Ein Schlagloch auf einer Straße in der Hamburger Innenstadt.

Konjunktur-Sorgen "Deutschland auf der Verliererstraße"

Stand: 01.08.2023 10:30 Uhr

Die jüngsten Konjunkturdaten zeichnen ein trübes Bild der deutschen Wirtschaft. Die Spitzenverbände aus Industrie und Handwerk äußern sich besorgt und fordern ein schnelles Handeln der Regierung.

Die deutsche Wirtschaft steckt in einer Flaute. Der erhoffte Frühjahrsaufschwung ist ausgeblieben. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stagnierte im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt anhand vorläufiger Zahlen mitgeteilt hatte. Die Aussichten für die kommenden Monate haben sich nach Einschätzung von Ökonomen zudem eingetrübt. Der Internationale Währungsfonds erwartet für dieses Jahr ein Schrumpfen der deutschen Wirtschaft um 0,3 Prozent. Die Bundesregierung erwartet nach der im April vorgelegten Frühjahrsprojektion für dieses Jahr ein BIP-Plus von 0,4 Prozent.

In dieser Gemengelage blicken die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft mit großen Sorgen auf die weitere Entwicklung der Konjunktur. Industriepräsident Siegfried Russwurm sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Deutschland befindet sich wirtschaftlich auf der Verliererstraße, insbesondere im internationalen Vergleich." Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Rainer Dulger, ergänzte gegenüber der dpa: "Wenn wir eine der führenden Industrienationen bleiben wollen, müssen wir an vielen Stellschrauben drehen." Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, sagte der Nachrichtenagentur, es bestehe ein großer Handlungsdruck, um nicht in eine tiefe Krise hineinzusteuern.

Indikatoren zeigen in die falsche Richtung

"Die Konjunkturindikatoren zeigen leider alle nach unten, also komplett in die falsche Richtung", sagte Russwurm. Laut aktuellem IWF-Wachstumsausblick sei die deutsche Volkswirtschaft die einzige unter den 22 untersuchten Ländern und Regionen, in der das Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr zurückgehe. "Das muss ein Industrie- und Exportland, wie es Deutschland ist, alarmieren."

Substanzielle Unterstützung aus dem politischen Umfeld, gerade in einer so schwierigen Situation, sei noch Mangelware, kritisierte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie. "Es geht längst nicht nur um Geld: Wir machen keine Fortschritte beim Bürokratieabbau. Wir machen keine Fortschritte beim Thema Genehmigungsbeschleunigungen." Es gebe zu kleine Fortschritte, das Energiesystem der Zukunft und seine Kosten in den Griff zu bekommen.

Wettbewerbsfähigkleit der Betriebe leidet

Handwerkspräsident Dittrich sagte, den meisten Betrieben gehe es aktuell noch gut. "Allerdings ist die Stimmung schlecht - sogar bei denen, die wirtschaftlich gut dastehen. Die Kostenschübe durch höhere Materialkosten, Inflation, Lohnsteigerungen und vor allem durch weiter steigende Sozialabgaben sind gewaltig." Darunter leide die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe und ihre Zukunftsperspektiven gerieten unter Druck. "Die Transformation wird nur leistbar sein, wenn es weiter ausreichend zahlungsfähige Handwerksbetriebe gibt."

Auch Dittich beklagte, Deutschland sei zu bürokratisch, nicht digital genug und zu langsam, beispielsweise bei Genehmigungs- und Planungsverfahren. "Was vor uns liegt, ist sehr herausfordernd. Wenn jetzt nicht gehandelt und gegengesteuert wird - besonders im Baubereich -, dann droht eine lange Zeit der wirtschaftlichen Schwierigkeiten."

Kritik an der Ampel-Regierung

Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP habe im vergangenen Halbjahr leider nicht zu einer positiven Grundstimmung im Land beigetragen, sagte Dittrich. "Ihr teils praxisfernes und überhastetes politisches Handeln hat im Gegenteil viele, gerade auch im Handwerk, verunsichert - ganz besonders beim Gebäudeenergiegesetz."

Es gebe konkrete Entscheidungen, über die BDI-Präsident Russwurm nur den Kopf schütteln könne. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) schlage auf der einen Seite einen Industriestrompreis vor, der eine Brücke für die Zukunft darstellen solle, und auf der anderen Seite streiche die Bundesregierung den Spitzenausgleich beim Strompreis. Das belaste energieintensive Unternehmen enorm.

Hohe Energiekosten, hohe Steuern, Fachkräftemangel

Arbeitgeberpräsident Dulger wies auf das anhaltend schwierige wirtschaftliche Umfeld hin. "Wir befinden uns in einer Rezession. Auch die Inflation hält sich hartnäckiger als gedacht. Wir haben mit die höchsten Energiekosten, wir haben mit die höchsten Steuern und Lohnzusatzkosten", beklagte Dulger. "Wir haben eine marode Infrastruktur. Diese Probleme mischen sich mit Fachkräftemangel, verschlafener Digitalisierung und der Dekarbonisierung. Ein Mediziner würde von multiplen Erkrankungen sprechen."

Die Stimmung in den Unternehmen trübe sich ein, das Investitionsklima sei nicht gut. "Vor allem sind wir für ausländische Investitionen derzeit nicht attraktiv, unter anderem, weil wir ein Hochsteuerland sind. Wir sind kein attraktiver Standort. Wir brauchen Investitionen in den Standort. Deutschland muss vor allem schneller und digitaler werden." Nötig seien zudem weniger Steuern und Lohnzusatzkosten.