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Vorschlag der Amtsärzte Viel Zustimmung zur Siesta-Idee

Stand: 19.07.2023 07:00 Uhr

Eine verlängerte Mittagspause für Beschäftigte in Deutschland - angelehnt an die südeuropäische Siesta: Der Vorschlag der Amtsärzte kommt nicht nur bei den Arbeitnehmerverbänden gut an. Auch ein Teil der Arbeitgeber zeigt sich offen dafür.

Der von den Amtsärzten vorgebrachte Vorschlag einer Siesta in Deutschland stößt bei Arbeitnehmerverbänden auf viel Zustimmung. Unterstützung kam etwa von der Industriegewerkschaft IG BAU. "Natürlich müssen wir vor allem die Beschäftigten schützen, die bei dieser Gluthitze draußen unter freiem Himmel arbeiten müssen", sagte der Bundesvorsitzende der IG BAU, Robert Feiger.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) steht dem Vorschlag positiv gegenüber, differenziert aber: "Beschäftigte vor Hitze zu schützen, ist Verantwortung der Arbeitgeber - und der Schutz muss zum jeweiligen Arbeitsplatz genau passen", sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel der "Rheinischen Post". "Die Arbeitszeit in den kühleren Stunden des Tages stattfinden zu lassen, ist ein denkbares Instrument", sagte Piel weiter. Im Büro gehöre auch effektiver Sonnenschutz dazu - "etwa, dass Jalousien auch nachts zu bleiben und die Lüftung durchläuft". Wärmequellen wie Drucker und Kopierer aus Arbeitsräumen zu entfernen, eine gelockerte Kleiderordnung und die Bereitstellung von Getränken schafften ebenfalls Abhilfe, sagte Piel.

Der Arbeitsschutz biete jetzt schon gute Leitplanken und gleichzeitig die notwendige Flexibilität für individuelle Lösungen in den Betrieben. Da dies jedoch nicht alle Arbeitgeber umsetzten, "braucht es mehr Kontrollen und mehr Personal in den Arbeitsschutzbehörden", forderte Piel.

Lob des Gesundheitsministers

Lob kommt auch von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach: "Siesta in der Hitze ist sicherlich kein schlechter Vorschlag", schrieb er dazu auf Twitter. Der SPD-Politiker sieht in der Frage allerdings nicht die Politik gefordert. Das sollten "Arbeitgeber und Arbeitnehmer selbst aushandeln", so der Gesundheitsminister. Auch FDP-Gesundheitspolitiker Lars Lindemann sprach sich gegen eine Einmischung der Politik aus.

Angestoßen wurde die Diskussion vom Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD). "Wir sollten uns bei Hitze an den Arbeitsweisen südlicher Länder orientieren: Früh aufstehen, morgens produktiv arbeiten und mittags Siesta machen, ist ein Konzept, das wir in den Sommermonaten übernehmen sollten", hatte der Vorsitzende Johannes Nießen gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) vorgeschlagen.

"Bei starker Hitze sind Menschen nicht so leistungsfähig wie sonst. Schlechter Schlaf bei fehlender Abkühlung in der Nacht führt zusätzlich zu Konzentrationsproblemen." Komplexe Arbeitsanforderungen sollte man daher lieber in die frühen Morgenstunden verschieben, ergänzte der Mediziner. "Zudem braucht es ausreichend Ventilatoren und leichtere Kleidung, auch wenn die Kleiderordnung im Büro das nicht erlaubt."

Arbeitgeber in der Sache uneinig

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) zeigte sich offen. Eine Reform des Arbeitszeitrechts könne helfen, "um Beschäftigten die Chance zu geben, flexibler zu arbeiten", erklärte der Verband auf Anfrage des RND. "Dazu können auch längere Mittagspausen gehören, wenn es von den betrieblichen Abläufen her möglich ist und Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich einig sind." Der BDA unterstrich zugleich, dass die Arbeitgeber bereits jetzt zum Schutz ihrer Beschäftigten bei hohen Temperaturen verpflichtet seien - "sie nehmen diese Fürsorgepflicht sehr ernst". Gesunde Arbeit "ist auch bei Hitze in den Betrieben gewährleistet".

Ablehnung kam hingegen vom Verband der Familienunternehmer. "Bei hohen Temperaturen sind Arbeitgeber durch Vorgaben zum Arbeitsschutz bereits jetzt dazu aufgerufen, Maßnahmen für ein erträgliches Arbeiten zu ergreifen. Die Notwendigkeit einer flächendeckenden, womöglich gesetzlich festgelegten Siesta im Sommer sehe ich nicht", sagte Präsidentin Marie-Christine Ostermann der "Rheinischen Post".

"Modelle wie Vertrauensarbeits- und Gleitzeit bieten in vielen Jobs, wo dies vom Arbeitsablauf her möglich ist, ohnehin die Möglichkeit, an heißen Tagen bereits früh mit der Arbeit zu beginnen, um die kühleren Stunden am Morgen optimal dafür zu nutzen. Frei nach dem Motto: Früher Vogel fängt den kühlsten Wurm", so Ostermann weiter.

Kai Küstner, ARD Berlin, tagesschau, 19.07.2023 07:22 Uhr