Brötchen

Auflagen für Handwerksbetriebe Wie Bäcker mit der Bürokratie kämpfen

Stand: 21.02.2023 08:42 Uhr

Bäckereien beklagen, dass sie die Auflagen der deutschen Bürokratie zu viel Zeit, Nerven und Geld kosten. In Baden-Württemberg gibt es nun einen Versuch, die Betriebe zu entlasten.

Von Gabi Mönch und Susanne Blank, SWR

Seit 1688 gibt es Hans Wucherers kleine Bäckerei in Reutlingen. Er ist stolz auf sein traditionelles Handwerk. "Hier wird noch echt gebacken" steht auf seiner Webseite. In letzter Zeit machen Inflation und die Energiepreise den Bäckern zusätzlich große Probleme. Aber es ist eine andere Last, die Wucherer langsam in die Knie zwingt: die deutsche Bürokratie.

Er habe wochenlang an einem Ordner gearbeitet, in dem alle Zusatzstoffe seiner Backwaren stehen, so Wucherer. Der Ordner ist gesetzlich vorgeschrieben. Darin können Kundinnen und Kunden zum Beispiel Allergene nachlesen. Nur: Sehen wollte diesen Ordner in acht Jahren niemand. Wenn die Kunden was wissen wollen, fragen sie einfach nach. Das Personal in der Bäckerei weiß genau, was wo drin ist. Den Ordner hätte man sich also eigentlich sparen können.

Ordner, die niemanden interessieren

Und es gibt noch mehr Ordner bei Wucherer, die am Ende niemanden interessieren. Die er aber ausfüllen muss, so die Vorschriften. Er muss es zum Beispiel dokumentieren, wenn die Brotbackmaschine gesäubert wird. Jeden Tag, auf Papier, mit Unterschrift. All das kostet Wucherer Zeit und Geld, bis zu 40.000 Euro im Jahr, schätzt er:

Ich bin nicht Bäcker geworden, um Formulare und Papierkram auszufüllen, sondern um kreativ zu arbeiten. Das ist sehr frustrierend.

Vier Ministerien zuständig

In der Politik wird der Bürokratieabbau diskutiert. In Baden-Württemberg sollte der Normenkontrollrat helfen. 2021 veröffentlichte er eine Studie mit 20 Vorschlägen, die die Bäckereien bei der Bürokratie entlasten könnten. Der Normenkontrollrat hatte in der Studie errechnet, dass die Betriebe in Baden-Württemberg so insgesamt 70 Millionen Euro in fünf Jahren sparen könnten.

Weniger Bürokratie ist Konsens, aber wie? Da ist sich die Politik uneinig. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann fand, dass der Normenkontrollrat beim Bürokratieabbau nicht weit genug geht. Nun hat die grün-schwarze Landesregierung die Sache selbst in die Hand genommen.

Zuständig sind damit auf Landesebene das Verbraucher-, Wirtschafts-, Finanz- und Innenministerium, das Statistische Landesamt sowie der Bund und die EU. Außerdem gibt es einen Koordinator für Bürokratieabbau im Staatsministerium. Das erklärt auf Anfrage, dass sieben der Vorschläge des Normenkontrollrats bereits umgesetzt seien. Viele andere Forderungen richteten sich aber an den Bund oder die EU, sie können auf Landesebene also nicht umgesetzt werden.

"Es wird immer schlimmer"

Stefan Körber ist Hauptgeschäftsführer des Bäckerhandwerks im Südwesten. Er erklärt, dass die Bäckereien bisher wenig von der Erleichterung merken. Ein Minifortschritt sei, dass man die Kühlschranktemperatur nicht mehr dokumentieren muss. Bisher mussten die Bäckereien handschriftlich festhalten, ob die Kühltemperatur niedrig genug ist. Dabei piepen die Kühlschränke von selbst, wenn die Temperatur ansteigt.

Das war einer der Vorschläge, die schon umgesetzt wurden. Aber sein generelles Fazit: "Es wird immer schlimmer." Nicht jede einzelne Dokumentation sei das Problem, sondern die schiere Masse. Dazu komme, dass die Formulare oft unverständlich seien. Statt digital müssten die meisten Dokumentationen auf Papier festgehalten werden. All das koste Zeit.

Paragraphenzeichen aus Laugenteig

Ein weiteres Ärgernis für Stefan Körber ist, dass Zuständigkeiten oft nicht klar sind: "Wenn ich einem Landrat sage, ich möchte etwas ändern, sagt der: Da ist das Land zuständig. Beim Land wird mir gesagt, dass der Bund zuständig sei." Beim Bund würde ihm dann gesagt, das komme aus Brüssel. "Und dort sagt man: Das will die Weltgesundheitsorganisation. Solange jeder immer sagt, der andere ist es, wir können nichts ändern, wird sich auch nichts ändern."

Für Bäcker wie Hans Wucherer heißt das: Es geht erst mal weiter wie bisher. Ordner füllen und die Sauberkeit seiner Brotbackmaschine dokumentieren - diese Tätigkeiten bleiben fester Bestandteil seines Jobs. Inzwischen backt er aus seinem Laugenteig manchmal Paragraphenzeichen statt Brezeln - aus Frust.