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Vor dem Urteil des EuGH Welches Recht gilt für Amazon-Kunden?

Stand: 28.07.2016 02:37 Uhr

Der Europäische Gerichtshof urteilt heute über die allgemeinen Geschäftsbedingungen von Amazon. Es geht um die Frage, auf welches nationale Recht sich Kunden stützen können. Das Urteil könnte auch deutsche Kunden betreffen.

Von Christoph Kehlbach, ARD-Rechtsredaktion

Wer hat geklagt?

Kläger ist ein österreichischer Verbraucherverband, der "Verein für Konsumenteninformation" (VKI), vergleichbar etwa mit den deutschen Verbraucherzentralen. Dieser Verein hatte zunächst vor den österreichischen Gerichten eine Unterlassungsklage erhoben. Damit wollten die Verbraucherschützer erreichen, dass Amazon bestimmte Klauseln in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht mehr gegenüber den österreichischen Kunden des Unternehmens verwendet. Weil es bei solchen Verbraucherfragen auch oft auf EU-Recht ankommt, hat der Oberste Gerichtshof Österreichs (OGH) dem Europäischen Gerichtshof einige Fragen vorgelegt, wie mit den fraglichen AGB-Klauseln umgegangen werden muss.

Was genau sind AGB?

Umgangssprachlich formuliert: das Kleingedruckte. Laut Gesetz sind die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) alle "für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (der Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt". Es handelt sich also gewissermaßen um die Spielregeln, die ein Unternehmen seinen Kunden vorgeben kann, wenn sie mit ihm Geschäfte machen. Voraussetzung für die Gültigkeit ist, dass der Verwender die Kunden vor Vertragsschluss erkennbar auf diese AGB hinweist oder zumindest die "Möglichkeit der Kenntnisnahme" schafft, etwa durch Aushang. Die AGB dürfen aber den Verbraucher nicht unangemessen benachteiligen, etwa weil sie von wesentlichen Gedanken der Gesetzeslage abweichen. Diese Fragen können grundsätzlich von Gerichten überprüft werden.

Wo genau liegt in diesem Fall das Problem?

Amazon Europa hat seinen Sitz in Luxemburg. Der Verein für Konsumenteninformation stößt sich vor allem an einer Klausel in den AGB, in der es für online geschlossene Verträge heißt "Es gilt luxemburgisches Recht unter Ausschluss des UN-Kaufrechts". Der VKI argumentiert, dass diese Aussage falsch sei: Nach EU-Recht dürfe der Verbraucher sich auch auf das Recht "seines" Staates berufen. Darum sei die Klausel missverständlich.

Für die österreichischen Gerichte stellte aber sich zunächst die Frage, ob sie die Klausel, um die es geht, überhaupt nach österreichischem Recht prüfen dürfen. Auf einer zweiten Ebene sei dann zu klären, ob die fragliche Klausel möglicherweise bei den Kunden falsche Vorstellungen hervorrufe und darum rechtsmissbräuchlich sei.

Was sagt der Generalanwalt dazu?

Der gibt den österreichischen Verbraucherschützern in seinem Schlussantrag Recht. Zur ersten Frage verweist der Generalanwalt auf die sogenannte Rom II-Verordnung der EU. Aus dieser EU-Vorschrift gehe hervor, dass für Unterlassungsklagen eines österreichischen Verbraucherschutzverbandes allein österreichisches Recht anwendbar sei. Die österreichischen Gerichte dürften den Fall also nach "ihren" Regeln entscheiden.

Auch auf der zweiten Ebene, also der Frage, inwieweit die fragliche Rechtswahlklausel in Ordnung ist, liegt der Generalanwalt auf der gleichen Linie wie die Verbraucherschützer. Das EU-Recht lege klar fest, dass für Online-Verträge das jeweilige Recht des Staates anwendbar sei, in dem der Verbraucher lebt. Eine AGB-Klausel sei missbräuchlich, wenn sie den Eindruck erwecke, dem sei nicht so.  

Die zugrundeliegende Frage, welches Recht denn auf die Online-Verträge anwendbar sei, ist also eigentlich gar nicht strittig: Wer in Deutschland bei Amazon bestellt, kann sich auf deutsches Recht berufen, wer in Österreich bei Amazon bestellt, kann sich auf österreichisches Recht berufen, und so weiter. Dann aber müsse laut Generalanwalt die Klausel das auch genau aussagen.

Sollte sich das Gericht in seinem Urteil dem Gutachten des Generalanwalts anschließen, wäre das ein deutlicher Sieg für die Verbraucherschützer und eine Schlappe für Amazon. 

Was bedeutet das Urteil für Deutschland?

Amazon verwendet die fragliche Klausel auch in seinen "deutschen" AGBs. Die Entscheidung des EuGH ist darum also auch von Interesse für die deutschen Verbraucher, bzw. Verbraucherschutzverbände:  Sollte der EuGH also die Klausel in ihrer gegenwärtigen Form als rechtsmissbräuchlich bewerten, dann müsste Amazon sie ändern, und zwar nicht nur in Österreich, sondern auch im Rest der EU, auch in Deutschland.