so abgeschlossen werden wird". Eric Talley, Rechtsprofessor an der Columbia-Universität, sieht es ähnlich: Rechtlich habe Musk wohl nicht wirklich gute Karten, sagte er.

Wie geht es jetzt weiter?

Noch ist wie erwähnt unklar, ob oder wann Musk die Plattform übernimmt. Auf der einen Seite haben die Twitter-Aktionäre dem Verkauf bereits zugestimmt. Daher könnte das Geschäft in den kommenden Wochen schnell zum Abschluss gebracht werden, sollten sich beide Parteien auf die ursprünglichen Vorgaben verständigen. Auch die Finanzierung wäre vergleichsweise einfach. Musk hat seit seiner Ankündigung zum Kauf von Twitter Tesla-Aktien im Wert von 15,4 Milliarden Dollar verkauft. Einige Beobachter gehen davon aus, dass er weitere Anteile an den E-Auto-Bauer veräußern könnte, um die Übernahme zu finanzieren.

Auf der anderen Seite gibt es die gerichtliche Auseinandersetzung: Musk will den Kauf nur abschließen, wenn die Klage gegen ihn fallen gelassen wird. Dem wird Twitter jedoch wohl nur folgen, wenn das Unternehmen komplett sicher ist, dass der Milliardär es dieses Mal ernst meint mit dem Geschäft. Noch könnte es zu dem Prozess kommen, wenn Twitter keine Absicherung habe, dass der Kauf abgeschlossen werde, erklärte die Jura-Dozentin Ann Lipton von der Tulane University. "Twitter wird dieses Verfahren nicht aufhören lassen, bis es diese 100-prozentige Rückversicherung bekommt."

Die Richterin, die für den Prozess in Delaware zuständig ist, hat sich derweil noch nicht öffentlich zu dem neuen Vorschlag des Unternehmers geäußert. Sie könnte die nächsten Schritte festlegen. Eine dem Prozess vorausgehende Befragung von Musk durch Twitter soll morgen beginnen.

Was passiert bei einer Übernahme?

Sollten die rechtlichen Fragen geklärt sein, könnte Musk innerhalb weniger Tagen das Sagen über Twitter haben, betonte die Rechtsexpertin Lipton. Dann käme das kriselnde Unternehmen ausgerechnet in den Besitz des Mannes, der dessen Führung die vergangenen Monate fast unablässig öffentlich kritisierte und Zweifel am Wert der Firma verbreitete. Allerdings sieht Musks Plan ohnehin vor, Twitter von der Börse zu nehmen und ein neues Management aufzustellen.

Kehrt Trump zu Twitter zurück?

Würde der reichste Mensch der Welt die Fäden bei der Online-Plattform ziehen, wäre dies auch politisch brisant. Spannend ist etwa, ob Twitter den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump dann wieder aufnimmt. Musk betonte von Anfang an, dass es ihm bei der Twitter-Übernahme nicht um Geld, sondern um die Stärkung der Redefreiheit auf der Plattform gehe.

Zudem bezeichnete Musk Trumps Verbannung von Twitter im Zuge von dessen Sympathiebekundungen für Anhänger, die am 6. Januar 2021 das Kapitol in Washington gestürmt hatten, bei einem Interview im Mai als "moralisch falsch und einfach nur dumm". Eine Rückkehr könnte für Trump mit Blick auf eine mögliche Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl 2024 gerade rechtzeitig kommen.

Was ändert sich für Twitter-Nutzer?

Musk schrieb nach seiner Kehrtwende, der Kauf von Twitter würde für ihn den Weg zu "X, der App für alles, beschleunigen". Und zwar um drei bis fünf Jahre, ergänzte er in einem Tweet. Was genau hinter seiner Vision für eine Universal-App steckt, blieb jedoch offen. Im August hatte der 51-Jährige gesagt, Twitter könne für seine ursprüngliche Vision des X.com-Unternehmens hilfreich sein. X.com war ein 1999 gegründetes Start-up für Online-Bankgeschäfte und die frühere Version von PayPal.

Fest steht dagegen: Mit dem Kauf würde der Tesla-Chef eine der einflussreichsten Medienplattformen des Planeten übernehmen - und sich auf jeden Fall ein paar Dinge für die User ändern. Im Zusammenhang mit dem Gerichtsverfahren waren Textbotschaften veröffentlicht worden, wonach Musk Twitter von einem Werbe- zu einem Abo-Modell umbauen möchte. Zudem sollten Dienste wie Geldtransfers ermöglicht werden.

Digitalexperte Roland Fiege ist sicher, dass Musk den Nachrichtendienst komplett neu erfinden wird. "Man wird Twitter nicht mehr wieder erkennen", sagt er im Gespräch mit der ARD-Finanzredaktion. Seiner Ansicht nach möchte der Tech-Milliardär eine App nach chinesischem Vorbild entwickeln, die alles kann: "Die eine digitale Identität verwaltet, mit der man einkaufen kann, mit der man Geld senden kann."

Was macht die Twitter-Aktie?

Die Nachricht ließ die Twitter-Aktien gestern zunächst um fast 13 Prozent auf 47,93 Dollar steigen, bevor das Papier zeitweise vom Handel ausgesetzt wurde. Im späten New Yorker Handel sprangen die Papier dann um gut ein Fünftel nach oben. Mit zuletzt 51,92 Dollar ist allerdings noch etwas Abstand zum Gebotspreis.