Euro-Geldscheine
Hintergrund

Organisierte Kriminalität Das liebe Bargeld und die Geldwäsche

Stand: 11.02.2023 15:00 Uhr

Schätzungsweise 100 Milliarden Euro fließen jedes Jahr aus kriminellen Geschäften in die Wirtschaft. Deutschland gilt als anfälliger für Geldwäsche als andere Staaten. Woran liegt das?

Von Lilli-Marie Hiltscher, ARD-Finanzredaktion

"In den letzten fünf Jahren ist das Thema Geldwäschebekämpfung in Deutschland extrem vernachlässigt wurden", sagt Dirk Peglow. Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter wirkt frustriert, wenn er über die deutsche Geldwäschebekämpfung spricht. Der Grund: Vor rund fünf Jahren ist die Zuständigkeit für diese Fälle zur Financial Intelligence Unit, kurz FIU, verlegt worden. Seither häufen sich die Berichte über die Probleme der Behörde.

Keine Kriminalbeamten mehr zuständig

Und das liegt laut Peglow nicht nur daran, dass die Behörde chronisch unterbesetzt sei und darum mit der Bearbeitung der Fälle gar nicht hinterher komme: "Dass der Zoll für die Bearbeitung von Geldwäsche-Straftaten zuständig ist, ist, als würden wir uns vorstellen, dass die Bearbeitung von Auto-Diebstählen künftig das Kraftfahrt-Bundesamt übernimmt. Oder als würde das Jugendamt künftig in Fällen des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen ermitteln."

Denn die Beamten, die bei der FIU Geldwäsche-Straftaten, die in der Bundesrepublik verübt werden, aufdecken sollen, sind keine Kriminalbeamten. Sie haben häufig nicht einmal Zugriff auf polizeiliche Datenbanken.

"Paradies" für Geldwäsche

Für die organisierte Kriminalität macht dies Deutschland noch mehr zu einem "Paradies" für Geldwäscher. Wie viel Geld genau jedes Jahr hierzulande gewaschen wird, kann zwar niemand sagen. Seriöse Schätzungen gehen aber von rund 100 Milliarden Euro aus. Das ist rund ein Viertel des diesjährigen Bundeshaushalts - also dessen, was Deutschland dieses Jahr für Infrastruktur, Bildung und Verteidigung ausgibt.

"Auf den ersten Blick erscheint es toll, dass 100 Milliarden in die deutsche Wirtschaft fließen. Es werden Umsätze generiert, Autos, Häuser, Schmuck verkauft. Das stärkt die Wirtschaft und stärkt Arbeitsplätze", sagt der Experte Markus Zydra.

Doch die 100 Milliarden Euro haben die Kriminelle durch Drogenhandel oder Waffengeschäfte verdient. Und mit diesem kriminell verdienten Geld werden hierzulande nun Immobilien, Schmuck oder Autos gekauft. So werde das Geld gewaschen, erklärt Zydra. Der Journalist der "Süddeutschen Zeitung" beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit dem Thema Geldwäsche. "Kriminelle wollen den Anschein erwecken, als wäre das Geld legal verdient worden", sagt Zydra.

Hoher Stellenwert des Bargelds

Deutschland sei hier keineswegs ein Einzelfall: Alle westlichen Demokratien haben laut Zydra ein Problem mit Geldwäsche. "In Deutschland ist es einfach extrem, weil Bargeld hier so eine große Rolle spielt und niemand Barzahlungen beschränken will. Deshalb kam man hierzulande noch immer große Investitionen in bar tätigen."

Man könne beispielsweise einfach mit einem Geldkoffer in eine Spielbank gehen, das Geld gegen Chips tauschen, "im Spiel einen Euro verlieren und sich den Rest wieder auszahlen. Dann ist das Geld gewaschen", sagt Zydra: "Oder man kauft ein Auto oder ein Haus."

Wem gehören all die Immobilien?

Vor allem der Immobiliensektor gilt als anfällig für Geldwäsche. Die Organisation Transparency International schätzt, dass allein mit dem Kauf und Verkauf von Häusern jedes Jahr mehrere Milliarden Euro gewaschen werden. Denn der Sektor ist riesig: In der Bundesrepublik gibt es Immobilien im Wert von rund 15 Billionen Euro. Werden hier große Summen investiert, fällt das nicht weiter auf.

Oftmals treten die wahren Käufer gar nicht in Erscheinung. "Wir in Deutschland wissen nicht, wem Deutschlands Immobilien gehören", sagt Zydra: "Die Register sind unvollständig, nicht zentralisiert, und oft verstecken sich die tatsächlichen Eigentümer hinter Firmennamen." Das sei auch für Mieter ein Problem: Denn durch die zahlreichen Käufe im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität steigt die Nachfrage nach Immobilien. "Und jede Nachfrage treibt die Preise", so der Journalist.

Den genauen Effekt, den die Nachfrage der organisierten Kriminalität auf die Preise habe, könne man nicht ermitteln. Aber: "Dass es einen Effekt gibt, ist offenbar." Das betreffe vor allem diejenigen, die in einer Großstadt auf Wohnungssuche seien. "Es führt dazu, dass sich Menschen mit einem durchschnittlichen Einkommen das Leben in der Stadt nicht mehr leisten können."

Bundesweites Register geplant

Dass der Umfang der Geldwäsche-Straften auch für die Demokratie und die Akzeptanz staatlicher Behörden ein Problem werden kann, ist der Bundesregierung bewusst: "Es darf nicht sein, dass Kriminelle durch das Brechen von Gesetzen illegale Profite erlangen und sich so bereichern. Das untergräbt die Ideale einer Leistungsgesellschaft und torpediert den Glauben an den deutschen Rechtsstaat. Auch deswegen muss die Bundesregierung jetzt entschieden eingreifen", heißt es im Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums vom Oktober 2022.

Das sei auch dringend nötig, sagt Zydra: "Denn wer kriminelles Geld ins Land lässt, der stärkt so auch die Kriminalität." Um also besser gegen die organisierte Kriminalität vorzugehen, müsse man ihr die finanziellen Mittel nehmen.

Hilft eine Bargeldobergrenze?

Die Politik will das Problem nun stärker angehen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser kündigte bei der Herbsttagung des Bundeskriminalamts im November vergangenen Jahres unter anderem ein bundesweites Register für Immobilien an. Außerdem will die SPD-Politikerin eine Obergrenze für Barzahlungen bei 10.000 Euro durchsetzen.

Von Experten wie Peglow wird eine Obergrenze schon lange gefordert: "Ich halte es für dringend erforderlich, dass wir die Möglichkeiten abschaffen, dass Menschen für 86.000 oder 100.000 Euro ein Auto in bar kaufen können." Ob man das Problem damit lösen kann, ist zwar strittig. "Aber sie machen es Kriminellen damit zumindest schwerer, wenn es nicht mehr legal ist, mit einem Koffer Bargeld ein Haus zu kaufen", sagt Experte Zydra.

Neu wäre eine Bargeldobergrenze im europäischen Vergleich nicht: Sie gibt es bereits in Italien, wo sie bei 5000 Euro liegt. In Griechenland ist die Grenze 500 Euro, in Frankreich und Spanien jeweils 1000 Euro.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 17. Mai 2021 um 18:40 Uhr und die tagesschau am 20. Juli 2021 um 20:00 Uhr.