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Drohende Kreditklemme Mehr Pleiten durch Bankenturbulenzen?

Stand: 11.04.2023 11:58 Uhr

Die jüngste Bankenkrise dürfte sich einer Studie zufolge auf die Anzahl der Firmenpleiten auswirken. Eine zurückhaltende Kreditvergabe könnte 2023 mehr Unternehmen als erwartet in Schwierigkeiten bringen.   

Der Kreditversicherer Allianz Trade erwartet in Folge der jüngsten Bankenturbulenzen im laufenden Jahr mehr Firmenpleiten. Für Deutschland rechnet die Studie mit einem Anstieg um gut ein Fünftel, also 22 Prozent, zum Vorjahr auf etwa 17.800 Fälle im laufenden Jahr.

"Durch die nun noch restriktivere Kreditvergabe der Banken dürften mehr Unternehmen in Schwierigkeiten geraten als noch zu Jahresbeginn erwartet", so die Einschätzung der Expertinnen und Experten. Bislang hatte der Kreditversicherer einen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen hierzulande um 15 Prozent vorhergesagt.

Demnach hinterlassen die Probleme von Banken in den USA und der Schweiz auch Spuren in Deutschland: "Mit den deutlich steigenden Zinsen laufen eher schwach finanzierte Unternehmen Gefahr, in Schwierigkeiten zu geraten", erklärte der Vorstandschef von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Milo Bogaerts. Eine Pleitewelle sei das gleichwohl nicht, auch wenn ein zweistelliger Zuwachs zunächst den Anschein erwecke, so Bogaerts.

Gibt es eine Kreditklemme?

Hintergrund ist die Annahme, dass Banken aufgrund der Turbulenzen künftig weniger Kredite vergeben könnten, um die Risiken in ihren Bilanzen durch Kreditausfälle zu reduzieren. Eine sogenannte Kreditklemme wiederum könnte sich schwächend auf das Wirtschaftswachstum auswirken, was in der Folge zu weiteren Kreditausfällen führen könnte.

Einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung EY zufolge wollen viele Banken angesichts des Energiepreisschubs und der schwachen Konjunktur tatsächlich ihre Kreditvergabe drosseln. Zwei von drei deutschen Geldhäusern gehen von einem Rückgang der Kreditvergabe aus, nur 15 Prozent erwarten einen Anstieg, wie eine Umfrage ergab.

Der Erhebung zufolge müssen Unternehmen und Privatkunden bei Kreditanträgen außerdem mit höheren Anforderungen rechnen. Laut EY-Umfrage wollten 76 Prozent der befragten Institute voraussichtlich schärfere Anforderungen an Dokumentation und Sicherheiten stellen. Bei 64 Prozent der Geldhäuser würden für Neukunden die Kreditnebenkosten steigen. 43 Prozent der befragten Bankmanagerinnen und Bankmanager rechneten außerdem mit mehr Ablehnungen von Anträgen. 21 Prozent der Institute gingen davon aus, keine neuen Kreditlinien zu gewähren.

Aber es gibt auch andere Einschätzungen: Das Münchner Ifo-Institut kam anhand einer eigenen Umfrage jüngst zu dem Schluss, dass Unternehmen in Deutschland wieder leichter an Kredite kommen. Berichteten im Dezember noch 30 Prozent der Unternehmen von Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe, waren es im März nur noch 22,7 Prozent. "Die Turbulenzen bei einigen internationalen Banken haben keine Auswirkung auf die Kreditvergabe in Deutschland", folgerte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe.

Firmenpleiten zogen 2022 an

Amtlichen Daten zufolge war die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland im vergangenen Jahr erstmals seit der weltweiten Finanzkrise 2009 wieder angezogen. Im Jahr 2022 haben die deutschen Amtsgerichte nach endgültigen Ergebnissen 14.590 beantragte Unternehmensinsolvenzen gemeldet, berichtete das Statistische Bundesamt. Das bedeutet einen Anstieg um 4,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

2021 wurde mit 13.933 Fällen der niedrigste Wert seit Einführung der Insolvenzordnung 1999 registriert. Allerdings sei zu beachten, dass von März 2020 bis Mai 2021 die Insolvenzantragspflicht für überschuldete Unternehmen infolge der Corona-Pandemie ganz oder teilweise ausgesetzt worden war, so die Statistiker. Seit 2009 war die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Jahresvergleich stets zurückgegangen.

Inflation und Konsumzurückhaltung

"Hauptursachen für die Firmeninsolvenzen im letzten Jahr waren die hohen Energiekosten, die bestehenden Probleme in den Lieferketten und die hohe Inflation. Hinzu kam die Konsumzurückhaltung bei den Verbrauchern, die aufgrund der hohen Energiepreise und der Inflation weniger Geld zur Verfügung hatten. Die resultierenden Kaufkraftverluste belasteten die Unternehmen ebenfalls", begründete Frank Schlein, Geschäftsführer der Wirtschaftsauskunftei CRIF die Daten des vergangenen Jahres.

Nach Anzahl der betroffenen Beschäftigten war die größte Insolvenz des vergangenen Jahres die Pleite von Galeria Karstadt Kaufhof mit rund 17.000 Arbeitnehmern. Dahinter folgte die Insolvenz der MV Werften mit mehr als 2000 Beschäftigten. Bekannte Namen waren ferner die Modekette Orsay und der Schuhhändler Görtz.

"Anlass zur Vorsicht"

Trotz des prognostizierten Anstiegs werde Deutschland selbst Ende 2023 das Niveau von vor der Pandemie noch nicht erreicht haben, prognostizierte Bogaerts. "Das dürfte erst nach einer weiteren Zunahme der Insolvenzen um sechs Prozent im Jahr 2024 wieder leicht überschritten werden."

Die weltweiten Insolvenzzahlen werden nach Einschätzung von Allianz Trade im laufenden Jahr von zuletzt vergleichsweise niedrigem Niveau ebenfalls um gut ein Fünftel (21 Prozent) anziehen. Auch hier erwartet der Kreditversicherer, dass erst 2024 das Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019 wieder annähernd erreicht sein wird.

"Deutschland steht im europäischen Vergleich weiterhin gut da", erklärte Bogaerts. "Allerdings hat sich die Dynamik bei der Zunahme der Pleiten im Zuge der Normalisierung inzwischen an das weltweite Geschehen angeglichen." Grund zur Panik sei dies nicht, Anlass zur Vorsicht aber schon, meinte Bogaerts.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 11. April 2023 um 13:39 Uhr.