Verhaltene Wall Street US-Anleger bleiben abwartend
Die US-Anleger haben sich einmal mehr zurückgehalten. Anders als hierzulande, wo der DAX ein neues Rekordhoch markierte, pausiert die Aktienrally an der Wall Street derzeit.
Wie schon in den Vortagen agierten die US-Investoren heute deutlich vorsichtiger als ihre europäischen Pendants. Zwar konnten sich die großen US-Aktienindizes von tieferen Anfangskursen im Verlauf etwas erholen, tendierten am Ende aber uneinheitlich. Sie fanden keine klare Richtung und bewegten sich dabei auch absolut in überschaubaren Bandbreiten in der Nähe ihrer Schlusskurse
Die Rally an der Wall Street ist seit dem Wochenbeginn ins Stocken geraten. Allerdings haben der Dow Jones, S&P 500 und der Nasdaq 100 seit ihren Oktobertiefs inzwischen jeweils prozentual zweistellig zugelegt und sind wieder unterwegs in Richtung ihrer Rekordhochs. Nun aber warten die Anleger erst einmal mit Spannung auf die am Freitag anstehenden offiziellen Arbeitsmarktzahlen der US-Regierung.
Der Leitindex Dow Jones ging am Ende bei 36.124 Punkten um 0,22 Prozent etwas leichter aus dem Handel. Der marktbreite S&P-500-Index schloss kaum verändert bei 4567 Stellen. An der Technologiebörse Nasdaq ging es leicht um 0,3 Prozent bergauf, der Auswahlindex Nasdaq 100 stieg 0,24 Prozent. Die deutlichen Gewinne der europäischen Indizes halfen nicht.
Die Investoren hoffen, dass die im weiteren Wochenverlauf anstehenden Konjunkturdaten Hinweise auf den Fahrplan für die Zinssenkungen der Fed liefern. Die Währungshüter versuchen, mit erhöhten Zinsen die Inflation zu bekämpfen und den heiß gelaufenen Arbeitsmarkt abzukühlen, ohne die Wirtschaft abzuwürgen.
Eine heute veröffentlichte Umfrage des US-Arbeitsministeriums zeigte zwar Anzeichen einer Verlangsamung. Die Analysten zeigten sich allerdings vorsichtig. "Der Arbeitsmarkt ist schwächer, aber nicht so schwach, dass eine Zinssenkung durch die Fed erforderlich wäre oder eine Rezession drohen würde", sagte Paul Nolte, Berater und Stratege beim Vermögensverwalter Murphy & Sylvest.
Bei den Einzelwerten gerieten Procter & Gamble unter Druck. Die Aktien des Konsumgüter-Multis gaben 3,49 Prozent ab. Das Unternehmen plant wegen des starken Dollar ein Umbauprogramm in bestimmten Märkten und steht vor milliardenschweren Aufwendungen.
Konkret baut Procter & Gamble in einigen schwierigen Märkten die Geschäfte vor allem mit Firmenkunden um und nimmt dafür einen Milliardenbetrag in die Hand. In den betroffenen Regionen sei man herausfordernden konjunkturellen Bedingungen unterworfen, hieß es heute vom in Cincinnati ansässigen Unternehmen. Unter anderem sind Argentinien und Nigeria betroffen.
Die Kosten für den Umbau bezifferte Procter & Gamble auf eine bis anderthalb Milliarden US-Dollar (bis zu 1,4 Mrd. Euro), darunter Aufwand für die Einstellung von Geschäftsteilen sowie Fremdwährungseffekte. Die Kosten sollen über dieses und das kommende Geschäftsjahr (bis Ende Juni 2025) gebucht werden. Zudem schreibt der Konzern 1,3 Milliarden Dollar auf die vor Jahren erworbene Marke Gillette ab.
Die Aktien des Börsenneulings Schott Pharma werden in Kürze im SDAX vertreten sein. Der Spritzen- und Ampullenhersteller wird von Montag, 18. Dezember, zusammen mit der Beteiligungsgesellschaft Mutares und dem Pumpen- und Armaturenhersteller KSB in den Index der kleineren Werte unterhalb des MDAX aufgenommen. Dies teilte die Deutsche-Börse-Tochter Stoxx Ltd. am Abend nach US-Börsenschluss mit.
Ausscheiden müssen für diese drei dann die Xing-Mutter New Work, der IT-Sicherheitsdienstleister Secunet und der Glücksspielanbieter Zeal Network. Im Leitindex DAX dagegen bleibt alles beim Alten.
Zudem kommt es zum Platztausch von Unternehmen unterhalb DAX. So werden der Immobilienspezialist Aroundtown, der Waferhersteller Siltronic sowie der Abfüll- und Verpackungsanlagenhersteller Krones vom SDAX in den MDAX für mittelgroße Werte aufsteigen. Dafür müssen der Fernsehkonzern ProSiebenSat.1, der Maschinen- und Anlagenbauer Dürr sowie der Industrie-Recycler Befesa ihre Plätze räumen und in den SDAX absteigen.
Wichtig sind solche Änderungen vor allem für Fonds, die Indizes real nachbilden (physisch replizierende ETF). Dort muss dann entsprechend umgeschichtet werden, was Einfluss auf die Aktienkurse haben kann.
Schon seit einigen Tagen lag es in der Luft, eine neue Bestmarke des DAX. Trotz etwas zurückhaltenderen Wall Street-Anlegern hat sich der deutsche Leitindex zuletzt sukzessive immer weiter nach vorne geschoben. Die Aussicht auf fallende Zinsen lockt die Anleger derzeit an den Markt und bescherte dem Index am späten Nachmittag bei 16.551 Punkten ein Rekordhoch. Der Schlussstand lag bei 16.533 Punkten etwas niedriger und damit immer noch oberhalb der alten Bestmarke, der Tagesgewinn lag bei 0,78 Prozent. Gestern hatte der deutsche Leitindex fast auf Freitagsniveau bei 16.405 Punkten geschlossen.
Damit setzte sich die Jahresendrally weiter fort. Allein im November hatte der DAX 9,5 Prozent an Wert gewonnen. Ausgehend vom Zwischentief im Oktober, das mit 14.630 Zählern noch nahe dem Jahrestief aus dem März gelegen hatte, hat er mittlerweile rund 13 Prozent zugelegt. Viele Analysten spekulieren schon lange nicht mehr darüber, ob die Notenbank ihre Zinsen senkt, sondern ab wann sie damit beginnt. Der MDAX der mittelgroßen Werte gewann 0,46 Prozent auf 26.491 Punkte.
Von sinkenden Zinsen versprechen sich Anleger Rückenwind für die Wirtschaft, nachdem der Inflationsdruck zuletzt spürbar nachgelassen hatte. Erst kurz vor dem vergangenen Wochenende hatte eine Rede von US-Notenbankchef Jerome Powell den Zinserwartungen der Anleger weitere Nahrung gegeben. Er hatte zwar die Bereitschaft der Notenbank wiederholt, den Zins notfalls doch noch weiter anzuheben, aber auch gesagt, dass die Geldpolitik schon recht restriktiv sei.
"Im Moment passt für Aktien einfach alles zusammen und der Fed-Chef klang am Freitag nicht streng genug, um der aktuellen Euphorie wirklich einen Riegel vorschieben zu können", erklärte Analyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets.
Auch der Rentenmarkt profitiert von der Zinseuphorie. Der richtungweisende Terminkontrakt Euro-Bund-Future legte zuletzt um 0,79 Prozent auf 134,51 Punkte zu. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen fiel im Gegenzug auf 2,24 Prozent. Das ist der niedrigste Stand seit Juni.
Notenbanker in den USA und Europa betonen immer wieder, dass sie bei der Beurteilung der Lage "auf Sicht" fahren, also datengetrieben über die Geldpolitik entscheiden werden. Aktuell liegt deshalb ein Fokus der Investoren auf dem monatlichen US-Arbeitsmarktbericht für den November, der am Freitag publiziert wird. Etwas schwächere Daten wie zuletzt könnten dabei als Initialzündung für die "Bullen" (Käufer) dienen.
"Sollten diese die Abkühlung aus dem Oktober bestätigen, könnte der Markt wieder einen Gang höher schalten und der Druck auf die Skeptiker der Rally zunehmen", konstatierte Molnar mit Blick auf Hoffnungen am Markt auf sinkende Zinsen im nächsten Jahr. Erwartet werden im Wochenverlauf zudem noch Auftragseingänge und Produktionsdaten aus der Industrie.
Der Euro hat am Abend im späten US-Devisenhandel die Verluste ausgeweitet. Zuletzt kostete die Gemeinschaftswährung 1,0783 Dollar. Im späten europäischen Währungsgeschäft hatte der Euro noch über der Marke von 1,08 Dollar notiert. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0817 (Montag: 1,0868) Dollar fest
Ausgelöst wurden die Kursverluste des Euro durch Äußerungen von EZB-Direktorin Isabel Schnabel. Die deutsche Notenbankerin bezeichnete weitere Zinsanhebungen angesichts des jüngsten Inflationsrückgangs als eher unwahrscheinlich. Schnabel gilt als Befürworterin einer straffen Geldpolitik, weshalb ihre Äußerungen erst recht als Hinweis auf stabile Leitzinsen in der Eurozone aufgefasst wurden. Zugleich bekräftigte sie ihre Haltung, dass es zu früh sei, um den Kampf gegen die Inflation als beendet zu bezeichnen.
Konjunkturdaten aus der Eurozone fielen am Vormittag positiv aus. Die Unternehmensstimmung hellte sich im November auf, allerdings von niedrigem Niveau aus. Nach wie vor signalisieren die Indikatoren von S&P Global eine schrumpfende Wirtschaft. Analysten halten eine technische Rezession für möglich, nachdem die Euroraum-Wirtschaft bereits im Sommerquartal leicht geschrumpft ist.
Die Stimmung im US-Dienstleistungssektor hat sich im November derweil stärker als erwartet aufgehellt. Der Einkaufsmanagerindex des Instituts for Supply Management (ISM) stieg zum Vormonat um 0,9 Punkte auf 52,7 Punkte, wie das Institut in Tempe mitteilte. Volkswirte hatten im Schnitt lediglich mit einem Anstieg auf 52,3 Punkte gerechnet.
Am Ölmarkt drehten die Preise nach einem Sprung um gut ein Prozent erneut ins Minus. Die Nordsee-Rohölsorte Brent und die leichte US-Sorte WTI verbilligten sich um jeweils gut ein Prozent. Der stellvertretende russische Ministerpräsident Alexander Nowak hatte angekündigt, das Ölkartell Opec+ sei bereit, seine Produktionskürzungen im ersten Quartal 2024 zu erweitern.
Die Verunsicherung über die weltweite Treibstoffnachfrage überwog allerdings die Versorgungsängste. Die jüngste Entscheidung der Opec+ zu den Fördermengen hatte die Investoren am Montag skeptisch gestimmt. Da die beschlossenen Angebotskürzungen freiwillig sind, steht Analysten zufolge in Frage, ob die Produzenten sie vollständig umsetzen oder nicht.
Unter den Einzelwerten im DAX standen Siemens Energy bei gut 11,60 Euro und einem Plus von drei Prozent an der an DAX-Spitze. Die Aktie pendelt sich damit nach dem jüngsten Bürgschafts-Schock deutlich oberhalb ihres Jahrestiefs bei 6,40 Euro ein. DAX-Schwergewicht Siemens selber steht bei knapp 160 Euro nahe des Allzeithochs bei 167 Euro und profitierte auch heute weiter von zuletzt hervorragenden Geschäftszahlen.
Nicht gefragt und damit am DAX-Ende standen Fresenius nach einem durchwachsenen Analystenkommentar. Die Hoffnungen auf eine Kurserholung im europäischen Medizintechniksektor 2023 nach dem furchtbaren Vorjahr hätten sich kaum erfüllt, schrieb Analyst JPMorgan-David Adlington in einem heute vorliegenden Branchenausblick. 2024 rechnet er mit einer nachlassenden Umsatzdynamik und sieht bei den Markterwartungen für die Margen kaum Luft nach oben
Am Abend nach Börsenschluss gab der Bad Homburger Gesundheitskonzern dann bekannt, dass das Unternehmen staatliche Ausgleichszahlungen von 300 Millionen Euro einbehalten wird, die im Zuge des "Entlastungspaket Energiehilfen" für deutsche Krankenhäuser gezahlt wurden. In diesem Fall darf das Unternehmen keine Dividende ausschütten und keine Boni an das Management bezahlen. Für das vergangene Jahr hatte Fresenius eine Dividende von 92 Cent je Aktie ausgezahlt.
Merck muss einen herben Rückschlag in der Arzneimittelentwicklung hinnehmen. In der entscheidenden klinischen Studie der Phase-3 erreichte das Multiple-Sklerose-Mittel Evobrutinib nicht das primäre Ziel der Untersuchung, wie der Darmstädter Pharma- und Technologiekonzern am Abend mitteilte. Das Medikament zählt zu den größten Hoffnungsträgern von Merck in der Pharmapipeline. Vorstandschefin Belen Garijo traute ihm Blockbuster-Potenzial zu, also mögliche Spitzenumsätze in Milliardenhöhe. Merck-Aktien geben nachbörslich deutlich nach.
Deutschlands größter Vermieter Vonovia will seinen Schuldenabbau durch weitere Portfolioverkäufe vorantreiben. 2024 seien Verkäufe im Volumen von drei Milliarden Euro geplant, sagte Konzernchef Rolf Buch der Nachrichtenagentur Bloomberg. Anders als bisher dürfte der Fokus der Veräußerungen dabei eher auf Gewerbeimmobilien und Pflegeheimen liegen.
Nach der Übernahme der Deutsche Wohnen im Jahr 2021 gebe es "einige Objekte, die wir ohnehin verkaufen wollen", sagte Buch. Den Verkauf von Wohnungen will Vonovia stoppen, sobald sich die Bewertungen stabilisieren. "In dem Moment, in dem wir gesichert wissen, dass die Talsohle sehr nah ist, werden wir aufhören zu verkaufen", ergänzte der Konzernlenker.
Der Chemieriese BASF sichert sich grünen Strom aus der Nordsee. Das Unternehmen befinde sich in fortgeschrittenen Gesprächen mit dem schwedischen Energiekonzern Vattenfall für dessen Windparkprojekte Nordlicht 1 und 2, teilten die Unternehmen heute mit. Die vereinbarte Partnerschaft sieht vor, dass BASF 49 Prozent der Projektanteile von Vattenfall kauft. Der DAX-Konzern will mit knapp der Hälfte des dort erzeugten Stroms insbesondere seinen Standort in Ludwigshafen versorgen. Laut der Mitteilung beteiligt sich BASF zum zweiten Mal an einem Windparkprojekt von Vattenfall auf See.
Der weltgrößte Flugzeughersteller Airbus will für die Entwicklung seines nächsten Mittelstreckenjets möglicherweise wieder europäische Staaten um Finanzhilfe bitten. Der Konzern könnte die Unterstützung der Regierungen benötigen, sagte Airbus-Chef Guillaume Faury im Interview mit der "Financial Times". Der Hersteller will im nächsten Jahrzehnt eine neue Generation von Mittelstreckenjets mit geringerem Spritverbrauch an den Start bringen, die die stark gefragte Modellfamilie A320neo ablösen soll. Zudem will Airbus bis 2035 einen kleineren Passagierjet mit Wasserstoffantrieb entwickeln.
Brenntag gibt dem Druck eines aktivistischen Investors nach und will den Chemikalienhändler in zwei Geschäftsbereiche aufspalten. Die Pläne sähen vor, Brenntag Essentials und Brenntag Specialties in zwei unabhängige und eigenständige Bereiche zu entflechten unterstützt durch eine "schlanke Konzernzentrale", teilte Brenntag mit. Alle Pharma-Aktivitäten sollen von Brenntag Essentials auf Brenntag Specialties übertragen werden, während das Water Treatment- und das Finished Lubricants-Geschäft sowie bestimmte Produkte aus den Specialties-Segmenten an Brenntag Essentials übergehen.
Der Rüstungszulieferer Hensoldt aus dem MDAX kauft den Münchner IT- und Sicherheitstechnik-Dienstleister ESG für mindestens 675 Millionen Euro. Das Verteidigungselektronik-Unternehmen erwirbt die ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH vom Finanzinvestor Armira, wie Hensoldt am Abend mitteilte. Zum Kaufpreis könnten noch 55 Millionen Euro hinzukommen, je nachdem wie sich ESG 2024 entwickelt. Finanzieren will Hensoldt die Übernahme mit bis zu 450 Millionen Euro neuen Schulden und einer Kapitalerhöhung um bis zu zehn Prozent. Diese könnte zum Xetra-Schlusskurs vom Dienstag rund 250 Millionen Euro einbringen.
Im Streit um den Ausbau des Glasfasernetzes hat der Deutschland-Chef von Vodafone Vorwürfe gegen den Rivalen Deutsche Telekom erhoben. Der Bonner Ex-Monopolist verlange "beträchtliche" Gebühren, wenn Konkurrenten ihre Kabel in von der Telekom kontrollierte Leerrohre verlegen wollten, sagte Philippe Rogge der "Süddeutschen Zeitung". Diese Abgaben würden demnächst voraussichtlich weiter steigen. "Daraus sollen Mondpreise werden, zwölfmal höher als in anderen europäischen Ländern." Der Manager wies außerdem darauf hin, dass viele dieser Leerrohre zu Zeiten der Bundespost verlegt und damit vom Steuerzahler bezahlt worden seien.