Die Angeklagten im Cum-Ex-Steuerskandal stehen in Frankfurt/Main vor Prozessbeginn mit ihren Anwälten im Gerichtssaal zusammen. (Archivbild: 07.09.2023)

Wegen Cum-Ex-Geschäften Erstmals Ex-Steueranwalt von Großkanzlei verurteilt

Stand: 30.01.2024 14:46 Uhr

Das Landgericht Frankfurt am Main hat einen Top-Juristen wegen Beihilfe zu schwerer Steuerhinterziehung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Erstmals wurde ein Ex-Anwalt einer Großkanzlei wegen Cum-Ex-Deals belangt.

Im milliardenschweren Steuerskandal um Cum-Ex-Aktiengeschäfte ist das nächste Urteil gefallen. Das Landgericht Frankfurt am Main verhängte eine Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten gegen Ulf Johannemann, einen früheren Top-Anwalt der Großkanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, wegen Beihilfe zu schwerer Steuerhinterziehung in vier Fällen.

Damit wurde erstmals ein Steueranwalt einer Großkanzlei für seine Beraterrolle im Cum-Ex-Komplex strafrechtlich belangt. Gegen das Urteil können Rechtsmittel eingelegt werden.

Neben Johannemann wurde auch ein ehemaliger Angestellter der mittlerweile insolventen Maple Bank verurteilt. Er bekam zwei Jahre Haft auf Bewährung wegen Steuerhinterziehung. Er hatte bereits zum Prozessauftakt ein Geständnis abgelegt. 

Mit Gefälligkeitsgutachten den Fiskus geprellt

Johannemann hatte die Maple Bank bei Cum-Ex-Deals beraten, bei denen lange unklar war, ob sie illegal waren. Freshfields erstellte Gutachten über die steuerliche Zulässigkeit der Aktien-Deals. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main hatte dem Steuerrechtler vorgeworfen, er habe mit "Gefälligkeitsgutachten" die Täuschung des Fiskus mit ermöglicht.

Die in Frankfurt am Main ansässige Maple Bank verursachte mit Cum-Ex-Geschäften laut Anklage einen Steuerschaden von rund 388 Millionen Euro - bis sie 2016 selbst Insolvenz anmeldete, weil wegen einer Steuerrückstellung zu Cum-Ex-Geschäften die Überschuldung drohte.

Gesamtschaden von mindestens zehn Milliarden Euro

Bei Cum-Ex-Deals, die ihre Hochphase zwischen 2006 und 2011 hatten, ließen sich Anleger einmal gezahlte Kapitalertragssteuer auf Aktiendividenden mithilfe von Banken mehrfach erstatten und prellten den Staat geschätzt um mindestens zehn Milliarden Euro.

Dazu verschoben sie um den Stichtag der Dividendenzahlung herum untereinander Aktien mit - also cum - und ohne - ex - Dividendenanspruch. Dabei nutzten sie eine Gesetzeslücke. Erst im Jahr 2012 wurde das Schlupfloch geschlossen. 2021 entschied der Bundesgerichtshof, dass Cum-Ex-Geschäfte als Steuerhinterziehung zu werten sind.

Die Fälle hatten weite Kreise gezogen, bei Banken und Anwaltskanzleien gibt es deswegen immer wieder Durchsuchungen. Vor dem Landgericht Bonn muss sich aktuell der ehemalige Chef der Hamburger Privatbank Warburg, Christian Olearius, gegenüber dem Vorwurf von Cum-Ex-Geschäften verantworten.

Aktenzeichen: 5/24 KLs 7480 Js 208433/21 (2/21)

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 30. Januar 2024 um 14:40 Uhr.