Bei einem Sarghersteller stehen verschiedene Typen fertiger Särge.

Importe aus Europa Immer weniger Särge aus Deutschland

Stand: 07.04.2023 11:34 Uhr

Bei Bestattungen in Deutschland kommen Särge meistens aus dem Ausland. Nur noch sehr wenige Sargfabriken sind übrig geblieben, die mit einer heimischen Produktion werben - und auch mit Nachhaltigkeit.

Von Annalena Sippl, BR

Auf den ersten Blick wirkt das Treiben in der großen Halle im Dinkelsbühler Industriegebiet Botzenweiler wie eine ganz normale Schreinerei: Doch hier werden jährlich bis zu 22.000 Särge produziert - vom Holzstamm bis hin zum fertigen Sarg.

"Hauptsächlich verarbeiten wir Kiefer, Eiche, Pappel, Linde und Lärche", sagt Alexander Wendel, der die Firma mittlerweile in dritter Generation leitet. Den ersten Sarg produzierte sein Großvater 1953, nun beschäftigt die Firma rund 50 Mitarbeitende.

Viele Särge aus Polen, Tschechien oder Kroatien

Die Sargfabrik Hans Wendel ist ein Familienunternehmen in einer Branche, die in Deutschland immer kleiner wird: Denn laut dem Bundesverband Bestattungsbedarf werden aktuell nur noch rund 15 Prozent der benötigten Särge komplett in Deutschland hergestellt. 60 Prozent kommen direkt aus Ländern wie Polen, Tschechien, Bosnien und Herzegowina oder Kroatien. Ein Viertel der benötigten Särge wird zwar in Deutschland veredelt, produziert werden sie aber im Ausland.

Laut Bundesverband gibt es deutschlandweit nur noch rund 15 Firmen, die Särge herstellen. Die meisten sind eher klein, sie arbeiten mit weniger als 20 Beschäftigten. Der Großteil der verbliebenen Sarghersteller konzentriert sich heutzutage auf die Veredlung von Särgen, die Betriebe lackieren oder verschönern den Sarg durch Schnitzereien. Eine Herstellung "vom Stamm bis zum Sarg" wie bei Wendel bieten deutschlandweit nur noch zwei Firmen.

"Wandel zum Billigprodukt"

Seit einiger Zeit beobachtet Wendel den Wandel hin zum "Billigprodukt", wie er sagt. "Früher wurden noch hochwertige Produkte genommen, also auch hochwertiges Holz", erinnert er sich. "Mittlerweile ist es - teilweise - eine richtige Entsorgungsmentalität."

Alexander Wendel steht in seiner Werkstatt für die Herstellung von Särgen.

Alexander Wendel hat die Sargfabrik von seinem Vater übernommen - mittlerweile wird sie in dritter Generation geführt.

Für einen großen Teil des Angehörigen spiele der Kostenfaktor bei der Bestattung die entscheidende Rolle, so Wendel. Viele wählen möglichst billige Särge aus. Gleichzeitig beobachtet er auch beim Sargverkauf die Krise der Mittelschicht. "Der Sarg spiegelt eigentlich die Gesellschaft wider: entweder extrem einfach oder extrem abgehoben, mit viel Farbe, verschiedene Formen - wirklich extravagant." Särge im mittleren Preissegment seien nicht mehr so gefragt wie früher.

Trend zur Feuerbestattung

Eine mögliche Erklärung für diese Entwicklungen liefert der Bundesverband Bestattungsbedarf: Dort geht man davon aus, dass sich die Zahl der Sargproduzenten deutschlandweit seit der Jahrtausendwende halbiert habe.

Der Grund sei der Trend zur Feuerbestattung, durch den "das stückzahlmäßig relevante Mittelklassesortiment der deutschen Sarghersteller" nahezu komplett weggebrochen sei. Denn selbst bei einer Einäscherung wird ein Sarg benötigt - offenbar für viele ein Grund, ein günstiges Produkt zu wählen.

Pinke Särge und Airbrush-Bilder

Etwa 30 verschiedene Modelle bietet die Hans Wendel Sargfabrik im mittelfränkischen Dinkelsbühl an - alle sind jeweils in unterschiedlichen Farben und mit verschiedenen Schnitzereien bestellbar. So ergeben sich rund 1500 verschiedene Sarg-Varianten. Momentan geht der Trend zu natürlichen Farben. Lacke, wie früher bevorzugt, sind out. Machbar ist laut dem Geschäftsführer allerdings wirklich "alles was das Herz begehrt". Er sagt: "Wir hatten schon einen rosa Sarg, wir hatten schon schwarz, rot, pink - alles." Manchmal kämen auch Interessenten mit Entwürfen für die Form ihres Wunschsarges oder Angehörige, die sich den Verstorbenen als Airbrush-Bild auf den Sarg sprühen lassen.

Preislich ist es für die deutschen Sarghersteller kaum möglich, mit der Konkurrenz aus Osteuropa mitzuhalten. Wie Wendel wollen sie deshalb auch durch Nachhaltigkeit punkten: Das Holz, das bei ihm im Sägewerk geschnitten und später zu Särgen verarbeitet wird, kommt aus der direkten Umgebung. "Maximal 50 Kilometer Umkreis", sagt er. Und auch für die Polsterung der Särge kommen regionale Produkte zum Einsatz: "Wir haben teilweise Innenausstattung aus Schafwolle, da weiß ich sogar, wo die Schafe stehen."

Energiekrise und Holzknappheit lassen Preise steigen

Bestattungsunternehmen und Privatpersonen aus dem ganzen Land ordern Särge bei der Dinkelsbühler Sargfabrik - die meisten Besteller kommen jedoch aus Süddeutschland. Auch Wendel musste die Preise zuletzt anheben, denn die gestiegenen Energiekosten und der hohe Holzpreis machen vor der Sargfabrik nicht Halt.

Laut dem Bundesverband Bestattungsbedarf ist auch Kraftstoff ein starker Preistreiber, denn der Transport mache einen relativ großen Anteil der Gesamtkosten eines Sarges aus. Wie viel genau der Sarg am Ende kostet, das bestimmt der Bestatter, so Sarghersteller Wendel. Die günstigsten gebe es für 600 bis 800 Euro, nach oben hin sei der Preis - abhängig von den Wünschen - jedoch offen.

Annalena Sippl, BR, 07.04.2023 08:56 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 06. April 2023 um 05:09 Uhr.