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Neue Berufsbilder Die Ersten ihrer Art

Stand: 31.03.2023 10:39 Uhr

Prompt Engineer oder Elektroniker für Gebäudesystemintegration: Im Zuge der Digitalisierung verschwinden und verändern sich Berufe, aber es entstehen auch völlig neue.

Benjamin Jathe ist einer der ersten seiner Art. Der 35-Jährige hat Agrarwissenschaften studiert und dachte, er mache mal was mit Landwirtschaft. Stattdessen arbeitet er heute im IT-Bereich, als "Head of Service Process Management" beim Landmaschinen-Hersteller Claas in Harsewinkel, Nordrhein-Westfalen. Jathe sorgt mit seinem Team dafür, dass der Kundenservice für die durchtechnisierten Mähdrescher von heute digitaler und effizienter wird.

Jobprofile im Wandel

"2007, als ich mit dem Studium angefangen habe, war die Landwirtschaft noch sehr analog unterwegs. Es gab erste smarte Farmen, aber eher in den USA", sagt Jathe. Das ist heute anders. Jathes Arbeitgeber Claas produziert nicht nur Landmaschinen wie Mähdrescher; das Unternehmen entwickelt auch die Software für die Fahrzeuge und hat weltweit Kooperationswerkstätten mit Mechanikern, die die Maschinen warten.

Viele der Betriebe seien aus alten Dorfschmieden entstanden, berichtet Jathe. Dorfschmieden, aus denen über die Jahrzehnte spezialisierte Werkstätten geworden seien, mit Mechanikern, die heute Laptops nutzen, um komplexe Diagnosen an Elektronikbauteilen durchzuführen, auch von weit weg. Statt auf Papier dokumentieren sie ihre geleistete Arbeit über eine Diktierfunktion direkt ins Smartphone.

Und die Entwicklung des Berufs geht noch weiter, so Jathe: "Wir haben in der Vergangenheit bereits mit Projekten im Bereich Augmented Reality gearbeitet, wo beispielsweise über eine Brille ein virtuelles Bild erstellt wird, über das der Mechaniker oder die Mechanikerin quasi in die Maschine hineingucken kann."

Neue Berufe durch neue Technologien

Die Entwicklung des Jobprofils von Mähdrescher-Mechanikern ist beispielhaft dafür, wie Berufe sich verändern und neue entstehen, sagt Michael Böhm, Professor für empirische Wirtschaftsforschung an der TU Dortmund, der zur Zukunft der Arbeit forscht.

Er beobachtet zwei Kräfte, die den Wandel antreiben: zum einen die Automatisierung, die menschliche Tätigkeiten ganz oder teilweise durch Maschinen ersetzt, sei es in der Produktion oder im Büro. Zum anderen die sogenannte Augmentation, die Arbeitskräfte mithilfe von Software unterstützen und Prozesse effizienter machen soll.

"Nehmen wir das Beispiel smarter Gebäude, die durch IT intelligent gemacht werden, damit sie zum Beispiel selbst die Raumtemperatur regulieren: Um die kümmert sich jetzt der Elektroniker für Gebäudesystemintegration." Es ist einer der neuesten Berufe in Deutschland. Seit 2021 gibt es die Ausbildung.

KI nutzbar machen

Auch die neuen Möglichkeiten im Bereich künstliche Intelligenz - kurz KI - sorgen dafür, dass neue Jobprofile entstehen. Die Hamburger Designagentur und Markenberatung Mutabor zum Beispiel hat vor kurzem eine Stelle als Prompt Engineer ausgeschrieben. Den Beruf beschreibt Mutabor-Geschäftsführer Christian Breid so: "Ein Prompt Engineer ist jemand, der die KI für unser Unternehmen nutzbar macht. Er trainiert sie, um für uns effiziente Ergebnisse rauszubekommen."

Mutabor hat dabei vor allem repetitive Arbeiten im Blick. Ziel sei aber auch, über gut ausgebildete Mitarbeitende Unternehmen besser beim Einsatz von KI zu beraten. Außerdem wolle das Unternehmen die KI nutzen, um selbst schneller gute Ergebnisse zu bekommen, beispielsweise bei einer Unternehmensanalyse oder um den kreativen Prozess zu unterstützen.

"Das Berufsbild Prompt Engineer ist gerade im Kommen und noch nicht so richtig definiert. Am Anfang kam es eher aus der Tech-Szene, aber eigentlich können viele Menschen diesen Job machen, auch Designer", sagt Breid. Er ist überzeugt, dass der Umgang mit KI in Zukunft in vielen Berufen zum normalen Arbeitsalltag dazugehören wird, so wie E-Mails oder die Recherche in einer Internet-Suchmaschine.  

Nicht alle neuen Jobs sind digital

Doch auch fernab der Digitalisierung entstehen neue Berufe, wenn es dafür einen Markt gibt, sagt der Arbeitsweltforscher Michael Böhm. "In New York gibt es das Jobprofil des 'Dog Walkers', also des Hundeausführers. Denn dort gibt es einen Markt dafür." Andere Berufe dagegen verschwänden zunehmen, wie die des Nähers oder der Näherin, weil der Markt dafür sich in andere Länder verlagert hat oder Maschinen den Job übernehmen.

Droht dies vielen weiteren Berufen, wenn die KI immer besser wird? "Dazu gibt es viele Spekulationen, aber auch handfeste Studien, und die sagen, dass in 80 Prozent der Jobs etwa zehn Prozent der Aufgaben ersetzt werden könnten, da bleibt also noch etwas zu tun", so Böhm. Recherchen bei Juristen beispielsweise seien inzwischen häufig automatisiert; dafür bleibe mehr Zeit für den persönlichen Kontakt zu den Klienten. 

Bei Claas in Harsewinkel stellen sie fest, dass die Möglichkeiten, die die Digitalisierung heute bietet, auch begrenzt sein können. Bei Tests mit einer sogenannten AR-Brille hätten die Mechaniker festgestellt, dass sie ohne zwischengeschaltete digitale Ebene deutlich besser und präziser reparieren können als mit.