Das Logo von Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und ein Plakat mit Aufschrift "Leopard`s Home" sind am Werk des Rüstungsunternehmens zu sehen.
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Panzer- und Waffenhersteller Wie die Rüstungsindustrie dasteht

Stand: 03.02.2023 11:30 Uhr

Die Ukraine soll nun auch von der Industrie "Leopard"-Panzer erhalten. Bundeswehrbestände sollen die Firmen ebenfalls schnell aufstocken. Wie ist es um die Branche bestellt - und welche Rolle spielt sie für die Wirtschaft?

Von Till Bücker, ARD-Finanzredaktion, Till Bücker, tagesschau.de

Auch aus Beständen der deutschen Industrie soll die Ukraine nun Kampfpanzer erhalten - ältere Modelle vom Typ "Leopard 1". Die Lücken bei der Bundeswehr, die durch die angekündigte Lieferungen neuester Panzer des Typs "Leopard 2 A6" aus Beständen der Truppe entstehen, will die Bundesregierung möglichst schnell schließen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) führte dazu in dieser Woche Gespräche mit Vertretern deutscher Rüstungskonzerne.

Allein der Rheinmetall-Konzern verfügt nach früheren Angaben über insgesamt 88 Panzer "Leopard 1A5". Angesichts der Unterstützung für das ukrainische Militär gehe es nun darum, "bei dem Ersatz für die Leopard-Panzer in die Produktion zu gehen", sagte der SPD-Verteidigungspolitiker Wolfgang Hellmich. Welche anderen Unternehmen spielen eine Rolle in der Branche? Wie groß ist sie, welche Bedeutung hat sie für die deutsche Wirtschaft? Und wie hat sie sich zuletzt entwickelt?

Insgesamt rund 135.000 Beschäftigte

Schätzungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge arbeiteten 2020 mehr als 55.500 Menschen bei den Produzenten der deutschen Rüstungsindustrie. Das waren knapp zwei Prozent weniger als 2015. Auch der Umsatz durch Geschäfte mit Panzern, Kriegsschiffen oder Kampfflugzeugen sank demnach von 11,69 Milliarden auf 11,28 Milliarden Euro.

"Das ist allerdings nur ein Ausschnitt der Verteidigungsbranche - es fehlen Zulieferer, Dienstleister und Teile der Elektronikbranche", sagt IW-Verteidigungsexperte Klaus-Heiner Röhl im Gespräch mit tagesschau.de. Nehme man diese hinzu, seien die Zahlen deutlich höher.

Insgesamt beschäftigt die Rüstungsindustrie nach Angaben des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. (BDSV) hierzulande rund 135.000 Menschen und erwirtschaftet pro Jahr direkt und indirekt etwa 30 Milliarden Euro Wertschöpfung.

Damit sei die deutsche Rüstungsbranche "die stärkste in Europa", sagte BDSV-Hauptgeschäftsführer Hans Christoph Atzpodien dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Beim Blick auf die 100 umsatzstärksten Rüstungsfirmen auf der Welt im Jahr 2021 fällt das jedoch zunächst nicht auf.

Hinter USA, Großbritannien, Frankreich und Italien

So kommt Deutschland auf der Liste des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) mit gerade einmal vier Konzernen auf einen globalen Marktanteil von 1,6 Prozent. Rheinmetall steht auf Platz 31. Allein vierzig der 100 weltweit führenden Unternehmen stammen dagegen aus den USA, die das weltweite Rüstungsgeschäft mit 51 Prozent des Umsatzes eindeutig dominieren.

Doch auch Großbritannien mit dem sechstplatzierten BAE Systems und Frankreich mit Thales (Rang 16) und Dassault Aviation Group (Rang 19) sowie Italien mit Leonardo (Rang 12) liegen beim Marktanteil vor Deutschland.

Mehr Zulieferer als Endfertiger

Dass Deutschland bei den Endherstellern nicht so weit vorne steht, liege daran, dass die Branche hierzulande ganz anders strukturiert ist, erklärt Röhl. "Wir haben sehr viele mittelständische Unternehmen, die oft Zulieferer sind und daher in den Endgeräten der anderen europäischen Hersteller mit drin stecken."

Viele Teile in Panzern oder Waffensystemen kämen aus dem deutschen Maschinenbau, der in Europa mit Abstand der stärkste sei, so der Industriefachmann. Die Informationsstelle Militarisierung schätzt den wehrtechnischen Mittelstand in Deutschland auf etwa 1350 Unternehmen mit jeweils bis zu 1000 Mitarbeitern und bis zu 300 Millionen Euro Jahresumsatz.

Konzentration an der Küste und in Süddeutschland

Innerhalb der deutschen Industrie sei die Rüstungsbranche relativ unbedeutend, so Röhl. "Wir haben regional aber Konzentrationen - vor allem der Marineschiffbau an der Küste, der für Werftstandorte wie Kiel enorm wichtig ist." Zudem sei der Raum München ein weiteres Zentrum, wo das Familienunternehmen Krauss-Maffei Wegmann (KMW) sitzt, ein führender Hersteller für Bodenfahrzeuge und Teil der transeuropäischen Holding KMW+NEXTER Defense Systems (KNDS).

Krauss-Maffei Wegmann ist auch Generalunternehmer bei der "Leopard"-Produktion. Heute wurde bekannt, dass Norwegen insgesamt 54 "Leopard-2"-Panzer bei dem Hersteller kauft.

In der bayerischen Landeshauptstadt haben außerdem der Rüstungselektronikkonzern Hensoldt und die Verteidigungssparte von Airbus ihren Sitz. Ein größeres KMW-Werk ist außerdem in Kassel angesiedelt. Düsseldorf ist Standort von Rheinmetall, dem größten deutschen Hersteller von Panzern und Kampffahrzeugen, der sich durch Zukäufe im Ausland zu einem globalen Konzern entwickelte.

Diese vier Unternehmen bilden gemeinsam mit der Diehl Group, die unter anderem Wehrtechnik wie Lenkflugkörper, Halbzeuge, Zünder und elektronische Steuerungen produziert, die fünf größten Rüstungskonzerne in Deutschland. Der französisch-deutsche Airbus-Konzern steht dabei laut dem Informationsdienst Defense News mit einem Umsatz von rund 10,85 Milliarden US-Dollar an der Spitze. Global gesehen ist die Rüstungssparte des weltgrößten Flugzeugbauers Airbus, die etwa 18 Prozent des Gesamtumsatzes ausmacht, auf Rang 15 angesiedelt.

Partnerschaften und wachsenden Dienstleistungen

"Airbus ist zwar stärker ein Zivilflugzeugbauer. Trotzdem ist es mit Abstand das größte Unternehmen der Verteidigungsbranche in Deutschland, weil die Flugzeuge in der militärischen Luft- und Raumfahrt so viel höhere Verkaufswerte haben als Panzer, Waffen oder Munition", sagt Experte Röhl. Der Bereich mache etwa 40 Prozent der gesamten Umsätze in der Industrie aus. Zum Beispiel müssten Hand- und Kleinwaffenhersteller wie Heckler & Koch zahlreiche Gewehre herstellen, um auf das Geschäftsvolumen eines Panzers zu kommen. Gleichzeitig müssten mehrere Kampffahrzeuge produziert werden, um den Wert eines Eurofighter-Flugzeugs zu erreichen.

Die Waffenbranche ist darüber hinaus laut dem IW-Experten geprägt von Partnerschaften: "Volle Konkurrenz funktioniert in der Rüstungsindustrie einfach nicht, weil einige Dinge nur ein Mal entwickelt werden und der Staat der einzige Auftraggeber ist." So planen zum Beispiel Deutschland und Frankreich gemeinsam einen neuen Kampfpanzer als Nachfolger des "Leopard 2". Beauftragt sind KMW und die französische Nexter, die sich zu KNDS zusammengeschlossen haben, sowie Rheinmetall.

Ein weiteres Merkmal des Industriezweigs: "Der Dienstleistungsanteil ist in der Branche immer weiter gestiegen", so Röhl. Dinge, die früher von den Streitkräften der Bundeswehr selbst gemacht wurden, seien mittlerweile ausgelagert worden - etwa die Wartung. Dazu kommen Trainingssimulationen, Aufklärung oder Kommunikation. So erhielt die Münchener Firma Rohde & Schwarz im Dezember vom Verteidigungsministerium einen Milliardenauftrag über rund 20.000 abhörsichere Digitalfunkgeräte für ein Führungsfunksystem.

"Erstaunlich wenig passiert"

"Generell haben die Umsätze der gesamten Rüstungs- und Verteidigungsindustrie aber seit Jahren stagniert", sagt Röhl. Trotz der Krim-Besetzung und dem Start des Konflikts im ukrainischen Donbass im Jahr 2014 habe es keinen großen Anstieg gegeben. Auch wenn die NATO damals das Zwei-Prozent-Ziel für Verteidigungsausgaben noch einmal bekräftigt hatte, sei in Deutschland so gut wie nichts passiert. "Der Anteil am Bruttoinlandsprodukt begann erst 2017 langsam von 1,1 auf 1,5 Prozent zu steigen - verharrt dort aber seitdem." Zum Vergleich: 1989 wurden noch 2,7 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgegeben.

Zudem habe es die Bundesregierung noch nicht geschafft, einen Einsatzstand herzustellen, so Röhl - obwohl Kanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die "Zeitwende" ausgerufen und ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr angekündigt habe. "Passiert ist im Großen und Ganzen allerdings erstaunlich wenig", meint Röhl.

Sondervermögen reicht offenbar nicht aus

Zwar brachte das Verteidigungsministerium unter anderem den Kauf von 35 Kampfjets F35 des US-Herstellers Lockheed Martin auf den Weg und bestellte neue Transporthubschrauber. Dagegen habe es relativ wenig Kleinaufträge gegeben für die persönliche Ausrüstung der Soldaten, Munition oder Ersatzteile, sagt der Branchenexperte.

Das scheint sich nun langsam zu ändern. Verteidigungsminister Pistorius hatte jüngst eingeräumt, dass das Sondervermögen und der reguläre Etat über 51 Milliarden Euro nicht ausreichten.

Auch andere Staaten haben weiter steigende Militärausgaben angekündigt. Die Rüstungsunternehmen berichten bereits von wachsenden Aufträgen und rechnen in den kommenden Jahren mit Umsatzsteigerungen im zweistelligen Bereich. Dafür wurden Tausende zusätzliche Jobs geschaffen. Allein Rheinmetall hat 2022 nach eigenen Angaben 1200 neue Mitarbeiter eingestellt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 25. Januar 2023 um 07:35 Uhr und am 03. Februar 2023 um 12:00 Uhr in den Nachrichten.