LEDs leuchten in einem Serverschrank in einem Rechenzentrum.
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Künstliche Intelligenz Klimakiller oder Klimaretter?

Stand: 08.12.2023 08:22 Uhr

Künstliche Intelligenz soll dem Menschen helfen - idealerweise auch beim Klimaschutz. Bislang aber verbraucht KI mit immensen Rechenleistungen vor allem Energie.

Von Lukas Wiehler, ARD-Finanzredaktion

300 Milliarden E-Mails, 100 Milliarden Instant-Nachrichten, knapp 600.000 Minuten Material auf YouTube: So viele digitale Inhalte schwirren jeden Tag durchs World Wide Web - mit Folgen auch für Klima und Umwelt. "Rechner verbrauchen immens viel Strom und Energie", sagt Volker Lindenstrut der Universität Frankfurt. "Bei unserem heutigen Energiemix, der immer noch weit von hundert Prozent regenerativer Energie entfernt ist - und ich fürchte, das wird auch noch eine Weile dauern -, heißt das, dass jede Kilowattstunde, die wir verbrauchen, irgendwo CO2-Emissionen generiert."

Bald 30 Prozent Anteil am Energieverbrauch?

Alleine die digitalen Systeme und Rechenzentren verbrauchen rund vier Prozent des weltweiten Stromverbrauchs; zählt man alle Endgeräte dazu, liegt der Anteil sogar bei acht Prozent. Tendenz steigend: In den nächsten Jahren könnte der Anteil auf 30 Prozent steigen, warnt Ralf Herbrich, Geschäftsleiter des Hasso-Plattner-Instituts. Er forscht unter anderem zu Künstlicher Intelligenz und Nachhaltigkeit. Ein Hauptgrund für den steigenden Stromkonsum sei Künstliche Intelligenz, die sehr energieintensive Systeme benötige.

"Das liegt daran, dass es sehr kompliziert ist, ein intelligentes Verhalten zu berechnen", sagt Herbrich und verweist auf eine Statistik. "In den letzten zehn Jahren hat sich der Energie- und Rechenaufwand, der notwendig ist, um ständig genauere Modelle zu bekommen, alle dreieinhalb Monate verdoppelt." Das zeige, dass der Energieverbrauch durch KI sehr stark wachse. Wenn beispielsweise alle Google-Anfragen künftig KI nutzten, würde allein das aufs Jahr gerechnet mehr Strom kosten als der gesamte Jahresverbrauch Irlands.

Großes Potenzial für den Klimaschutz

Aber Künstliche Intelligenz und Automatisierung bieten auch neue Chancen, um das Klima zu schützen. So beschäftigt sich Herbrich auch mit sogenannter "Clean IT". "Hinter dem Begriff verbirgt sich sowohl, welche Hardware wir benutzen - also welche Chips und welche Netzwerkadapter. Aber auch, welche Software, und vor allen Dingen auch, wie wir diese Software erstellen", erläutert der Wissenschaftler. Die zentrale Frage: "Wie können wir Künstliche Intelligenz gezielter und besser einsetzen, um den Energieverbrauch zu reduzieren, die Energiespeicherung zu optimieren, aber auch den Energieverbrauch von sich selbst zu minimieren?"

Zum Beispiel könnte KI Transporte koordinieren und effizienter machen, smarte Häuser könnten den Energieverbrauch senken, und KI-gesteuerte Sensoren könnten Waldbrände früh erkennen und so den Klimaschaden minimieren.

KI verzeiht Rechenfehler und falsches Runden

Aber auch die IT-Systeme selbst könnten effizienter werden. Potenzial gibt es vor allem bei zu komplizierten Programmierungen und mangelhaftem IT-Systemdesign. Herbrich gibt ein Beispiel: Ursprünglich sei der Computer entwickelt worden, um im Finanzwesen fehlerfrei zu rechnen. KI hingegen brauche nicht immer Rechengenauigkeit. "Das heißt, heute wird schon mit viel geringerer Zahlenpräzision und mit Rundungsfehlern gerechnet, um Künstliche Intelligenz zu ermöglichen", so Herbrich. Allein das spare schon das Zehnfache an Energie ein.

Auch die Politik möchte künftig Energieeinsparungen durch KI und Automatisierung fördern. Im März 2022 hat der IT-Planungsrat der Bundesregierung Empfehlungen zur "Green IT" herausgegeben. Außerdem sollen alle Bundesländer künftig "Green IT"-Beauftragte bekommen. Angesicht der Geschwindigkeit und Profitabilität der Digitalisierung geht dieser Ansatz Kritikern jedoch nicht weit genug. Die Politik solle größere Anreize für "Green IT" setzten, um das Klima effektiv zu schützen.

Lukas Wiehler, NDR, tagesschau, 06.12.2023 15:01 Uhr