Eine Kugel hat auf der Kegelbahn die Kegel umgestoßen.
mittendrin

Kegelbahnen in der Krise Mit Jugendarbeit den Kegelsport retten

Stand: 02.07.2023 16:07 Uhr

Kegeln gilt als angestaubter Sport aus einer anderen Zeit - an vielen Orten in Deutschland gammeln Kegelbahnen vor sich hin. Ein Verein aus Hermaringen will die Jugend wieder fürs Kegeln begeistern - mit Erfolg.

Von Paul Jens, SWR

Ein letzter Kegel steht noch am Ende der olivgrünen Bahn. Klaus nimmt drei Schritte Anlauf, führt den Arm gerade am Körper vorbei und schickt die Kugel dann auf die Reise. Drei Sekunden herrscht fast komplette Stille, dann fällt der Kegel. "Ja, da ist das Ding!" Tanzend klatscht Klaus mit seinem Team ab und schreibt dann mit Kreide den neuen Stand auf die Tafel. "Nur noch 3:4 wir holen die noch ein!"

Schon seit mehr als 20 Jahren gehen die acht Rentner und Rentnerinnen in dieser Runde kegeln. Freitags treffen sie sich auf der Kegelbahn im Dörfchen Hermaringen bei Heidenheim. Früher waren einige von ihnen Sportkegler, heute geht es mehr um das Zusammensein. "Wir machen das als Hobby, das wir bisschen unterhalten werden, rauskommen, fit bleiben. Und dann gibt’s ja auch noch was Gutes zu essen und zu trinken", erzählt Gaby.

Die Kegelbahnen bleiben leer

Bei Bier, einem Schnaps und viel Gelächter besprechen die Rentner die wichtigen Fragen: Wie geht es den Kindern, wer führt beim Fußball und was gibt’s morgen zu essen. Die Bahn haben sie an dem Abend komplett für sich. Nicht ungewöhnlich, denn immer weniger Menschen kegeln noch. In den 2000er-Jahren hatte der Deutsche Kegel- und Bowlingbund noch über 250.000 Mitglieder. Jetzt sind es nur noch etwas mehr als 60.000.

Das Image scheint aus der Zeit gefallen. Kegeln gilt vielen als angestaubt. Ein Hobby von alten Menschen, die auf der Bahn ein Bierchen trinken und rauchen. Die Bahnen, oft angeschlossen an eine Gaststätte, gammeln an vielen Orten vor sich hin. Dabei haben viele Vereine und Gaststätten in die Bahnen investiert, teilweise sind diese heute noch nicht abbezahlt.

Früher war Kegeln oft ein sozialer Kitt, hat gerade auch in einem 2500-Einwohner Dorf wie Hermaringen die Gemeinschaft zusammengebracht. Heute steht der ehemalige Volkssport vor dem Ende.

Doch in Hermaringen ist die Wende gelungen. Seit einigen Jahren kommen auch wieder junge Menschen. 20 Kinder und Jugendliche kegeln inzwischen in Hermaringen, der Verein hat mehrere Jugendmannschaften gemeldet.

Wie hat Hermaringen den Turnaround geschafft?

Der Verein setzt gezielt bei den ganz jungen an. Schon in den Grundschulen werben die Jugendtrainerinnen um die Kinder, noch bevor alle vom Fußball abgegriffen werden. Und auf den Bahnen nehmen sie sich für jedes Kind und Jugendlichen viel Zeit.

Stefanie Thierer spielt selbst aktiv und ist gleichzeitig Jugendtrainerin in Hermaringen: "Bei den ganz Kleinen kann man einfach nicht so viel voraussetzen von der Koordination her. Die müssen wir mit Spielen und Spaß für den Sport begeistern. Aber das klappt jetzt echt gut."

Auch bei den Kindern kommt das gut an. Noah hat früher noch Fußball gespielt, aber kein Trainer hat sich dort wirklich um ihn gekümmert. "Hier sind meine ganzen Freunde und es macht einfach immer Spaß. Das war beim Fußball nie so."

Es fehlen Konkurrenten in der Umgebung

Neben der Nachwuchsförderung ist noch eine Sache anders in Hermaringen. Die Anlage ist zwar aus den 80er-Jahren, der Verein hat aber immer wieder Geld in die Hand genommen und Bahnen und Elektronik modernisiert. Auch in den nächsten Jahren stehen wieder Investitionen an. Umso wichtiger, dass wieder mehr Menschen im Verein kegeln.

Ist der ehemalige Volkssport also schon gerettet? Nicht ganz. Denn kaum ein Verein schafft es, eine ähnlich gute Jugendarbeit aufzuziehen. Deshalb müssen die Mannschaften aus Hermaringen oft weit zu ihren Wettkämpfen fahren. Alles steht und fällt mit dem Einsatz der ehrenamtlichen Trainer und Trainerinnen. In Hermaringen haben sie das Kegeln mit viel Engagement bei den Jüngsten wiederbelebt. Das lässt hoffen, dass der einstige Volkssport die Krise überleben wird.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 22. Juni 2023 um 21:56 Uhr.