Händler an der New Yorker Börse
Marktbericht

DAX verliert zwei Prozent Börsen-Party jäh unterbrochen

Stand: 17.08.2022 22:15 Uhr

Erschreckt von der hohen britischen Inflation standen die europäischen Märkte stark unter Druck. Die Investoren an der Wall Street interpretierten die Lage etwas gelassener.

War der heutige Schwächeanfall an der Börse der Beginn eines größeren Kursrückgangs oder nur eine vorübergehende Korrektur? Geht es nach den Investoren an der Wall Street, trifft letzteres zu. Die Amerikaner, die verunsichert in den Handel gestartet waren, ließen den Dow Jones zeitweise sogar ins Plus steigen. Zum Handelsende lag der US-Leitindex mit moderaten 0,5 Prozent im Minus.

Die Technologiewerte des Nasdaq 100 büßten dagegen deutlichere 1,2 Prozent ein. Für die zwischenzeitliche Kurserholung war das am Abend veröffentlichte Protokoll der vergangenen Sitzung der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) verantwortlich. Eine Aussage gefiel den Investoren besonders: "Die Teilnehmer waren der Ansicht, dass es bei einer weiteren Straffung der Geldpolitik wahrscheinlich zu einem gewissen Zeitpunkt angemessen sein wird, das Tempo der Leitzinserhöhungen zu verlangsamen", heißt es in dem Protokoll. Dann müsse man die Auswirkung der Zinsschritte auf die Wirtschaftstätigkeit bewerten.

Die Aktienmärkte können also darauf hoffen, dass das hohe Tempo der Zinserhöhungen wohl auf absehbare Zeit abnimmt. Die US-Notenbank hatte ihren Leitzins auf der Sitzung Ende Juli um 0,75 Prozentpunkte auf 2,25 bis 2,50 Prozent angehoben. In gut einem Monat tagen die Geldpolitiker wieder, und die Marktteilnehmer erwarten derzeit mehrheitlich einen Zinsschritt von einem halben Prozentpunkt.

Die US-Einzelhandelsumsätze für den Juli konnten den Markt dagegen nicht stützen. Sie stagnierten gegenüber dem Juni und lagen damit unter der Prognose eines minimalen Anstiegs von 0,1 Prozent.

Zuvor waren die europäischen Börsen in die Knie gegangen. Auslöser waren die am Morgen veröffentlichten Inflationsdaten aus Großbritannien. Die bereits hohe Teuerung hat sich auf der Insel weiter beschleunigt. Im Juli stiegen die britischen Verbraucherpreise um 10,1 Prozent. Das ist die höchste Rate seit 1982. Analysten hatten im Schnitt nur mit einem Anstieg von 9,4 auf 9,8 Prozent gerechnet.

Der deutsche Leitindex DAX war daraufhin schon seit Handelsbeginn kontinuierlich auf dem Rückzug und beendete den Handel 2,04 Prozent tiefer.

Dazu kamen schwache Wachstumsdaten aus der Eurozone. Im zweiten Quartal erholte sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der 19 Euroländer zum Vorquartal nur um 0,6 Prozent. In seiner ersten Schätzung hatte das Statistikamt Eurostat noch ein Wachstum von 0,7 Prozent ermittelt. Im ersten Quartal hatte das Wachstum bei 0,5 Prozent gelegen. Im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum wuchs die Eurozone um 3,9 Prozent. Hier waren zunächst vier Prozent ermittelt worden.

Update Wirtschaft vom 17.08.2022

Klaus-Rainer Jackisch, HR, tagesschau24

Auch am Devisenmarkt wurde das Fed-Protokoll als Hinweis auf einen weniger steilen Zinspfad in den USA interpretiert. Der Euro erholte sich daraufhin am Abend zeitweise bis auf 1,02 US-Dollar.

Nach dem gestrigen Preisrutsch stabilisierten sich die Ölpreise. Ein Barrel der Nordseesorte Brent kostete am Abend 93,30 Dollar. Die US-Lagerbestände an Rohöl sind in der vergangenen Woche überraschend und deutlich gefallen. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass die Ölexporte der USA auf einen Rekordwert von 5,0 Millionen Barrel pro Tag gestiegen sind. In der Vorwoche hatte der Wert noch bei 2,1 Millionen Barrel gelegen. Die Europäer ersetzen zunehmend russisches Rohöl durch US-Öl. Am Ölmarkt hatte zuletzt die Aussicht auf eine Rückkehr iranischen Öls an den Weltmarkt zu einem Preisrückgang geführt.

Die Uniper-Aktie verbuchte ein deutliches Minus von 12,1 Prozent. Deutschlands größter Gasimporteur hat im ersten Halbjahr einen Verlust von mehr als zwölf Milliarden Euro erlitten. Davon stehen 6,5 Milliarden Euro im Zusammenhang mit Unterbrechungen von Gaslieferungen aus Russland. Außerdem sind in der Summe bereits bekannte 2,7 Milliarden Euro an Abschreibungen enthalten - unter anderem für die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2. Seit der Reduzierung der russischen Gasliefermengen Mitte Juni schreibt der MDAX-Konzern nach eigenen Angaben täglich im Schnitt über 60 Millionen Euro Verlust. Diese Verluste sollen ab 1. Oktober zum größten Teil durch die Gasumlage aufgefangen werden. "Die Verluste werden ab dem vierten Quartal deutlich geringer ausfallen", sagte Finanzchefin Tiina Tuomela heute. Uniper betrachte die Jahre 2022 und 2023 als Übergangsjahre.

Die Aktien der börsennotierten Lieferdienste standen heute besonders unter Druck. Im DAX verloren der Kochboxenversender HelloFresh und der Modehändler Zalando jeweils über sieben Prozent. Delivery Hero büßten im MDAX nach ihrem hohen Vortagesplus 2,35 Prozent ein. Kritische Bericht zur Branche dämpften die Stimmung.

Der größte US-Autobauer General Motors (GM) muss aufgrund möglicher Defekte an den Sicherheitsgurten zahlreiche SUV reparieren. Betroffen sind laut Angaben der US-Verkehrsbehörde 484.155 große Stadtgeländewagen der Modelle Cadillac Escalade, Chevrolet Suburban und Tahoe sowie GMC Yukon der Baujahre 2021 und 2022. Bei den Wagen könnte es Mängel bei der Anbringung der Sicherheitsgurte in der dritten Sitzreihe geben, die möglicherweise den Austausch von Bauteilen erfordern, teilte GM der Verkehrssicherheitsaufsicht mit.

Im europäischen Handel schnellten die Umsätze mit der Aktie von Manchester United gleich am Morgen nach oben. Der exzentrische Tech-Milliardär Elon Musk hatte die Sportwelt über Nacht mit einem Tweet in Aufruhr versetzt. "Außerdem kaufe ich Manchester United. Gern geschehen", schrieb der 51-Jährige am Dienstagabend in dem sozialen Netzwerk, in dem er mehr als 103 Millionen Follower hat. Vier Stunden später ruderte er zurück: "Das ist ein langjähriger Scherz auf Twitter. Ich kaufe keine Sportteams", twitterte der Tesla-Chef. "Standup ist meine Nebenbeschäftigung."

Aber auch eine Meldung der britischen "Times" sorgte für Bewegung bei der Aktie. Ein Sprecher des britischen Milliardärs Jim Ratcliffe bestätigte dessen potenzielles Interesse, bei dem kriselnden Premier-League-Club einzusteigen. Zuvor hatte "Bloomberg" berichtet, Uniteds Inhaberfamilie Glazer wolle einen kleinen Anteil am Verein verkaufen.

Cineworld leidet unter dem Ausbleiben von Blockbustern. Der Mangel an Filmhits setze den Einnahmen zu, teilte der weltweit zweitgrößte Kinobetreiber mit. Diese Situation dürfte die Bemühungen erschweren, den Schuldenberg beim britischen Unternehmen abzubauen, der Ende 2012 bei fast neun Milliarden Dollar lag. Die Aktie brach um über 50 Prozent ein. Cineworld kommt in zehn Ländern - darunter die USA, Großbritannien und Deutschland - auf mehr als 9000 Leinwände.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 17. August 2022 um 09:00 Uhr.