Bankenbranche im Umbruch Die neuen Stars unter den Fintechs

Stand: 02.08.2021 14:43 Uhr

Immer weniger Menschen gehen in Bankfilialen. Stattdessen machen sie ihre Finanzgeschäfte über das Smartphone. Corona könnte den Trend beschleunigen. Junge Start-ups (Fintechs) mischen die klassische Bankenwelt auf. Wer sind die Stars von morgen?

Von Notker Blechner, boerse.ARD.de

Kennen Sie Stripe, One 97, Chime, Klarna oder Revolut? Nein? Das könnte sich bald ändern. Denn diese jungen Finanzunternehmen mit den exotischen Namen sind die wertvollsten Fintechs der Welt. Unter den 500 Einhörnern der Welt, also Firmen, die mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet sind, tummeln sich inzwischen 70 Fintechs. Vor einem Jahr waren es erst 50.

Stripe wertvollster Fintech der Welt

Alleine die Nummer eins, Stripe, ist mit aktuell 36 Milliarden Dollar schon fast doppelt so viel wert wie die Deutsche Bank. Das US-Unternehmen hat eine Plattform entwickelt, über die Zahlungen angenommen und Auszahlungen gesendet werden können. Zu den Kunden des Zahlungsdienstleiters zählen Tech-Konzerne wie Amazon, Google und Spotify.

Die traditionellen Banken sehen ihr Geschäftsmodell in Gefahr. 88 Prozent glauben, dass sie Teile ihres Geschäfts in den nächsten fünf Jahren an ein Fintech verlieren werden. Gerade bei Zahlungsdienstleistungen sind die Fintechs sehr aktiv. Sie wickeln im Auftrag von Händlern Zahlungen ab - online oder auch an der Ladenkasse. Außerdem helfen sie Verbraucher beim Onlineshopping bei der Wahl zwischen verschiedenen Bezahlarten wie Rechnung, Paypal, Kreditkarte oder Lastschrift.

Klarna-Kunden können später bezahlen

Zugang zum Endverbraucher haben nur wenige Zahlungsdienstleister. Eine Ausnahme ist Klarna. Der mit 10,6 Milliarden Dollar inzwischen wertvollste Fintech Europas bietet Kunden flexible Bezahlmethoden an. Unter dem Motto "Buy Now, Pay later" können sie shoppen und später bezahlen. Klarna gibt eine eigene Kreditkarte heraus. Das Unternehmen wirbt mit Rapper Snoop Dogg und zählt inzwischen schon 90 Millionen Kunden.

Aufstieg der Smartphone-Banken

Ein besonders starkes Wachstum unter den Fintechs verzeichnen die so genannten Smartphone-Banken. Sie setzen auf Kunden, die zunehmend ihre Finanztransaktionen per Smartphone erledigen und keine Filialen brauchen. Chime, Revolut oder auch N26 locken Nutzer mit Gratis-Kunden an. Die deutsche N26 ist in 25 Ländern präsent und zählt aktuell rund fünf Millionen Kunden. Ziel ist, im nächsten Jahrzehnt die 50 Millionen-Marke zu überschreiten. „Wir stehen noch ganz am Anfang“, sagt Deutschland-Chef Georg Hauer.

Andere Fintechs drängen in den Markt der Geldüberweisungen und machen Platzhirschen wie WesternUnion Konkurrenz. So bietet Transferwise grenzüberschreitende Geldüberweisungen online mit geringen Gebühren und zu günstigen Wechselkursen an. Nach Angaben von Transferwise betrug 2019 die durchschnittliche Gebühr rund 0,7 Prozent des Geldüberweisungsbeitrags. Das profitable britische Fintech wird mit fünf Milliarden Dollar bewertet.

Zinsportale und Gratis-Plattformen locken junge Anleger an

Zu den erfolgreichsten Fintechs zählen Zinsportale, über die Anleger die Konditionen vieler Banken vergleichen und Geld leichter lukrativ anlegen können. Start-ups wie Weltsparen oder Deposit Solutions (Savedo, Zinspilot) versprechen etwas höhere Zinsen für Anleihen in europäischen Ländern als klassische Banken.

Auch den Aktienhandel revolutionieren die Fintechs. Mit Gratis-Plattformen haben Robinhood oder auch kleinere Broker wie Trade Republic, Gratis Broker oder Smart Broker einen Trading-Boom gerade bei jungen Anlegern ausgelöst.

Risiken von Kreditausfällen und Cyber-Attacken

Die Corona-Pandemie hat den Fintechs zuletzt weiter Auftrieb gegeben. Der Trend zum mobilen Bezahlen und Wertpapierhandel über das Smartphone dürften sich weiter beschleunigen. Das Volumen an digitalen Zahlungen wird Schätzungen zufolge in diesem Jahr auf ein Rekordniveau von 4,8 Billionen Dollar klettern.

Der Fintech-Boom birgt aber auch Risiken. Da Zahlungsdienstleister wie Klarna recht lockere Bedingungen stellen, drohen höhere Kreditausfälle. Das schadet der Profitabilität und könnte im schlimmsten Fall gar zur Pleite führen. Zuletzt gab es eine Auslese im Fintech-Sektor. Bei Smartphone-Banken wiederum ist die Gefahr von Cyber-Attacken und Geldwäsche hoch. Jüngst stand N26 in der Kritik, weil es mehrere Fälle gab, in denen Betrüger N26-Konten als Zwischenstation für Geldwäsche nutzten. Die Bafin monierte Mängel bei der Personalausstattung, woraufhin N26 die Zahl der Mitarbeiter im Kundenservice deutlich erhöhte.

Banken suchen Schulterschluss mit Fintechs

Trotz des wachsenden Einflusses der Fintechs und der wegbrechenden Zinseinnahmen gehen viele Banken noch relativ gelassen mit der neuen jungen Konkurrenz um. Sie setzen inzwischen eher auf Kooperationen statt auf Konfrontation. Die ING zum Beispiel ist eine Partnerschaft mit Scalable eingegangen und ist zum führenden Robo-Advisor-Anbieter aufgestiegen. Die Bank der Zukunft müsse "digitaler, schneller und mobiler" werden, betont Nick Jue, Vorstandschef der ING Deutschland gerne.

Die UBS kündigte an, 200 Millionen Dollar in Fintechs zu investieren. Und die Credit Suisse hat eine eigene Smartphone-Bank gegründet, um der Konkurrenz von Revolut, N26 & Co zu begegnen.

Jetzt kommen die "Big Techs"!

Gefährlich für die traditionellen Banken könnten eher die "Big Techs" werden. Sie schielen nämlich auf die Schnittstellen mit den Endkunden. Apple und Google setzen sich zunehmend im Alltag mit ihren Bezahllösungen Apple Pay und Google Pay durch, Amazon vermittelt Kredite, und selbst Facebook bietet inzwischen Finanzdienstleistungen an. Manche Banken befürchten, zum reinen Produktlieferanten zu werden. Auch Fintechs sehen Google, Apple, Amazon & Co als große Herausforderung. "Big Techs" verfügten über eine große Kundenanbindung und seien technologisch besser, sagte Thomas Grosse, Chief Banking Officer der Berliner Smartphonebank N26, dem "Handelsblatt". "Da müssen Banken sehr nachholen."

Die "Big Tech"-Konzerne freilich sprechen nicht von Konkurrenz. Facebook sehe sich als "Partner der Banken", betont Tino Krause, Deutschland-Chef von Facebook. Und auch Joanne Hannaford, Technologiechefin der US-Investmentbank Goldman Sachs, glaubt nicht an einen Verdrängungswettbewerb zwischen Banken und "Big Techs". "Vor fünf Jahren haben wir darüber gesprochen, dass Fintechs uns disruptieren werden. Doch das ist nicht passiert. Ich denke, dass es auch mit den Big Techs nicht passiert", sagte sie im "Handelsblatt". Man werde jedoch enge Kooperationen sehen. Tatsächlich arbeitet seit dem Sommer die Deutsche Bank mit Google zusammen - bei Cloud-Diensten. Weitere spektakuläre Deals könnten folgen.