Auf Grün stehende Ampel an der Wall Street, New York City
marktbericht

Nach robusten Konjunkturdaten US-Anleger in Kauflaune

Stand: 15.06.2023 22:31 Uhr

Abflauende Rezessionsängste haben die Käufer heute wieder an die Wall Street gelockt. Das zuletzt alles beherrschend Zinsthema rückte derweil in den Hintergrund.

Nach zunächst verhaltener Eröffnung haben die großen US-Aktienindizes im Verlauf ihre Gewinne ausgebaut und höher geschlossen. Hinweise der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) auf weiter mögliche Zinserhöhungen, die gestern belastet hatten, traten heute in den Hintergrund.

Vielmehr knüpfte der Dow-Jones-Index nach dem gestrigen Rücksetzer an seine vorangegangene Gewinnserie an und legte am Ende um 1,26 Prozent zu auf 34.408 Punkte. Es war der höchste Stand seit Mitte Dezember. Das Tageshoch lag bei 34.488 Zählern noch ein Stück höher.

Auch an die zinssensitive Technologiebörse Nasdaq kehrten die Käufer zurück. Der Composite-Index rückte um 1,15 Prozent vor. Der marktbreite S&P-500-Index stieg um 1,22 Prozent. Beide Indizes markierten damit neue Jahreshochs.

Neben dem Nachgang zum gestrigen Zinsentscheid der Notenbank Federal Reserve (Fed) standen eine Reihe neuer Konjunkturdaten auf der Agenda der Wall Street. Diese fielen teilweise überraschend gut aus, was den Markt stützte.

Die Konjunkturdaten dämpften Rezessionsängste der Anleger, allen voran die wichtigen Einzelhandelsumsätze. Die Erlöse der US-Einzelhändler stiegen den Angaben zufolge im Mai überraschend um 0,3 Prozent.

"Derzeit warten eine Menge Leute aus Angst vor einer Rezession an der Seitenauslinie", sagte David Russell, Manager beim Brokerhaus TradeStation. "Da diese Sorgen schwinden, wenden sie sich wieder Aktien zu." Der private Konsum gilt als Hauptstütze der weltgrößten Volkswirtschaft.

Auch die Industriestimmung im US-Bundesstaat New York hat sich im Juni unerwartet stark aufgehellt und überraschte positiv. Der an der Börse viel beachtete Empire-State-Index stieg von minus 31,8 Punkten im Vormonat auf plus 6,6 Zähler, wie die regionale Notenbank von New York mitteilte. Analysten hatten im Schnitt zwar mit einer Verbesserung gerechnet, waren aber im Schnitt nur von einem moderaten Anstieg auf minus 15,1 Punkte ausgegangen.

Die wöchentlichen Daten vom Arbeitsmarkt deuteten auf eine Stagnation hin, die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe fiel mit 262.000 Menschen dabei etwas höher aus als erwartet. Eine Zahl von 270.000 Erstanträgen gilt als kritische Marke, die eine nachhaltige Eintrübung des Arbeitsmarkts signalisiert. Dieser boomte bislang jedoch - trotz massiver Zinserhöhungen der Federal Reserve.

Ein sich allmählich abkühlender Jobmarkt, ein Hauptziel der Fed im Kampf gegen die Inflation, dürfte aus Sicht von Bankchef Jerome Powell dazu beitragen, dass die Wirtschaft trotz der strafferen Geldpolitik eine sanfte Landung hinlegen wird - also nicht in eine Rezession abgleitet.

Positive Spuren hinterließ die Geldpolitik heute bei den in New York gelisteten Anteilsscheinen chinesischer Technologieaktien. Dass die chinesische Zentralbank versucht, mit der Senkung ihres Hauptleitzinses der schwächelnden Wirtschaft des Landes unter die Arme zu greifen, bescherte unter anderem dem Amazon-Konkurrenten Alibaba ein Kursplus von 3,1 Prozent.

Auch Börsenschwergewicht Apple ist heute wieder in die Erfolgsspur zurückgekehrt. Das Papier stieg in der Spitze um über ein Prozent bis auf 186,52 Dollar und markierte damit ein neues Rekordhoch. Am Ende stand ein Aufschlag von 1,1 Prozent auf 186,01 Dollar.

Nachdem sich die Anleger mit dem jüngsten Zinsentscheid der EZB zunächst schwer taten, erholte sich der DAX im Verlauf und folgte einer steigenden Wall Street nach oben. Am Ende schloss der deutsche Leitindex an einem ereignisreichen Tag bei 16.290 Punkten um 0,13 Prozent nur leicht schwächer.

Im Tagestief war der Index nach dem Zinsentscheid zunächst bis auf 16.165 Punkte gefallen, ehe er sich danach wieder nach oben orientierte. Der Schlusskurs liegt zudem nahe des Tageshoch bei 16.301 Punkten und weiter in Sichtweite des erst gestern erreichten neuen Rekordhochs bei 16.336 Punkten. Damit präsentiert sich der DAX trotz der Aussicht auf weitere Zinserhöhungen durch die EZB weiterhin äußerst robust.

Die heute beschlossene Erhöhung um weitere 25 Basispunkte auf 4,00 Prozent war erwartet worden. Die deutlichen Worte von EZB-Chefin Christine Lagarde bezüglich weiterer Zinsschritte zeigen aber, wohin die Richtung im künftigen Zinszyklus der Bank geht. Denn vom EZB-Ziel einer Inflationsrate von 2,00 Prozent ist die Eurozone noch weit entfernt.

"Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir die Zinsen im Juli weiter anheben werden", sagte Lagarde im Anschluss an die Zinsentscheidung. "Wir sind noch nicht am Ziel." Sie verwies auf die zu hohe Inflation. Die Notenbank erhöhte sogar ihre Inflationsprognose, was Experten als die eigentliche Überraschung des heutigen Tages ansahen. Es war die achte Zinserhöhung in Folge. Die nächste EZB-Zinssitzung ist für den 27. Juli anberaumt.

Chefökonom Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank erklärte: "Die EZB hat klar signalisiert, mit Zinserhöhungen weiterzumachen." Statt müde zu werden sei sie bezüglich der Inflationsaussichten weiter hellwach.

Vor allem die viel beachtete Kernrate, bei der die schwankungsreichen Energie- und Rohstoffpreise herausgerechnet sind, beginnt zudem erst, sich langsam abzuschwächen. Mit 5,3 Prozent im Mai ist sie ebenfalls noch deutlich zu hoch.

Die Größe ist sowohl für die EZB als auch für die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) eine wichtige Entscheidungsgrundlage. Bleibt sie so hoch, deutet dies auf hartnäckige Inflationstendenzen, es droht eine Verstetigung der Geldentwertung. Dies wollen Notenbanker unbedingt verhindern.

"Die EZB macht derzeit einen überzeugenden Job, um verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen", sagte Friedrich Heinemann vom Mannheimer Forschungszentrum ZEW. Trotz eines ungünstigen Konjunkturausblicks hebe sie die Zinsen weiter an und demonstriere, dass die Rückkehr zur Preisstabilität Priorität habe.

Apropos Konjunkturausblick: "Sturmwolken ziehen herauf am Konjunkturhorizont", schrieben die Marktstrategen der Bank HSBC um Amit Shrivastava in einer heute vorgelegten Studie und sind bezüglich europäischer Aktien skeptisch geworden.

Die Kerninflation bleibe hartnäckig und den Ökonomen der Bank zufolge seien die Notenbanken noch ein ganzes Stück entfernt vom Höhepunkt im Zinserhöhungszyklus. Sie sehen die künftige Gewinnentwicklung der europäischen Unternehmen kritisch, sodass weitere Kursgewinne unwahrscheinlicher werden.

Gleichzeitig zeige laut HSBC die Auswertung der Geldflüsse, dass die "Liebesaffäre mit Europa" in den Depots vor einer Trennung stehe. Fonds bauten europäische Positionen ab, und der Barmittelbestand institutioneller Investoren liege weltweit nahe am Rekordhoch.

Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung geht davon aus, dass die Wirtschaft um 0,2 Prozent schrumpfen wird. Die bereits begonnene Erholung werde die Verluste nicht mehr vollständig ausgleichen, teilte das DIW heute mit. Das Kieler Forschungsinstitut IfW rechnet für dieses Jahr mit einem Minus von 0,3 Prozent und senkte damit seine Frühjahrsprognose (plus 0,5 Prozent). Auch das Essener Wirtschaftsforschungsinstitut RWI erwartet ein Minus von 0,3 Prozent.

Auch am Devisenmarkt reagierten die Anleger auf den Zinsentscheid. Die Aussicht auf weitere Zinserhöhungen durch die EZB trieb die Gemeinschaftswährung gegen den Greenback an. Zuletzt wurden im US-Handel 1,0947 Dollar bezahlt. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs zuletzt am Mittwochnachmittag auf 1,0809 Dollar festgesetzt, heute lag das Fixing bei 1,0819 Dollar. Zu Wochenbeginn war der Euro noch weniger als 1,08 Dollar wert gewesen.

Der schwächere Dollar stütze auch die Ölpreise. Ein schwächerer Dollar macht Rohöl für Anleger aus anderen Währungen günstiger und stützt so die Nachfrage.

Der japanische Yen leidet derweil weiter unter der Spekulation auf weitere Zinserhöhungen in den USA, die sich Bankchef Jerome Powell trotz der Zinspause offengehalten hat. Der Yen sackt auf den tiefsten Stand seit sieben Monaten.

Die relativ restriktive Haltung der Fed steht in scharfem Kontrast zu der Politik der Bank of Japan (BoJ), die zuletzt an der geldpolitischen Lockerung festgehalten hat, obwohl die meisten anderen Länder der Welt ihre Geldpolitik straffen. Dies belastet den Yen, da höhere Zinsen in der Regel eine Währung stützen. Die BoJ wird am Freitag ihre Zinsentscheidung bekannt geben und beendet damit "die Woche der Notenbanken".

Siemens hat Milliardeninvestitionen in Fabriken und Forschung in Asien, den USA und Europa angekündigt. So soll in Singapur für 200 Millionen Euro eine High-Tech-Fabrik zur Produktion von Automatisierungstechnik mit 400 neuen Arbeitsplätzen entstehen. Das Werk im chinesischen Chengdu wird für 140 Millionen Euro erweitert, wobei ebenfalls 400 neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Zudem kündigte der Konzern weitere Investitionen in Europa und den USA an, die im Laufe des Jahres bekanntgegeben werden sollen. Die Aktie setzte ihren jüngsten Lauf fort und schloss im Xetra-Handel um 0,88 Prozent höher bei 165,78 Euro auf Rekordhoch, im Verlauf wurden sogar 166,34 Euro erreicht.

Die Brenntag-Aktionäre haben dem Vorstand des Chemikalienhändlers den Rücken gestärkt und damit dem aktivistischen Investor Primestone eine Niederlage beigebracht. Mit über 60 Prozent der anwesenden Stimmen votierten die Anteilseigner des DAX-Unternehmens für die Vorschläge des Konzerns zur Besetzung seines Aufsichtsrates, wie die scheidende Vorsitzende des Kontrollgremiums, Doreen Nowotne, heute auf der virtuellen Aktionärsversammlung verkündete.

Damit seien alle Gegenanträge hinfällig. Wegen des Streits zwischen Brenntag und dem aktivistischen Investor war die Hauptversammlung mit Spannung erwartet worden. Primestone, nach Angaben des vertretenden Anwalts Alexander Herzog von der Kanzlei Broich mit über zwei Prozent an Brenntag beteiligt, drängt seit geraumer Zeit auf eine Aufspaltung des Konzerns und hatte drei Gegenanträge für die Hauptversammlung vorgelegt.

Der vermeldete Verkauf eines umfangreichen Aktienpakets durch die Mehrheitsaktionärin sorgte heute für einen Kursrutsch bei Atoss Software. Rund 20 Prozent des Grundkapitals sollen von der Großaktionärin AOB Invest an den Investor General Atlantic gehen - und dies mit einem Abschlag von 12,8 Prozent auf den volumengewichteten Durchschnittspreis der vergangenen sechs Monate.

Der Modekonzern Hugo Boss kommt mit seinen Wachstumsplänen schneller voran als erwartet und hebt daher seine mittelfristigen Ziele an. Vorstandschef Daniel Grieder erwartet nun bis 2025 einen Umsatz von fünf Milliarden Euro statt einer Verdoppelung auf vier Milliarden. Gleichzeitig soll das operative Ergebnis 600 Millionen Euro erreichen statt rund 480 Millionen. Für die operative Umsatzrendite (Ebit-Marge) sind die bislang prognostizierten zwölf Prozent demnach nun das Minimalziel.

Florierende Geschäfte vor allem mit standardisierten Produkten in großen Stückzahlen haben den Bahnzulieferer Vossloh zuversichtlicher gestimmt. Der Vorstand des SDAX-Unternehmens erwarte 2023 nun einen Umsatz zwischen 1,125 bis 1,2 Milliarden Euro statt 1,05 bis 1,15 Milliarden, wie der Konzern heute mitteilte. Beim operativen Ergebnis (Ebit) peile er 87 bis 94 Millionen Euro an statt 79 bis 88 Millionen. Die operative Umsatzrendite (Ebit-Marge) werde damit in einer Spanne von 7,5 bis 8,1 Prozent liegen statt zwischen 7,2 und 8,0 Prozent.

Vor allem der Bereich Core Components unter anderem in Mexiko, Deutschland und Italien entwickle sich besser als erwartet, hieß es zur Begründung. Die Aktie drehte nach der Mitteilung ins Plus und legte am Ende gut 3,0 Prozent zu.

Der Verkauf des Fußballklubs Manchester United rückt offenbar näher. Der englische Erstligist verhandele exklusiv mit einem Konsortium um Scheich Jassim bin Hamad al-Thani aus Katar, sagten mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen. Der Deal habe ein Volumen von mehr als sechs Milliarden Dollar. Die in den USA notierte ManU-Aktie verteuerte sich daraufhin zeitweise um knapp 15 Prozent, am Ende betrug das Plus noch 6,85 Prozent.

Bei einer Einigung werde sich die Familie Glazer aus den USA, die den Traditionsklub bislang kontrolliert, komplett zurückziehen, fügten die Insider hinzu. Die konkurrierende Offerte des britischen Milliardärs Jim Radcliffe sähe vor, dass die Glazers einen gewissen Anteil behielten. Es blieb zunächst unklar, wie lange die Frist für die Exklusiv-Verhandlungen läuft. Weder ManU noch Scheich Jassim waren zunächst für eine Stellungnahme zu erreichen. Die Glazers hatten Ende 2022 einen formalen Verkaufsprozess gestartet.

Schlechtes Wetter hat das Umsatzwachstum der Bekleidungskette H&M im zweiten Quartal gebremst. Der Erlös stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um sechs Prozent auf 57,6 Milliarden schwedische Kronen (rund 5 Mrd Euro), wie Hennes & Mauritz (H&M) mitteilte. In Landeswährungen stagnierte der Umsatz sogar auf Vorjahresniveau. H&M erklärte die Entwicklung mit vergleichsweise ungünstigem Wetter in mehreren wichtigen Regionen.

Der Rückversicherer Swiss Re sieht sich für die Zukunft gerüstet. Insbesondere im Nichtlebengeschäft P&C Re sind die Tarife für Rückversicherungsdeckung zuletzt in die Höhe geklettert. "Und steigende Preise dürften auch die kommenden Vertragserneuerungsrunden prägen", sagte der Chef P&C Re, Urs Bärtschi, heute im Rahmen eines Mediengesprächs.

Neben steigenden Preisen und Wirtschaftswachstum sieht Bärtschi auch Potenzial in den weltweit zu tiefen Deckungen gegen Naturkatastrophenrisiken. 2022 hätten Windstürme, Fluten, Waldbrände etc. weltweit ökonomische Schäden von 275 Milliarden US-Dollar ausgelöst - aber nur 125 Milliarden seien versichert gewesen, so Bärtschi. Das biete der Versicherungsbranche sowie auch den Rückversicherungen zusätzliche Chancen, Menschen vor allem finanziell vor Katastrophen zu schützen.

Die Aussagen sind auch für die deutschen Rückversicherer Münchener Rück und Hannover Rück von Bedeutung, denen eine globale Erhöhung der Tarife ebenfalls zugute kommt.

In einem Gerichtsfall in London gegen die Credit Suisse (CS) im Skandal um sogenannte "Thunfisch-Anleihen" in Mosambik haben die Anwälte der Schweizer Bank laut der "Financial Times" ("FT") eine Abweisung der Klage beantragt. Ein faires Verfahren sei nicht möglich, weil die Regierung Mosambiks keine Dokumente offenlege. In dem Verfahren geht es um die Rolle der CS bei der Vermittlung von Krediten und Anleihen an das afrikanische Land von mehr als zwei Milliarden Dollar, mit denen unter anderem der Aufbau einer Thunfischfangflotte bezahlt werden sollte. Allerdings wurden dabei offenbar Gelder in großem Umfang "zweckentfremdet".

Mit der Anfang dieser Woche vollzogenen Übernahme der Credit Suisse hat die UBS auch umfangreiche juristische Altlasten übernommen. Laut "FT" soll ein Zivilprozess am Londoner High Court um die "Thunfisch-Anleihen" im September beginnen. Die CS hatte 2021 in einem Vergleich mit den Aufsichtsbehörden der USA, Großbritanniens und der Schweiz in diesem Fall eine Buße von 475 Millionen Dollar bezahlt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 15. Juni 2023 um 09:00 Uhr.