Händler an der New Yorker Börse
marktbericht

Mäßiger Wochenauftakt Zinsängste kehren an die Wall Street zurück

Stand: 20.06.2023 22:11 Uhr

Nach der gestrigen Feiertagspause sind die großen US-Indizes holprig in die neue Woche gestartet. Vor allem Zinsängste kehrten etwas überraschend wieder massiv zurück.

An der Wall Street ging es nach der gestrigen Feiertagspause bergab. Der Leitindex Dow Jones, der zwischenzeitlich mit der Marke von 34.000 Punkten kämpfte, schloss letztlich bei 34.053 Punkten um 0,72 Prozent schwächer. In der Vorwoche hatte der US-Leitindex noch um rund 1,3 Prozent zugelegt.

Etwas besser hielt sich die Technologiebörse Nasdaq, die nur moderat um 0,16 Prozent zurückfiel. Der marktbreite S&P-500-Index ging bei 4388 Punkten aus dem Handel, ein Rückgang um 0,47 Prozent. Insgesamt tat sich der Markt schwer damit, nach der gestrigen Feiertagspause wieder in die Spur zu kommen.

"Der Fokus liegt in dieser Woche weiterhin auf den Zentralbanken und auf der Frage, ob wir dem Ende des Straffungszyklus so nahe sind, wie alle glauben", erklärte Marktanalyst Craig Erlam vom Handelshaus Oanda.

In den vergangenen Tagen hatten einige führende US-Notenbanker wegen der nur langsam zurückgehenden Inflation weitere Zinserhöhungen angedeutet. Aus diesem Grund warteten Investoren gespannt auf die halbjährliche Anhörung des US-Notenbankchefs Jerome Powell vor einem Ausschuss des Kongresses am Mittwoch.

Er werde voraussichtlich sehr vorsichtig mit Aussagen zur geldpolitischen Stimmung im Fed-Führungszirkel sein, sagte Art Hogan, Chef-Anlagestratege des Finanzdienstleisters B. Riley. "Denn bis zur nächsten Sitzung im Juli werden noch eine Menge Konjunkturdaten veröffentlicht."

Zusätzlich genährt wurden die Zinserhöhungsspekulationen vom stärksten Anstieg der US-Hausbaubeginne seit rund drei Jahrzehnten. "Die Konjunktur ist aller Rezessionswarnungen zum Trotz robuster als gedacht", sagte Sam Stovall, Chef-Anlagestratege des Research-Hauses CFRA.

Auf die Gesamtstimmung drückte außerdem die Geldpolitik der chinesischen Notenbank. Zwar senkte die People's Bank of China zur Ankurbelung der schwächelnden Wirtschaft in der Volksrepublik die Zinsen. Allerdings fiel der Schritt mit 0,1 Prozentpunkten geringer aus als erhofft.

"Investoren sehen dies als unzureichend, um die erwartete Erholung der Konjunktur zu unterstützen", sagte Richard Flax, Chef-Anleger des Vermögensverwalters Moneyfarm. Daher warfen einige Investoren US-Aktien chinesischer Firmen aus ihren Depots.

Die entsprechenden börsennotierten Fonds (ETFs) von KraneShares und iShares fielen um über fünf Prozent. Titel chinesischer Konzerne wie Alibaba oder JD.com rutschen um bis zu 7,5 Prozent ab.

Im Blickpunkt der Anleger standen die Aktien von Boeing anlässlich der am Montag begonnenen Paris Air Show. Am zweiten Tag der Luftfahrtmesse in Le Bourget meldete der US-Flugzeughersteller zwar erste Aufträge, blieb indes hiermit deutlich hinter den Bestellungen des Konkurrenten Airbus zurück. Boeing-Aktien verloren 3,4 Prozent.

Der DAX ist den zweiten Tag in Folge gefallen und entfernte sich damit weiter von seinem erst am Freitag neu markierten Rekordhoch von 16.427 Punkten. Bei einer Schwankungsbreite zwischen 16.069 und 16.184 Punkten endete der Xetra-Handel bei 16.111 Zählern, ein Tagesverlust von 0,55 Prozent.

Der Leitindex behauptete allerdings die wichtige psychologische Unterstützungsmarke von 16.000 Punkten, nachdem er sich von seinem erst am Freitag erreichten Rekordhoch bei 16.427 Punkten um über 300 Punkte entfernt hat. Der MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, verlor 1,71 Prozent auf 26.719 Punkte.

Im späten Geschäft folgte der DAX der schwächeren Tendenz an der Wall Street, die unter wieder aufgekommenen Zinssorgen leidet. Im Fokus war auch der Chemiesektor, der den Anlegern ein Wechselbad der Gefühle bescherte. Einer weiteren Gewinnwarnung von MDAX-Mitglied Lanxess standen überraschende Übernahmegerüchte für DAX-Mitglied Covestro gegenüber. Am Montag hatte bereits der Laborausrüster Sartorius aus dem DAX mit seiner Gewinnwarnung für lange Gesichter gesorgt.

Markttechnisch gesehen bleibt der DAX allerdings im Aufwärtstrend, wobei die Marken von 15.600 bis 15.700 Punkten als Unterstützung fungieren, konstatieren die Expertinnen und Experten der Helaba. Der DAX wackelt also, aber er fällt nicht.

Abseits der turbulenten Ereignisse im Chemiesektor verarbeiten die Marktteilnehmer derzeit die jüngste Konsolidierung des deutschen Leitindex nach dem Rekordhoch am vergangenen Freitag. Vor allem die Tatsache, dass die neue Bestmarke am Fälligkeitstag der Terminbörse Eurex markiert wurde, sorgt bei Beobachterinnen und Beobachtern für Zweifel an der Dauerhaftigkeit der Aufwärtsbewegung.

Waren es "nur" Short-Eindeckungen, oder kann es weiter fundamental abgesichert bergauf gehen am Aktienmarkt? Die jüngsten Schwierigkeiten im Chemiesektor bestärken derzeit eher die Bären (Verkäufer) in ihrer Meinung, dass die Gewinndynamik im Jahresverlauf nachlassen wird.

Nach den jüngsten Rekorden am deutschen Aktienmarkt sei "eine kurze Sommerpause der Normalfall", schreiben die Experten vom Börsenbrief Bernecker. Außerdem bereitet den Marktteilnehmern die schleppende Erholung der chinesischen Wirtschaft Sorge.

Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners schreibt, dass das Durchatmen am Vortag "notwendig und absolut gesund" gewesen sei. "Jetzt muss sich aber zeigen, wohin die Reise für den DAX geht. Solange die 16 vorne steht, dürfte die Stimmung auf dem Parkett gut bleiben. Bislang denken nur wenige an Gewinnmitnahmen."

Update Wirtschaft vom 20.06.2023

Klaus-Rainer Jackisch, HR, tagesschau24, 20.06.2023 09:00 Uhr

Der Ölkonzern Abu Dhabi National Oil (Adnoc) hat offenbar ein Auge auf den Kunststoffkonzern Covestro geworfen. Kreisen zufolge hat es bereits erste Gespräche mit Covestro-Vertretern in Leverkusen gegeben, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg heute berichtete. Bei dem Treffen habe der Staatskonzern sein Interesse an dem DAX-Unternehmen bekundet, hieß es unter Berufung auf informierte Personen.

Die Beratungen befänden sich noch im Anfangsstadium, hieß es in dem Bericht weiter. Auch sei nicht garantiert, dass Adnoc sich zu einer Übernahme entschließen werde. Die Beteiligten äußerten sich nicht. In der Vergangenheit hatten Analysten Covestro angesichts des stark gefallenen Aktienkurses immer mal wieder als potenziellen Übernahmekandidaten genannt. Die Covestro-Aktie sprang an und gewann fast 14 Prozent, nachdem sie zuvor mit dem Sektor abgerutscht war. Sie führte damit den DAX mit großem Abstand an.

Lanxess sorgte nach der gestrigen Gewinnwarnung von Sartorius hingegen für den nächsten heftigen Stimmungsdämpfer. Der Spezialchemiekonzern senkte nach einem schwächer als erwartet laufenden zweiten Quartal sein Jahresziel für das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda).

Lanxess hatte am Montagabend nach Börsenschluss mitgeteilt, dass im zweiten Quartal wohl nur ein bereinigtes operatives Ergebnis (Ebitda) von etwa 100 Millionen Euro zu Buche stehen dürfte statt des ursprünglich erwarteten Ergebnisses auf dem Niveau des ersten Quartals von 189 Millionen Euro.

Die Aktie verlor rund 15 Prozent, bereits am Vortag hatte das Papier vor der Gewinnwarnung schon knapp vier Prozent verloren. Es notiert damit so tief wie seit Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 nicht mehr. Auch die Papiere von Branchenkollegen wie Wacker Chemie, Evonik und BASF wurden in Mitleidenschaft gezogen.

Lanxess, von 2012 bis 2015 auch schon im DAX vertreten, ist ebenso wie Covestro ein ehemaliges Bayer-Segment. Beide Bereiche wurden abgespalten. Bei Lanxess die Spezialchemie, bei Covestro die Kunststoffe. An letzterer Sparte hat der Leverkusener Mutterkonzern lange festgehalten, ehe er sich dann 2015 doch zum Börsengang entschloss.

Der Euro hat sich am Dienstag im späten US-Devisenhandel kaum noch bewegt. Mit zuletzt 1,0914 US-Dollar hielt sich die Gemeinschaftswährung etwa auf dem Niveau des späten Währungsgeschäfts in Europa. Die Europäische Zentralbank hatte den Referenzkurs zuvor auf 1,0933 (Montag: 1,0922) US-Dollar festgesetzt

Der Handel verlief in sehr ruhigen Bahnen. Ein wenig gestützt wurde der Dollar durch robuste Daten aus der Bauwirtschaft der USA. So ist die Zahl der Baubeginne sehr stark gestiegen. Aber auch die Baugenehmigungen legten deutlich zu. Die Immobilienbranche hatte lange unter den gestiegenen Hypothekenzinsen gelitten. Seit einiger Zeit zeichnet sich hier eine Trendwende ab. Die Bauwirtschaft ist ein wichtiger Faktor für das US-Wirtschaftswachstum. Die Feinunze Gold kostete rund 0,7 Prozent weniger bei 1937 Dollar.

Positive Nachrichten kamen am Morgen vom Statistischen Bundesamt: In Deutschland hat sich der Preisauftrieb auf Herstellerebene weiter abgeschwächt. Im Mai stiegen die Produzentenpreise im Jahresvergleich um 1,0 Prozent - das ist der niedrigste Zuwachs seit Januar 2021.

Die Erzeugerpreise sind ein wichtiger Indikator für den Trend bei den Verbraucherpreisen, die wiederum den geldpolitischen Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB) maßgeblich mitbestimmen.

Für den US-Finanzinvestor Silver Lake ist der Weg zur Übernahme der Software AG frei. Der Konkurrent Bain Capital, der über die amerikanische Rocket Software ein höheres Angebot für das Darmstädter Unternehmen in Aussicht gestellt hatte und Silver Lake damit in die Parade gefahren war, gab am Montagabend seine Ambitionen auf.

Der weltgrößte Flugzeugbauer Airbus hat einen Auftrag von den Philippinen an Land gezogen. Die Fluggesellschaft Philippine Airlines bestellt neun Großraumjets in der Langversion A350-1000, wie beide Seiten heute auf der weltgrößten Luftfahrtmesse in Le Bourget bei Paris mitteilten. Tags zuvor hatte der indische Billigflieger Indigo auf einen Schlag 500 Airbus-Jets bestellt - und dem europäischen Flugzeugbauer damit die größte Flugzeugbestellung der Luftfahrtgeschichte beschert.

MTU und Safran arbeiten bei einem Triebwerk für Militärhubschrauber zusammen. Die beiden Unternehmen haben sich grundsätzlich auf die Gründung eines entsprechenden Gemeinschaftsunternehmens geeinigt. Ziel sei es, ein neues Triebwerk für das Projekt European Next Generation Rotorcraft Technologies (ENGRT) schnell und effizient zu entwickeln.

Deutsche Post DHL heißt jetzt DHL Group

Die Deutsche Post DHL Group benennt sich um. Der global aufgestellte Konzern heißt künftig DHL Group, wie das Bonner Unternehmen gestern mitteilte. Der Namensteil "Deutsche Post" fällt demnach zum 1. Juli weg. Schon jetzt stammten 90 Prozent des Konzernumsatzes aus Geschäften unter der Marke DHL, darunter das Paketgeschäft in Deutschland.

An der Pariser Börse ist die Sanofi-Aktie gefragt. Für Zuversicht sorgt die Mitteilung des französischen Pharmakonzerns, ein Schiedsgericht habe die Klage von Boehringer Ingelheim auf Entschädigung durch Sanofi bei Krebsklagen im Zusammenhang mit dem Medikament Zantac in den USA abgewiesen. Die Analysten der Credit Suisse bewerten die Nachricht als "sehr positiv".

Der Autobauer Renault hat sich für seine abzuspaltende Elektrosparte Ampere deutliche Kostensenkungen vorgenommen. So sollen die Kosten auf Fahrzeugbasis für die kommende Modellgeneration ab 2027 um 40 Prozent sinken, wie die Franzosen in Boulogne-Billancourt bei Paris mitteilten. Dazu gehört neue Batterietechnik, aber auch eine Reduktion der Teilevielfalt um 30 Prozent.

Einige der angestrebten Kostensenkungen sollen auch bereits bei den neuen Modellen Renault 5 ab 2024 und Renault 4 ab 2025 zum Tragen kommen. Ampere soll im zweiten Halbjahr aus dem Renault-Konzern herausgelöst werden und bis 2030 im jährlichen Schnitt 30 Prozent Umsatzwachstum einheimsen.

Der chinesische Amazon-Rivale Alibaba bekommt einen neuen Vorstandschef. Eddie Yongming Wu, Chef der Alibaba-Handelsplattformen Taobao und TMall, werde Daniel Zhang im Rahmen der größten Führungsumbildung des chinesischen E-Commerce-Riesen seit seiner Umstrukturierung ablösen, teilte Alibaba mit. Zhang werde die Cloud-Einheit leiten, die als Börsenaspirant gilt.

Der Post-Konkurrent Fedex hat im vierten Geschäftsquartal einen Gewinnrückgang verzeichnet. Die Ergebnisse seien durch eine schwächere Nachfrage und steigende Kosten belastet worden, teilte das Unternehmen am Abend in Memphis mit. Dies habe etwa durch Einsparungen nur teilweise ausgeglichen werden können.

Der Umsatz sank in den drei Monaten per Ende Mai von 24,4 Milliarden auf 21,9 Milliarden US-Dollar (rund 20 Milliarden Euro) und fiel damit schwächer aus, als von Analysten erwartet. Diese hatten 22,65 Milliarden Dollar auf dem Zettel. Das operative Ergebnis sank ebenfalls. Das um Sondereinflüsse bereinigte Ergebnis je Aktie fiel von 6,87 Dollar auf 4,94 Dollar. Auch das gesamte Geschäftsjahr 2022/23 fiel schwächer aus, Umsatz, operatives Ergebnis und bereinigter Gewinn gingen zurück.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 20. Juni 2023 um 09:00 Uhr.