Wegen hoher Jugendarbeitslosigkeit Italiens Ausbildungssystem nach deutschem Vorbild

Stand: 12.11.2012 01:38 Uhr

Die Jugendarbeitslosigkeit in Italien liegt bei 34 Prozent. Und die wenigen Jobs sind oft schlecht bezahlt. Um das zu ändern, setzt die Regierung auf ein duales Ausbildungssytem nach deutschem Vorbild. Heute startet in Neapel ein deutsch-italienisches Projekt mit Arbeitsministerin von der Leyen.

Von Tilmann Kleinjung, ARD-Hörfunkstudio Rom

Italiens Arbeitsministerin Elsa Fornero setzte sich neulich richtig in die Nesseln. Was als guter Ratschlag für Italiens Jugend gemeint war, wurde von den jungen Menschen im Land als Ohrfeige empfunden: "Wenn die Jugendlichen von der Schule gehen, müssen sie Arbeit suchen. Und dabei dürfen sie nicht so wählerisch sein. Das habe ich auch immer meinen Studenten gesagt: Nimm den erstbesten Job und schau weiter."

Tilmann Kleinjung, T. Kleinjung, ARD Rom, 11.11.2012 23:02 Uhr

Jeder Dritte unter 25 ohne Job

"Nicht so wählerisch sein." So etwas sollte man nicht sagen in einem Land, in dem jeder Dritte unter 25 keine Arbeit hat. Bei den etwas Älteren sehe es nicht sehr viel besser aus, meint der 32-jährige Fabio, der voller Neid nach Deutschland blickt: "Der Unterschied zwischen Deutschland und Italien ist: Wer den Willen und auch die Qualität hat, um sich am Markt zu beweisen, hat mehr Möglichkeiten in Deutschland als in Italien." Und deshalb will Fabio lieber heute als morgen nach Deutschland auswandern.

"Genau das ist unser Problem" , sagt Fausto Durante vom italienischen Gewerkschaftsbund CGIL. "Wir müssen die besten ziehen lassen. In den vergangenen Jahren haben Tausende junger italienischer Facharbeiter, Wissenschaftler, Juristen, Ärzte ihr Glück im Ausland gesucht."

Extremes Ungleichgewicht zwischen alt und jung

Der junge italienische Experte, der bei Fiat arbeite und vielleicht einen brillanten Einfall hat, verdiene 1000 Euro im Monat. "Wenn er dagegen für Volkswagen arbeitet, bekommt er für dieselbe Arbeit 3000 Euro", fügt der Gewerkschafter hinzu. Das ist das nächste Problem des italienischen Arbeitsmarktes - das extreme Ungleichgewicht zwischen alt und jung. Während die älteren Arbeitnehmer in der Regel von festen Verträgen und etlichen Privilegien profitieren, werden die Jungen ganz regulär ausgebeutet.

Es gibt 46 verschieden Formen, um junge Menschen anzustellen, wie die Gewerkschaft herausfand: von der Ich-AG über befristete Verträge bis hin zu Praktikumsstellen. Das Ziel all dieser Verträge ist immer dasselbe: Lohnkosten zu senken. "Wer einen Arbeitsplatz hat, hat eine prekäre Arbeit mit einem befristeten Vertrag und normalerweise verdient er die Hälfte dessen, was ein Arbeitnehmer mit allen Sicherheiten verdient", sagt Durante.

Ausbildung nach deutschem Vorbild

Neidisch blickt auch die italienische Arbeitsministerin Fornero nach Deutschland und will das italienische Arbeitsrecht um eine weitere Variante bereichern: die Lehre nach deutschem Vorbild. Die Ausbildung in Betrieb und Schule. So etwas gibt es in Italien bislang noch nicht. "Die Lehre ist eine Maßnahme, die die Distanz verkürzt zwischen Ausbildung und Berufsausübung, sei es in einem Unternehmen oder einem Büro, in der Arbeitswelt allgemein."

Heute will Fornero gemeinsam mit ihrer deutschen Amtskollegin Ursula von der Leyen ein Pilotprojekt starten, mit dem das deutsche Erfolgsmodell "Lehre" nach Italien exportiert werden soll. Nicht zufällig haben sich die Ministerinnen als Ort für das Projekt den Raum Neapel ausgesucht. Denn hier - wie im gesamten Süden Italiens - liegt die Jugendarbeitslosigkeit noch einmal weit über dem landesweiten Durchschnitt, bei mehr als 50 Prozent.

Dieses Thema im Programm: Dieser Beitrag lief am 12. November 2012 um 05:21 Uhr im Deutschlandfunk.