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Habeck im tagesthemen-Interview "Ehrliche Politik ist keine Panikmache"

Stand: 11.07.2022 20:57 Uhr

Steht Deutschland wegen der Gas-Problematik vor einer Zerreißprobe? Das hatte Wirtschaftsminister Habeck gesagt und dafür aus der Union Kritik geerntet. Im tagesthemen-Interview wies er diese nun entschieden zurück.

Sollte Russland seine Gaslieferungen komplett einstellen und deswegen die Industrie in Deutschland ihre Arbeit einstellen müssen, drohe Deutschland eine Zerreißprobe - mit diesen Worten hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Wochenende für Aufsehen gesorgt. Im Interview mit den tagesthemen betonte er nun, dass dies keine Panikmache sei. Deutschland sei in einer Situation, in der man die Karten offenlegen müsse. "Das ist das Gegenteil von Panik schüren. Das ist eine ehrliche Politik und ehrliche Kommunikation."

Zuvor hatte es Kritik an Habecks Kommunikation gegeben - vor allem aus der Union. Fraktionsvize Jens Spahn sagte der Mediengruppe Bayern, es brauche einen Plan, für den Fall, dass Russland die Gaslieferungen einstelle. Die "täglichen Warnungen des Wirtschaftsministers vergrößern nur die Unsicherheit".

Und Ex-Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, die heute wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion ist, sagte, es mangele nicht an der Beschreibung der Lage, jetzt gehe es ums Handeln. "Permanente Panikmache hilft uns allen nicht weiter", so Klöckner in der "Rheinischen Post".

Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister, über alternative Wege Deutschlands Gasspeicher zu füllen

tagesthemen, tagesthemen, 11.07.2022 22:20 Uhr

Mehrere Maßnahmen zur Senkung des Verbrauchs

Habeck erklärte im tagesthemen-Interview, er habe stets betont, dass es eine Reihe von Möglichkeiten gebe, um einem möglichen Engpass entgegenzutreten. Dazu zählten etwa das Reduzieren des allgemeinen Gasverbrauchs, der Bau von LNG-Terminals oder das Hochfahren von Kohlekraftwerken, um die Gasverstromung zu reduzieren. "Wir werden auch eine Aktionsplattform auflegen, wie die Verbräuche der Industrie gegen Geld runtergebracht werden können", betonte Habeck. "Es gibt eine Menge von politisch vereinbarten Schritten, die jetzt auch erfolgen."

Die Maßnahmen zeigten auch bereits Erfolg. So sei der Gasverbrauch bislang um 14 Prozent niedriger als im Vorjahr, und "das ist das Gegenteil von dem, was Wladimir Putin beabsichtigt“. Habeck erklärte auch, dass es wichtig sei, innerhalb der EU solidarisch und hilfsbereit zu sein. Davon könne Deutschland profitieren, etwa weil andere Länder bereits LNG-Terminals für Schiffe hätten, die Deutschland erst noch bauen müsse.

Partnerschaft mit Tschechien

Am Morgen war Habeck nach Tschechien gereist, um über die Gaskrise zu beraten. Mit der Regierung in Prag wurde ein gemeinsames Erdgas-Solidaritätsabkommen verabschiedet. "Wir helfen uns gegenseitig mit der Gasversorgung und werden das auch aus Deutschland für Tschechien tun", sagte Habeck bei seinem Treffen mit dem tschechischen Industrie- und Handelsminister Jozef Sikula.

Tschechien ist fast komplett von russischen Gasimporten abhängig. Deshalb hat sich das Land Kapazitäten an einem künftigen LNG-Terminal in den Niederlanden gesichert. Weitere Themen der Gespräche waren unter anderem die Zukunft der Automobilindustrie, die Möglichkeiten für den Bau einer Batteriefabrik in der Nähe von Pilsen sowie die Prioritäten der laufenden EU-Ratspräsidentschaft Tschechiens.

Ampel stellt Hilfen in Aussicht

Vertreter der Ampel-Koalition haben zudem weitere Unterstützung der Bürger in Aussicht gestellt. "Ich bin mir sehr sicher, dass wir weitere Entlastungen bekommen werden. Diese sind auch notwendig", sagte Grünen-Parteichefin Ricarda Lang. Die energiepolitische Sprecherin der SPD, Nina Scheer, forderte einen Energiesparbonus. "Wir wollen Sparen noch einmal extra belohnen: Der Energiesparbonus wäre ein zusätzlicher Anreiz für verstärktes Sparen", sagte sie dem Portal t-online.

Auch Kanzler Olaf Scholz stellte bei einem Bürgerdialog in Lübeck weitere Hilfen in Aussicht, ohne jedoch konkret zu werden. Gleichzeitig mehnte er jedoch, dass die hohen Preise so schnell nicht wieder verschwinden würden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 11. Juli 2022 um 22:20 Uhr.