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Zögerliche Anleger Wall Street schaltet einen Gang zurück

Stand: 05.06.2023 22:29 Uhr

Zum Wochenstart tendierte die Wall Street uneinheitlich und bleibt weiter im Bann der Zinspolitik. Neben neuen Wirtschaftsdaten zog vor allem Apple das Interesse der Anleger auf sich.

Die US-Börsen haben zum Beginn der neuen Woche keine klare Richtung gefunden und letztlich uneinheitlich geschlossen. Dabei waren die Schwankungen nach den deutlichen Kursgewinnen vom Freitag überschaubar. Insgesamt agierten die Anleger vorsichtig.

Die besonders zinssensitive Technologiebörse Nasdaq hielt sich dabei besser und ging bei 13.329 Punkten um 0,1 Prozent leicht tiefer aus dem Handel. Der Auswahlindex Nasdaq 100 gewann leicht um 0,1 Prozent. Der Dow Jones, der Leitindex der Standardwerte, verlor hingegen 0,59 Prozent, der marktbreite S&P-500-Index gab 0,2 Prozent nach. Insgesamt gönnten sich die Anleger in New York damit einen eher ruhigeren Wochenstart nach dem hektischen Wochenausklang.

Wegen des Zinsentscheids der US-Notenbank Fed am 14. Juni beäugen die Anleger die wirtschaftliche Entwicklung noch genauer als sonst. Die heutigen Daten hatten für die Geldpolitik allerdings nicht einen so großen Stellenwert wie der am vergangenen Freitag veröffentlichte Arbeitsmarktbericht. Sie fielen allerdings schwächer aus als erwartet, was Zinsängste dämpfte.

"Eine Drei vor dem Komma bei der Inflation würde der Fed das Argument liefern, von einer weiteren Zinserhöhung abzusehen", sagte Thomas Hayes, Manager beim Vermögensverwalter Great Hill. Wenn dieser Trend anhalte, könnte der Schlüsselsatz bis zum Jahresende unverändert bleiben. Die US-Inflationszahlen für Mai werden am 13. Juni, einen Tag vor der Fed-Sitzung veröffentlicht. Analysten erwarten einen leichten Rückgang auf 0,3 Prozent im Monatsvergleich.

Die heutigen Konjunkturdaten deuteten derweil auf eine Abschwächung der Wirtschaft hin. So hat sich das Wachstumstempo der US-Dienstleister im Mai deutlich abgeschwächt. Der Einkaufsmanagerindex für den Sektor fiel auf 50,3 Punkte von 51,9 Zählern im April, wie aus der heute veröffentlichten ISM-Umfrage hervorgeht. Experten hatten einen Anstieg auf 52,2 Punkte erwartet. Der Indikator liegt damit nur noch knapp über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten.

"Die Stimmung bei den Unternehmen abseits der Industrie ist gesunken und kann sich nur noch knapp oberhalb der Expansionsschwelle halten", so Helaba-Experte Ralf Umlauf. Somit zeige sich der Sektor weiterhin zwar in besserer Verfassung als die Industrie, die ihre Talfahrt beschleunigt habe. "Die gesamtwirtschaftlichen Perspektiven bleiben jedoch getrübt."

Die Auftragseingänge der US-Industrie sind ebenfalls weniger als erwartet gestiegen. Im April habe es 0,4 Prozent mehr Bestellungen gegeben als im Monat zuvor, teilte das US-Handelsministerium am Nachmittag in Washington mit. Analysten hatten im Schnitt einen deutlicheren Anstieg um 0,8 Prozent erwartet.

Die Aufträge für langlebige Güter stiegen im April laut einer zweiten Schätzung zum Vormonat um 1,1 Prozent. Hier wurde eine erste Erhebung wie von Analysten erwartet bestätigt. Ohne Transportgüter fielen die Bestellungen um 0,3 Prozent. Bei langlebigen Gütern handelt es sich auch um industriell gefertigte Waren, die aber längerfristig genutzt werden.

Unter den Einzelwerten stand die Apple-Aktie im Fokus. Apple-Aktionäre freuten sich zunächst über eine Fortsetzung der jüngsten Kursrally und ein neues Rekordhoch bei 184,95 Dollar. Dies in Vorfreude auf eine fünftägige Entwicklerkonferenz, die an diesem Montag begann. Als es sich bestätigte, dass der Technologiekonzern eine Computer-Brille vorstellt, kam es aber zu Gewinnmitnahmen.

Der alte Rekord stammte mit 182,94 US-Dollar aus dem Januar 2022. Zu Jahresbeginn waren die Titel nahe 124 Dollar noch so günstig wie im Sommer 2021, doch seitdem haben sie nun fast die Hälfte an Wert gewonnen. Die Aktie verlor am Ende 0,76 Prozent auf 179,58 Dollar. Die Anfangshausse bescherte allerdings der Nasdaq und dem S&P-500-Index neue Jahreshochs.

Apple wagt mit seiner ersten Computer-Brille den Eintritt in eine neue Produktkategorie mit ungewissen Erfolgsaussichten. Der iPhone-Konzern stellte am Montag das Gerät mit dem Namen Vision Pro vor, das äußerlich an eine Hightech-Skibrille erinnert. Der Preis ist stattlich, soll das neue Gerät doch 3499 US-Dollar kosten. Laut dem Bank-of-America-Experten Wamsi Mohan lag die Konsenserwartung bei etwas milderen 3000 Dollar.

Apple stellte eine Brille vor, mit der es den Bereich der sogenannten "Mixed Reality" neu definieren will. Über das Gerät sollen virtuelle Einblendungen in die echte Welt möglich sein (Augmented Reality, AR). Gleichzeitig soll man aber auch komplett in virtuelle Welten eintauchen können (Virtual Reality, VR). Die Mischung von AR und VR nennt man "Mixed Reality" (XR).

Die neue Datenbrille soll sich in große Produktinnovationen einreihen, die Apple vom kleinen Computerpionier der 70er Jahre zu einem der wertvollsten Konzerne der Welt gemacht haben, der mittlerweile mit fast drei Billionen US-Dollar an der Börse bewertet wird: Macintosh Computer (1984), iMac (1999), iPod (2001), iPhone (2007), iPad (2010) und zuletzt die Apple Watch (2014). Die Fans von Apple warteten also seit fast zehn Jahren auf das sprichwörtliche "One More Thing", das nächste große Ding.

Ermutigende Absatzzahlen aus China trieben die Tesla-Aktie. Die Papiere des Elektroauto-Bauers gewannen an der Wall Street bis zu 3,4 Prozent. Das Unternehmen steigerte die Auslieferung in der Volksrepublik produzierter Fahrzeuge dem dortigen Branchenverband zufolge im Mai um 2,4 Prozent auf 77.695 Einheiten.

Enttäuschende US-Konjunkturdaten haben dem Höhenflug des deutschen Leitindex ein vorläufiges Ende bereitet. Die Anleger drückten nach den schwach ausgefallenen US-Konjunkturdaten von heute auf den Verkaufsknopf, zudem nahmen sie nach einem starken Freitag Gewinne mit. Der Schlusskurs lag letztlich bei 15.963 Punkten, ein Tagesverlust von 0,54 Prozent.

Der DAX pendelte heute zwischen 15.928 und 16.114 Punkten. Er gab damit die erst am Freitag wieder zurückgewonnene Marke von 16.000 Punkten wieder auf. Zuvor hatte der Markt im Sog der Wall Street von einer Einigung im US-Kongress bei der US-Schuldengrenze profitiert.

Zu den größten DAX-Gewinnern gehörte die die T-Aktie, die am Freitag um über neun Prozent nachgegeben hatte und damit den stärksten Tagesverlust seit Jahren hatte hinnehmen müssen. Hintergrund des Ausverkaufs waren Insiderberichte, nach denen der Handelsriese Amazon in den US-Mobilfunkmarkt einsteigen will. Die Telekom ist dort über die wachstumsstarke Tochter T-Mobile US prominent vertreten. Das Papier gewann heute rund 1,6 Prozent.

Derzeit hoffen die Anleger weiter auf eine Zinspause, was den Markt weiter auf hohem Niveau hält. Denn zuletzt waren die Inflationsraten rückläufig, auch wenn sie noch nicht im Rahmen der Vorstellungen der EZB liegen.

Das zeigen die heute veröffentlichten Erzeugerpreise, die in Europa im April überraschend langsam gestiegen sind und damit ein Abebben der hohen Inflation signalisieren. Die Hersteller in der Industrie erhöhten ihre Preise im April nur noch um 1,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistikamt Eurostat mitteilte. Somit könnte der Spielraum der EZB wachsen.

"Die Zinspolitik rückt wieder in den Mittelpunkt des Interesses. Und die Aussicht auf eine Zinspause lässt die Herzen der Marktteilnehmer höher schlagen", schreibt Christian Henke, Marktbeobachter bei IG Markets.

Die volle Wirkung der Zinserhöhungsserie der Europäischen Zentralbank beginnt sich laut EZB-Präsidentin Christine Lagarde zu entfalten. Die jüngste Analyse des EZB-Stabs deute darauf hin, dass sich die Auswirkungen der geldpolitischen Straffung auf die Wirtschaft und die Inflation in den kommenden Jahren verstärken dürften, sagte die Französin am Nachmittag vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments.

Laut Lagarde müssen die Zinsen trotz des nachlassenden Preisdrucks im Euroraum weiter steigen: "Unsere künftigen Entscheidungen werden sicherstellen, dass die Leitzinsen auf ein ausreichend restriktives Niveau angehoben werden, um eine rechtzeitige Rückkehr der Inflation zu unserem mittelfristigen Ziel von zwei Prozent zu erreichen."

Im Mai war die Inflationsrate auf 6,1 Prozent gesunken. Zuletzt hatte die EZB den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 3,75 Prozent angehoben. Ein solcher Schritt wird auch für die nächste Sitzung am 15. Juni erwartet, es wäre dann die achte Zinserhöhung seit Juli 2022 in Folge.

Update Wirtschaft vom 05.06.2023

Anne-Catherine Beck, HR, tagesschau24

Nach den US-Konjunkturzahlen legte der Euro bis auf sein Tageshoch bei 1,0722 Dollar zu, nachdem er zuvor unter der Marke von 1,07 Dollar gehandelt wurde. Zuletzt wurde die Gemeinschaftswährung im US-Handel mit 1,0711 Dollar gehandelt.

Konjunkturdaten aus dem Euroraum fielen zum Wochenstart ebenfalls enttäuschend aus. So trübte sich die Unternehmensstimmung im Mai deutlicher ein als zunächst ermittelt, wie das Institut S&P Global mitteilte. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0690 (Freitag: 1,0763) Dollar fest

Derweil ging die Talfahrt der türkischen Lira weiter. Sie erreichte im Vergleich zum Dollar und Euro weitere historische Tiefststände. Daran änderte auch die Meldung nichts, dass sich in der Türkei die hohe Inflation im Mai weiter abschwächte. Ein entscheidender Grund für die immer noch hohe Inflation ist die schwache Landeswährung Lira, die Einfuhren in die Türkei verteuert. Fachleute erklären die anhaltenden Verluste der Lira vor allem mit der lockeren Geldpolitik der türkischen Notenbank.

Die Ankündigung einer deutlichen Förderkürzung durch Saudi-Arabien hat die Ölpreise zu Wochenbeginn steigen lassen. Am späten Nachmittag legen die Preise sowohl der Nordseesorte Brent als auch der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) rund 1,3 Prozent zu.

Nach einer turbulenten OPEC-Sitzung hatte der Ölriese Saudi-Arabien am Sonntag eine einseitige Kürzung seiner Produktion um eine Million Barrel je Tag zunächst für Juli angekündigt. Das Land führt die gut zwanzig Staaten des Ölkartells OPEC+ gemeinsam mit Russland faktisch an. "Saudi-Arabien ist stärker als andere Opec+-Mitglieder daran interessiert, den Ölpreis über 80 Dollar zu halten", sagte Experte Suvro Sarkar von der DBS Bank.

Der europäische Erdgas-Future stieg sogar um 13 Prozent auf 26,40 Euro je Megawattstunde. Neben dem anziehenden Ölpreis treibe die Aussicht auf geringere Flüssiggas-Lieferungen die Preise, sagte ein Analyst.

Die Deutsche Börse nimmt die Aktien vom Wirkstoffforscher Evotec, dem Abfüllanlagenbauer Krones, der Software AG und von der Shop Apotheke Europe in den Börsenindex MDAX der mittelgroßen Werte auf. Zum 19. Juni müssen dafür der Immobilienkonzern Aroundtown, der Telekommunikationsanbieter United Internet, der Waferhersteller Siltronic sowie der US-Telekomausrüster Adtran weichen, wie die Deutsche Börse am Abend nach Börsenschluss mitteilte. Im Frankfurter Leitindex DAX ergeben sich demnach wie erwartet keine Änderungen.

Die vier MDAX-Absteiger landen nun im Kleinwerteindex SDAX, aus dem dafür noch der Immobilienkonzern Dic Asset herausfällt. Evotec war zuletzt wegen eines nicht fristgerecht vorgelegten Geschäftsberichts nicht in den größeren Indizes notiert, das Unternehmen gehört künftig zusätzlich noch dem Technologieauswahlindex TecDax an, aus dem dafür der Linux-Softwarespezialist Suse ausscheidet.

Nach herben Verlusten in der Corona-Krise winkt Fluggesellschaften in aller Welt im laufenden Jahr mehr als doppelt so viel Gewinn wie bisher gedacht. Auch wegen höherer Ticketpreise dürfte die Branche in diesem Jahr einen Überschuss von 9,8 Milliarden US-Dollar (etwa 9,15 Mrd Euro) erreichen, teilte der Weltluftfahrtverband IATA mit. In seiner bisherigen Gewinnprognose vom Dezember war er von 4,7 Milliarden Dollar ausgegangen.

Der Persil-Hersteller Henkel hat weitere Preiserhöhungen angekündigt. Bei den Konsumgütern seien Erhöhungen in diesem Jahr notwendig, sagte Konzernchef Carsten Knobel der "Rheinischen Post" (Samstag). Preisverhandlungen mit Handelsketten seien nicht einfach. "Da kann es auch vorkommen, dass einzelne Produkte von uns nicht mehr geliefert werden, wenn es zu keiner Einigung kommt."

Der Manager verwies auf Rohstoff- und Energiepreise. Diese seien für Henkel 2021 und 2022 um drei Milliarden Euro gestiegen. "Das hat unsere Gewinnmarge, trotz aller Sparanstrengungen, deutlich belastet."

Lufthansa-Chef Carsten Spohr hält Beratungen über eine mögliche Übernahme der portugiesischen Fluggesellschaft TAP für verfrüht. Der Privatisierungsprozess für die TAP seitens der Regierung in Lissabon sei noch nicht abgeschlossen, sagte Spohr. Außerdem plane die portugiesische Regierung, TAP in der bevorstehenden Privatisierung nicht komplett zu verkaufen. Stattdessen will sich der Staat eine "strategische Beteiligung" sichern.

Der Telekommunikationskonzern 1&1 will nach Angaben seines Chefs Ralph Dommermuth trotz einer Verzögerung beim Ausbau des eigenen Mobilfunknetzes die langfristigen Vorgaben der Bundesnetzagentur erfüllen. Die Baukapazitäten legten zu, sagte Dommermuth der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Wenn es läuft, wie von unseren Ausbaupartnern vertraglich zugesichert, dann werden wir in den nächsten Jahren jeweils 3000 Standorte fertigstellen". Damit würden auch die langfristigen Vorgaben der Bundesnetzagentur erfüllt. Die United-Internet-Tochter hatte zum Jahreswechsel nur fünf statt 1000 5G-Funkmasten fertiggestellt.

Die Notübernahme der Schweizer Großbank Credit Suisse durch die größere UBS soll am 12. Juni vollzogen werden. Zu diesem Zeitpunkt werde die Credit Suisse in der UBS aufgehen, teilte die UBS mit. Der Vollzug stehe noch unter dem Vorbehalt, dass die US-Börsenaufsicht SEC dem Vorhaben zustimme. Auch müsse die UBS selbst die übrigen Vollzugsbedingungen als erfüllt ansehen oder auf deren Einhaltung verzichten. Die Aktien der Credit Suisse und ihre US-Hinterlegungsscheine (ADS) würden dann von der Schweizer Börse Six und der New Yorker Börse Nyse genommen.

Die US-Börsenaufsicht SEC hat wegen verschiedener Verstöße gegen Wertpapiergesetze Klage gegen Binance eingereicht - den Betreiber der weltgrößten Handelsplattform für Digitalwährungen wie Bitcoin. Die Kryptobörse habe unter anderem auf illegale Weise Finanzgeschäfte und Dienstleistungen ohne nötige Zulassungen betrieben, verkündete die SEC heute in Washington.

Behördenchef Gary Gensler warf Binance sowie Firmengründer und Chef Changpeng Zhao in einer Pressemitteilung Täuschungen, Interessenkonflikte, Offenlegungsversäumnisse und kalkuliertes Hintergehen von Gesetzen vor. So seien Investoren etwa hinsichtlich der Risikokontrollen und Handelsvolumen in die Irre geführt worden. Stellungnahmen von Binance oder Zhao lagen zunächst nicht vor.

Bitcoin, Ether und andere Kryptowährungen reagierten zunächst mit deutlichen Kursverlusten auf die SEC-Klage gegen Binance. US-Behörden ermitteln schon seit Jahren gegen das Unternehmen. Im März hatte bereits die Finanzaufsicht CFTC wegen Regelverstößen auf dem US-Markt Klage gegen Binance eingereicht. Durch die Klage der SEC eskaliert der Konflikt der US-Regulierer mit dem Konzern nun weiter.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 05. Juni 2023 um 09:00 Uhr.