Handelssaal de Deutschen Börse in Frankfurt
Marktbericht

Wall Street geschlossen Ein Plus ohne große Bedeutung

Stand: 20.06.2022 21:50 Uhr

Der DAX ist deutlich erholt in die neue Woche gestartet. Allerdings steht dem Kursgewinn ein Realitätstest bevor, wenn an der Wall Street wieder gehandelt wird.

Es war ein erfolgreicher, wenn auch einsamer Tag für den DAX: Trotz fehlender Unterstützung von der Wall Street konnte der deutsche Leitindex mit einem Plus von 1,06 Prozent in die Woche starten.

Die New Yorker Aktienmärkte waren wegen eines Feiertags geschlossen. Die US-Amerikaner holen heute den "Juneteenth National Independence Day", der an das Ende der Sklaverei erinnert, vom Sonntag nach. Der folgende Chart des Dow Jones ist eine Indikation, die auf dem feiertäglichen außerbörslichen Handel beruht, und sollte daher auch nicht überbewertet werden.

Warum konnte der deutsche Aktienmarkt trotz des trüben Umfelds so deutlich zulegen? Offenbar auch deswegen, weil schon viel von den belastenden Faktoren in den Kursen enthalten ist - sprich, viele Marktteilnehmer bereits ihre Aktienbestände reduziert haben und so nicht für weiteren Verkaufsdruck sorgen.

Sicher ist aber, dass den Märkten das Hauptthema der vergangenen Tage erhalten bleiben wird. Die kräftige Zinserhöhung der US-Notenbank hat die Rezessionsängste in den USA neu angefacht. Diese Woche wird es weitere Konjunkturdaten geben, die die Diskussion am Leben halten. Morgen stehen die Verkäufe neuer Häuser und am Freitag die Verkäufe bestehender Häuser auf der Agenda. Außerdem wird sich Fed-Chef Jerome Powell am Mittwoch und Donnerstag erneut zur Geldpolitik und zur Konjunkturlage äußern.

Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) Christine Lagarde trat Rezessionssorgen für die Eurozone heute entgegen. "Die Bedingungen für weiteres Wachstum sind vorhanden", sagte sie vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments. Eine Rezession gehöre nicht zum Basisszenario der EZB. Der erste Zinsschritt in der laufenden Zinswende steht derweil außer Zweifel: "Wir beabsichtigen, die Leitzinsen der EZB auf unserer geldpolitischen Sitzung im Juli um 25 Basispunkte anzuheben", so Lagarde. Man wolle mit der Zinserhöhung auch einer Lohn-Preisspirale entgegenwirken.

Dass die Geldentwertung weiter dramatisch ist, zeigen die jüngsten Erzeugerpreise. Diese sind im Mai um durchschnittlich 33,6 Prozent gestiegen. "Dies war der höchste Anstieg gegenüber einem Vorjahresmonat seit Beginn der Erhebung im Jahr 1949", teilte das Statistische Bundesamt mit. Die Produzentenpreise gelten als wichtiger Vorläufer für die Entwicklung der Verbraucherpreise.

Die Inflation wird nach Einschätzung der Bundesbank, die ihren Monatsbericht veröffentlichte, auch in den nächsten Monaten trotz entlastender Maßnahmen wie Tankrabatt und Neun-Euro-Ticket weiter deutlich erhöht bleiben.

Die Ölpreise machten nach ihrem jüngsten Kurssturz etwas Boden gut. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete am Abend 113,70 Dollar.

Zum Wochenschluss hatten die anhaltenden Rezessionsängste für einen kräftigen Preisrutsch beim Öl gesorgt. Brent büßte bis zu 5,7 Prozent ein.

Der Markt für Kryptowährungen hat sich etwas von seinem Einbruch am Wochenende erholt. Der Bitcoin notierte am späten Abend knapp über 20.000 Dollar. Am Samstag war die Cyber-Devise mit rund 17.600 Dollar auf den tiefsten Stand seit Ende 2020 gefallen.

Im November vergangenen Jahres waren für einen Bitcoin noch rund 68.000 Dollar gezahlt worden. "Das Durchbrechen der 20.000-Dollar-Marke zeigt, dass das Vertrauen in die Kryptoindustrie kollabiert ist", erklärte OANDA-Marktanalyst Edward Moya.

Trotz der Aussagen von EZB-Chefin Lagarde zur bevorstehenden Zinserhöhung in der Eurozone geriet der Euro am Nachmittag unter Druck. Am späten Abend wurde die europäische Gemeinschaftswährung bei 1,05 Dollar gehandelt. Der Goldpreis fiel ebenfalls zurück. Eine Feinunze des gelben Edelmetalls kostete am Abend 1838 Dollar.

Die deutschen Autobauer senken angesichts von Materialmangel, Corona-Lockdowns und steigenden Kosten ihre weltweiten Absatzerwartungen. Die Rahmenbedingungen hätten sich seit Jahresbeginn deutlich eingetrübt, teilte der Verband der Automobilindustrie mit. Für den Weltmarkt geht der VDA für dieses Jahr nun von einem Rückgang des Absatzvolumens um ein Prozent auf 70,2 Millionen Pkw aus. Bisher hatte die Branche ein leichtes Wachstum erwartet.

Nach zwei herben Verlustjahren durch die Corona-Pandemie rechnet die Luftfahrtbranche für 2022 mit einer etwas stärkeren Erholung als zuletzt. Im Vergleich zum vergangenen Jahr dürfte sich der weltweite Verlust von 42,1 Milliarden auf 9,7 Milliarden Dollar verringern, teilte der Branchenverband IATA bei seiner Generalversammlung in Doha mit. Für 2023 erwartet IATA-Generaldirektor Willie Walsh weltweit wieder schwarze Zahlen.

Der Energiekonzern Uniper meldet weiter geringere Gasmengen aus Russland. "Es ist eine angespannte Lage", sagte Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach auf einer Energiekonferenz in Essen. Uniper erhalte derzeit weniger als die Hälfte der vereinbarten Mengen. Der Konzern müsse diese zu hohen Preisen ersetzen. Bislang könne Uniper dies stemmen. Sollte das so bleiben, könne es aber schwierig werden, die Speicher weiter zu befüllen. Der russische Gaskonzern Gazprom hatte bereits in der vergangenen Woche seine Lieferungen reduziert.

Nur wenige Monate nach seinem Abstieg aus dem DAX ist der Konsumgüterhersteller Beiersdorf in die erste Börsenliga zurückgekehrt. Dafür ist der Essenslieferdienst Delivery Hero in den MDAX abgestiegen. In den MDAX wurde heute außerdem der bislang im SDAX notierte Betreiber von Wind- und Solarparks Encavis aufgenommen, der seinen Platz mit dem Finanzdienstleister Hypoport tauscht.

Neben Hypoport sind nun auch wieder das Rüstungsunternehmen Hensoldt und das Spezialpharmaunternehmen Medios im SDAX vertreten sowie erstmals auch der Windpark-Projektierer PNE. Ausscheiden mussten dafür der Laser-Experte LPKF, der Windanlagenhersteller Nordex und der Kohlefaser-Spezialist SGL.

Die US-Umweltbehörde EPA ist von einem Berufungsgericht angewiesen worden, die Gesundheitsrisiken von Glyphosat erneut zu überprüfen. Das Gericht stufte die Bewertung der EPA, wonach der Wirkstoff von Bayers umstrittenem Unkrautvernichter Roundup keine besondere Gefahr für Menschen darstelle, als zweifelhaft ein. Bayer ist in den USA mit zahlreichen Klagen wegen angeblicher Krebsrisiken von Glyphosat konfrontiert.

Der Chef des im DAX notierten Energiekonzerns RWE, Markus Krebber, hat sich für eine zeitweise Reaktivierung von Kohlekraftwerken ausgesprochen, um knappes und teures Erdgas zu sparen. "Im Stromsektor sollten so schnell wie möglich zusätzlich aktivierbare Kohlekraftwerke statt Gaskraftwerken laufen", sagte Krebber der "Süddeutschen Zeitung".

Der US-Pharmakonzern Pfizer steigt beim Impfstoffentwickler Valneva ein. Für 90,5 Millionen Euro übernimmt Pfizer über eine Kapitalerhöhung einen Anteil von gut acht Prozent an dem französisch-österreichischen Biotechunternehmen. Den Erlös aus der Kapitalbeteiligung will Valneva zur Finanzierung seines Borreliose-Impfstoffs verwenden, der im dritten Quartal dieses Jahres in die dritte und damit letzte Phase der klinischen Entwicklung gebracht werden soll. Die Valneva-Aktie sprang um über 30 Prozent in die Höhe.

Nach einem Beratergremium der US-Arzneimittelbehörde FDA hat sich auch die Gesundheitsbehörde CDC für den Einsatz von Coronavirus-Impfstoffen bei Kindern im Alter zwischen sechs Monaten und fünf Jahren ausgesprochen. Sowohl der Impfstoff der Hersteller BioNTech und Pfizer als auch das Präparat von Moderna könnten für etwa 18 Millionen Kleinkinder zum Einsatz kommen. Laut der US-Regierung könnte es bereits morgen losgehen.

Der britische Billigflieger Easyjet streicht wegen des akuten Personalmangels an Flughäfen und an Bord weitere Flüge. Die angebotene Kapazität wird sich im laufenden Quartal auf 87 Prozent des Vorkrisenniveaus von 2019 belaufen und im Sommerquartal, der Hauptreisezeit, auf noch 90 Prozent, wie Easyjet mitteilte. Bisher waren 90 Prozent in diesem und 97 Prozent im kommenden Vierteljahr geplant.

Der italienische Wasserstoff-Spezialist De Nora setzt bei seinem geplanten Börsengang auf zwei Ankerinvestoren. Insgesamt soll die Emission an der Mailänder Börse 545 bis 657 Millionen Euro einbringen. Jeweils 100 Millionen Euro wollen dazu SQ Invest, die Familiengesellschaft des ERG-Großaktionärs Garrone, und 7-Industries, die Holding der Investorin Ruthi Wertheimer, beisteuern. De Nora wäre der erste Börsengang an der Mailänder Börse - und einer der ersten in ganz Europa - seit der russischen Invasion in der Ukraine vor fast vier Monaten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 20. Juni 2022 um 22:35 Uhr.