Händlerin an der New Yorker Börse
Marktbericht

Netflix bremst Dow Jones setzt Aufwärtstrend fort

Stand: 20.04.2022 22:28 Uhr

Dank der Hoffnung auf weiter starke Quartalszahlen von US-Firmen hat die Wall Street heute erneut Kursgewinne verbucht. Das gab auch dem DAX Rückenwind. Ein Kursrutsch bei Netflix trübte allerdings die Stimmung.

Die Wall Street hat ihren Aufwärtstrend heute zumindest teilweise fortgesetzt und damit auch den DAX nach oben gezogen. Zwar ging dem Dow Jones im späten US-Handel ein wenig die Puste aus, dennoch legte er um weitere 0,71 Prozent auf 35.161 Punkte zu. Der Leitindex rückt damit in die Nähe seines Zwischenhochs von Ende März. Darüber wäre es der höchste Stand seit mehr als zwei Monaten.

"Anleger nutzen die durch die Bilanzsaison eröffnete Gelegenheit, ihr Engagement in bestimmten Sektoren zu erhöhen", sagte Analyst Pierre Veyret vom Brokerhaus ActivTrades. Gestern war der Dow Jones aufgrund von positiv aufgenommenen Unternehmenszahlen um starke 1,45 Prozent gestiegen und mit 34.911 Zählern aus dem Handel gegangen. Der Sprung über den Bereich von 34.800 Punkten, der möglicherweise als technische Stütze diene, sei ein Zeichen der Stärke, schrieben die Charttechnik-Experten von Index Radar.

Ein Bremsklotz war Börsianern zufolge die Aussicht auf eine Serie von Zinserhöhungen durch die US-Notenbank. Dies trieb die Renditen der US-Staatsanleihen. In diesem Zusammenhang arbeitete sich diejenige der inflationsgeschützen zehnjährigen Bonds erstmals seit zwei Jahren ins Plus vor. "Die Real-Renditen müssen aber deutlich positiver werden, bevor der Aktienmarkt weniger attraktiv wird", sagte Anlagestratege Michael Hewson vom Brokerhaus CMC Markets. Die größere Frage sei, ob die Inflation ihren Höhepunkt erreicht hat.

Für wenig Bewegung sorgte das heute veröffentlichte "Beige Book" der US-Notenbank Fed. Demnach wuchs die Wirtschaft der USA zuletzt aufgrund des anziehenden Konsums mit moderatem Tempo. Hoher Inflationsdruck, Probleme in den Lieferketten, die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt sowie die erhöhten Produktionskosten stellten die Unternehmen allerdings weiterhin vor Herausforderungen.

Nach den positiven Daten vom US-Häusermarkt am Vortag fielen darüber hinaus die Zahlen vom Immobilienmarkt besser aus als erwartet. Die Hausverkäufe sanken im März zwar um 2,7 Prozent. Analysten hatten jedoch mit einem Rückgang um 4,1 Prozent gerechnet. "Der Immobilienmarkt beginnt, die Auswirkungen der stark steigenden Hypothekenzinsen und der höheren Inflation zu spüren, die sich auf die Kaufkraft auswirken", sagte Lawrence Yun, Chefökonom der Maklervereinigung National Association of Realtors (NAR). Dennoch würden Häuser schnell verkauft und die Hauspreise stiegen deutlich.

Getrübt wurde die Stimmung an der Wall Street von Netflix. Nach einem historischen Kundenschwund erlitten die Aktien des Streamingriesen herbe Verluste. Die Papiere verloren mehr als 35 Prozent an Wert. Experten stellen bereits die Frage nach dem Ende des Streaming-Booms - und korrigierten ihre Kursziele drastisch.

Im marktbreiten S&P 500 und vor allem im technologielastigen Nasdaq 100, wo die Netflix-Papiere notieren, fiel die Entwicklung verglichen mit dem Dow Jones daher verhaltener aus. Der S&P 500 rückte um lediglich 0,29 Prozent vor, der Nasdaq 100 gab nach seinem sehr starken Vortag gar um 1,49 Prozent nach.

Netflix hatte gestern Abend nach Börsenschluss einen Rückgang der Nutzerzahlen um 200.000 in den ersten drei Monaten 2022 verkündet - den ersten Quartalsrückgang seit mehr als zehn Jahren. "Verbraucher spüren schmerzhaft die Inflation und alle versuchen, unnötige Ausgaben zu reduzieren", sagt Naeem Aslam, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses AvaTrade. Im Sog von Netflix rutschten Rivalen wie Walt Disney, Warner Bros Discovery und Paramount Global um bis zu sechs Prozent ab.

Nach einem verhaltenen Start in die neue Handelswoche hat der deutsche Aktienmarkt heute dank der Unterstützung durch die Wall Street deutliche Kursgewinne erzielt. Der DAX legte 1,47 Prozent zu und schloss über 14.300 Punkten. Damit verschaffte sich der Leitindex mehr Abstand zur wichtigen Schwelle von 14.000 Zählern und ließ den Ende März begonnenen leichten Abwärtstrend hinter sich.

Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine sei an den Finanzmärkten zuletzt viel Negatives bereits eingepreist worden, kommentierte der Comdirect-Marktbeobachter Andreas Lipkow. Neben dem Krieg bleiben die Inflations- und Zinsperspektiven und die Corona-Lage in China zentrale Themen.

Eine überraschende Wende an der Frankfurter Börse nahmen im Tagesverlauf die Kurse der Essenszulieferer. Nachdem die Lieferando-Mutter Just Eat Takeaway die Prognose für das Bruttowarenvolumen kassiert hatte, verloren auch die Branchentitel Delivery Hero und Hellofresh zunächst. Im Verlauf schoss Delivery Hero allerdings mit 6,2 Prozent an die DAX-Spitze und schloss letztlich mit 2,6 Prozent im Plus. Hellofresh gewannen zeitweise 1,2 Prozent - nach satten Verlusten am Morgen. Am Ende verzeichneten die Papiere ein kleines Minus. Analysten lobten bei Just Eat Takeaways die Prognose für die Profitabilität.

Dorothee Holz, HR, mit Informationen zur Börse

tagesschau 17:00 Uhr

Kursgewinne im DAX verzeichneten zudem Werte aus der Chipbranche. Die Aktien des Halbleiterunternehmens Infineon kletterten um 2,3 Prozent. Im MDAX legten die Titel des Zulieferers Siltronic um 4,4 Prozent zu. Dabei halten gute Nachrichten aus der Branche. So übertraf der niederländische Chipausrüster AMSL mit seinen Umsatz- und Gewinnzahlen zum Jahresauftakt die Erwartungen. Angesichts der anhaltenden weltweiten Halbleiterknappheit meldete ASML weiter starke Aufträge.

Die chinesische Konjunktur lahmt trotz der Lockdowns der vergangenen Wochen und Lieferenpässen in vielen Branchen nicht so stark, wie viele Experten erwartet hatten. Trotz deutlicher Hinweise auf eine Konjunkturabkühlung durch die Corona-Welle und den Ukraine-Krieg hat die chinesische Zentralbank ihre Leitzinsen überraschend nicht gesenkt.

Update Wirtschaft vom 20.04.2022

Klaus-Rainer Jackisch, HR, tagesschau24

Dagegen wird der Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB) angesichts stark steigender Preise größer, bald an der Zinsschraube zu drehen. Der Preisauftrieb bei den Produzenten in Deutschland hat sich im März weiter beschleunigt. Die Erzeugerpreise stiegen gegenüber dem Vorjahresmonat um 30,9 Prozent, teilte das Statistische Bundesamt mit. Das ist ein Rekord seit Beginn der Erhebung im Jahr 1949. Hauptverantwortlich für den Preisschub sei weiter die Entwicklung bei Energie. Diese war im März 84 Prozent teurer als ein Jahr zuvor. Die Daten spiegeln laut dem Bundesamt bereits erste Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine wider.

Die hohe Inflation in Deutschland und der Euro-Zone mache baldige Zinserhöhungen der EZB erforderlich, sagte Bundesbankchef Joachim Nagel in Washington. Er sei aber gegen hastige Zinsschritte. Anfang des dritten Quartals - also im Juli - sei mit einer ersten Anhebung zu rechnen. Dann seien die Anleihenkäufe vermutlich abgeschlossen.

Zuletzt hatte der Inflationsdruck und die Aussicht auf steigende Zinsen die Anleihemärkte stark unter Druck gesetzt. Heute konnten sich die Kurse deutscher Bundesanleihen von ihren Vortagesverlusten erholen. Der richtungweisende Terminkontrakt Euro-Bund-Future notierte am Abend 0,70 Prozent höher.

Die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen fiel auf 0,86 Prozent und entfernte sich damit wieder von ihrem am Vortag bei 0,95 Prozent erreichten höchsten Stand seit sieben Jahren. Händler sprachen von einer Gegenbewegung nach den deutlichen Kursverlusten seit Monatsbeginn.

Am Devisenmarkt legte der Euro zu und kostete im New Yorker Handel nach der Veröffentlichung des US-Konjunkturberichts 1,0842 US-Dollar. Die EZB hatte den Referenzkurs zuvor auf 1,0830 Dollar festgesetzt. Die Ölpreise sind heute nach ihren deutlichen Vortagesverlusten etwas gestiegen. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete zuletzt 107,66 US-Dollar. Das waren 42 Cent mehr als am Dienstag. Der Preis für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg um 65 Cent auf 103,21 Dollar.

Gestern hatten die Ölpreise unter globalen Konjunktursorgen gelitten. Die leichte Erholung zur Wochenmitte begründeten Händler mit der Aussicht darauf, dass die Rohöl-Nachfrage in dem wichtigen Verbrauchsland China wieder anzieht. Marktbeobachter verwiesen zudem auf die jüngste Entwicklung der Ölreserven in den USA. Die Lagerbestände sind dort in der vergangenen Woche deutlich gefallen.

Trotz globaler Lieferketten-Probleme und pandemiebedingter Produktionsstörungen in China hat der US-Elektroautobauer Tesla zu Jahresbeginn erneut Rekorde bei Gewinn und Erlösen erreicht. In den drei Monaten bis Ende März legte der Umsatz im Jahresvergleich um 81 Prozent auf 18,8 Milliarden Dollar (17,3 Mrd Euro) zu, wie der Konzern von Unternehmer Elon Musk nach US-Börsenschluss mitteilte. Tesla verdiente unter dem Strich 3,3 Milliarden Dollar - das waren 658 Prozent mehr als vor einem Jahr.

Die Ergebnisse fielen deutlich besser aus als an der Wall Street erwartet. Die Aktie stieg nachbörslich zunächst um rund vier Prozent. Obwohl die Autoindustrie weltweit unter hartnäckigen Versorgungsmängeln etwa bei Computer-Chips leidet, brachte Tesla im ersten Quartal 310 048 E-Autos an die Kundschaft und steigerte seine Auslieferungen damit im Jahresvergleich um 68 Prozent. Im März hatte der Konzern nahe Berlin sein erstes Autowerk in Europa eröffnet. Die Produktion dort muss allerdings erst richtig hochgefahren werden.

Die hohe Nachfrage nach Reinigungs- und Körperpflegeprodukten hat den Vorstand des US-Konsumgüterkonzerns Procter & Gamble bei seiner Umsatzentwicklung optimistischer gestimmt. Gleichzeitig warnte er jedoch vor höheren Rohstoff- und Frachtkosten, die den Gewinn schmälern würden. Der Konsumgüterriese mit Marken wie Ariel, Oral-B oder Pampers rechnet nun im Gesamtjahr mit einem Umsatzplus von vier bis fünf Prozent statt wie bislang mit drei bis vier Prozent. Der Kerngewinn je Aktie wird derweil am unteren Ende der Prognosespanne von drei bis sechs Prozent erwartet.

BMW bringt im November seine neue Luxuslimousine auf den Markt - erstmals auch in einer vollelektrischen Variante als i7. "In China wird der vollelektrische i7 eine sehr wichtige Rolle spielen", sagte Vertriebsvorstand Pieter Nota bei der Premiere der Fahrzeuge in München. Auch an der West- und Ostküste der USA und in Teilen Europa erwarte er einen hohen Anteil der E-Variante an den Verkäufen. Das Topmodell hat bis zu 625 Kilometer Reichweite.

Der Einstiegspreis für den i7 liegt bei 135.900 Euro, mit Dieselmotor ist das Auto ab 107.300 Euro zu haben. "Die Renditeerwartungen für den 7er sind sehr gut", sagte Nota. Gebaut werden die Fahrzeuge ausschließlich im niederbayerischen Werk Dingolfing. Zum erwarteten Absatzanteil der Antriebsvarianten - Benziner, Diesel, Plug-in-Hybrid und batterieelektrisch - wollte Nota keine Prognose geben.

Papiere des Chemiekonzerns haben heute deutlich zugelegt. Lanxess ist überraschend gut ins neue Jahr gestartet. Im ersten Quartal dürfte der Umsatz im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum um fast die Hälfte auf gut 2,4 Milliarden Euro gestiegen sein, so das Unternehmen. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) vor Sondereinflüssen legte um knapp ein Drittel auf 320 Millionen Euro zu. Der Umsatz werde voraussichtlich bei 2,432 Milliarden Euro und damit um 8,5 Prozent über der durchschnittlichen Markterwartung liegen.

Der Energietechnikkonzern Siemens Energy hat auch im abgelaufenen Quartal unter seiner spanischen Windkrafttochter Gamesa gelitten und stellt nun seine Jahresziele erneut auf den Prüfstand. Im dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahres sank der Umsatz bei Siemens Energy um 1,7 Prozent auf 6,58 Milliarden Euro, wie das Unternehmen mitteilte. Das angepasste operative Ergebnis (Ebit) vor Sondereffekten lag bei minus 21 Millionen Euro. Die entsprechende Marge rutschte von plus 4,4 auf minus 0,3 Prozent. Der Auftragseingang schrumpfte um 27,5 Prozent auf knapp acht Milliarden Euro. Die Aktien von Siemens Energy und Gamesa erlebten daraufhin eine Achterbahnfahrt. Anfängliche deutliche Verluste machten die Aktien von Siemens Energy teilweise wett und verloren am Ende nur noch 1,6 Prozent.

Nach besser als erwartet ausgefallenen Quartalszahlen haben die Aktien von IBM mit hohem Kurszuwachs den ersten Platz im US-Leitindex Dow Jones erobert. Sie stiegen am Ende um 7,1 Prozent. Mehr als 139 Dollar hatten sie letztmalig Anfang des Jahres gekostet. Der Computer-Konzern profitierte von Zuwächsen im Geschäft mit Software und Beratung.

Die Papiere des französischen Nahrungsmittelkonzerns legten zeitweise um bis zu acht Prozent zu. Danone hat im ersten Quartal ein deutliches Umsatzplus verzeichnet und hält trotz der wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs an seiner Jahresprognose fest. Die Erlöse des Joghurt-Produzenten legten im ersten Quartal um 7,1 Prozent auf 6,2 Milliarden Euro und damit stärker als von Analysten erwartet zu. Danone konnte im Quartal höhere Preise durchsetzen. Für 2022 erwartet der französische Konzern nun weiter eine operative Marge von mehr als zwölf Prozent.

Die Schweizer Großbank hat nach dem Milliardenverlust 2021 auch 2022 mit roten Zahlen begonnen. Neue Rückstellungen für alte Rechtsstreitigkeiten, der Krieg in der Ukraine und die Wertminderung einer Beteiligung dürften im ersten Quartal zu einem Verlust führen, so Credit Suisse am Morgen. Die größte Belastung kommt von Rechtsstreitigkeiten, die mehr als ein Jahrzehnt zurückliegen. Dafür stockt die Bank ihre Rückstellungen um etwa 600 Millionen Schweizer Franken auf. Insgesamt dürften sich die Rückstellungen für Rechtsfälle im ersten Quartal auf rund 700 Millionen Franken belaufen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 20. April 2022 um 09:05 Uhr.