Stau auf der Autobahn im Seitenspiegel betrachtet

Sicherheitssysteme im Auto Lebensrettende Technologie mit Mängeln

Stand: 08.07.2023 06:14 Uhr

Car2X ist eine Technologie in Autos, die Gefahren im Verkehr erkennt und andere Fahrzeuge warnt. Doch noch nutzen die Autobauer unterschiedliche Standards, was die Kommunikation zwischen einzelnen Marken unnötig erschwert.

Von Isabella Kroth, br

Die Gefahr ist oft schwer im Vorfeld zu erkennen: Ein liegen gebliebenes Auto hinter einer nicht einsehbaren Kurve; Stau im dichten Nebel; eine Absperrtafel auf der Autobahn. Die Technologie Car2X warnt Fahrerinnen und Fahrer durch ein Signal, etwa auf dem Display im Auto. Das Funk-Informationssystem lässt Fahrzeuge untereinander oder auch mit Verkehrsinfrastruktur wie Ampeln oder Warnanhängern kommunizieren.

Eine Technologie, die schwere Unfälle verhindern und dadurch Leben retten kann. Florian Hördegen vom ADAC stuft sie daher als "Meilenstein für die Verkehrssicherheit" ein - ähnlich wichtig wie ein Airbag oder ABS. Es sei das erste Sicherheitssystem, "das nicht erst eingreift, wenn der Unfall gerade passiert, sondern den Fahrer bereits vor dem Unfall warnt und damit Unfälle frühzeitig verhindern kann", sagt der Leiter der Fahrzeugtechnik beim ADAC.

"Jeder kocht sein eigenes Süppchen"

Viele deutsche Hersteller nutzen Car2X bereits, etwa Audi, BMW, Ford, Mercedes-Benz und Volkswagen. Auch bei Cupra und Volvo ist die Technologie verbaut, nicht aber bei anderen Import-Marken. "Es ist ganz wichtig, dass wir diese Technologie serienmäßig in alle Fahrzeuge kriegen", fordert deshalb Hördegen. Und auch bei Autoherstellern, die bereits auf die Car2X-Technologie setzen, sieht der ADAC noch erhebliche Herausforderungen.

Weil "jeder Hersteller noch sein eigenes Süppchen kocht", so der Leiter der Fahrzeugtechnik, sei das Potenzial der Technologie deutlich eingeschränkt. Die Warnungen vor Gefahrenstellen werden meist nur an Autos der gleichen Marke verschickt. "Jeder versucht, eigene Standards durchzuführen", kritisiert Hördegen die Autobauer. Damit funktioniere die Kommunikation unter den einzelnen Marken nicht einwandfrei.

Störfaktor Funkloch

Zudem nutzen die Hersteller unterschiedliche Übertragungsstrategien. So setzen etwa Volkswagen und Cupra auf die PWLAN-Technologie, Volvo, Audi und Ford dagegen auf Mobilfunk. Letzterer übertrage im Fall von Funklöchern jedoch nur verzögert oder gar nicht, kritisiert der ADAC.

Dritter Kritikpunkt des ADAC ist die unterschiedliche Geschwindigkeit bei der Datenübertragung. VW und Volvo würden diese innerhalb einer Sekunde schaffen, bei Audi und Ford würde es dagegen 20 Sekunden bis zwei Minuten dauern - aus Sicht des ADAC viel zu langsam. Der größte Verkehrsclub Europas fordert die Hersteller auf, sich so schnell wie möglich auf eine Übertragungstechnik zu einigen und diese als Serienausstattung anzubieten.

Versicherer appellieren an die Autobauer

Auch das Allianz Zentrum für Technik sieht in der Software großes Potenzial zur Vermeidung oder Abschwächung von Unfällen durch die schnelle Informationsübertragung. Sechs Prozent aller schweren Lkw-Unfälle würden in Deutschland passieren, weil fahrbare Absperrtafeln übersehen werden. Wären diese aber mit der Car2X-Technologie derart ausgestattet, dass diese mit den heranfahrenden Autos kommuniziert, könnten Auffahrunfälle vermieden werden.

Christoph Lauterwasser vom Allianz Zentrum für Technik würde sich die Technologie deshalb in allen Fahrzeugen wünschen: "Dadurch wird menschliches Leid reduziert und natürlich erhebliche Kosten auch für die Volkswirtschaft gemindert." Der Verband der Automobilindustrie hingegen rechtfertigt die unterschiedlichen Technologien damit, dass sie jeweils bestimmte Vorteile für Fahrerinnen und Fahrer hätten. Die Vorteile helfen jedoch nicht, wenn die Technologien nicht miteinander kompatibel sind.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 04. Juli 2023 um 16:48 Uhr.