Übernahme in den USA Bayer investiert Milliarden in Gentherapien

Stand: 26.10.2020 12:59 Uhr

Große Hoffnungen setzt "Big Pharma" in Gentherapien. Sie sollen bislang kaum therapierbare Krankheiten heilen. Um das riesige Potenzial zu erschließen, kauft Bayer für mehrere Milliarden Dollar eine US-Firma.

Gen- und Zelltherapien werden von vielen Pharmaunternehmen aktuell stark erforscht. Sie sollen gerade bei seltenen Erkrankungen Heilung bringen und bei weit verbreiteten Krankheiten wie etwa Herzinsuffizienz neue Therapieansätze ermöglichen. Sie zielen darauf ab, Krankheiten zu heilen, indem die fehlende oder defekte Version eines Gens in den Zellen eines Patienten durch ein intaktes Gen ersetzt wird. So bietet der schweizerische Pharmakonzern Novartis seit Kurzem mit Zolgensma eine Gentherapie gegen die Spinale Muskelathrophie (SMA) an, eine Erbkrankheit, die Muskelschwund auslösen kann. Die Erkrankung betrifft eines von ungefähr 10.000 Neugeborenen. Das Mittel gilt mit einem Listenpreis von 2,1 Millionen Dollar in den USA als teuerstes Medikament der Welt.

Gentherapien haben riesiges Zukunftspotenzial

Zahlreiche Pharma-Riesen mischen im vielversprechenden Geschäft mit Gentherapien mit. Laut der US-Gesundheitsbehörde FDA wird zurzeit an über 900 potenziellen Produkten gearbeitet. Die Behörde rechnet damit, dass es ab 2025 jährlich 10 bis 20 Zulassungen geben wird. Bisher sind jedoch erst eine Hand voll an Therapien zugelassen.

Mit Milliarden-Übernahmen drängt "Big Pharma" in den Markt. Roche schluckte jüngst die US-Firma Spark Therapeutics für 4,3 Milliarden Dollar. Und der japanische Pharmakonzern Astellas erwarb für drei Milliarden Dollar die US-Firma Audentes Therapeutics.

Vier Milliarden Dollar für AskBio

Nun stemmt auch Bayer einen Milliardenzukauf, um sein Gentherapien-Geschäft zu stärken. Gut zwei Jahre nach dem Mega-Deal mit Monsanto übernimmt Bayer für bis zu vier Milliarden Dollar das US-Biotechunternehmen Asklepios BioPharmaceutical (AskBio). Zunächst zahlt Bayer zwei Milliarden Dollar, außerdem wurden erfolgsabhängige Meilensteinzahlungen von bis zu zwei Milliarden Dollar vereinbart. "Diese Akquisition bringt den Aufbau unseres Zell- und Gentherapiebereichs wesentlich voran", sagte Bayer-Chef Werner Baumann.

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Das 2001 gegründete Unternehmen aus dem US-Bundesstaat North Carolina hat sich auf Gentherapien auf Basis von harmlosen adeno-assoziierten Viren spezialisiert. Diese Therapien zählen derzeit zu den teuersten Arzneien der Welt.

Therapien für Parkinson und Stoffwechselkrankheit

AskBio hat Therapien für die Stoffwechselkrankheit Morbus Pompe, für Parkinson und Herzinsuffizienz in der frühen klinischen Entwicklung. Mit Blick auf eine mögliche Zulassung solcher Therapien im Erfolgsfall könne es gerade bei monogenetischen Erkrankungen, bei denen also ein Gendefekt die Ursache ist, wie Morbus Pompe, vergleichsweise schnell gehen, sagte AskBio-Chefin und -Mitgründerin Sheila Mikhail.

"Durch den Kauf macht unser noch junges Zell- und Gentherapiegeschäft einen großen Sprung", sagte Bayer-Pharmachef Stefan Oelrich. Der Manager sieht AskBio als Ergänzung zum 2019 übernommenen Stammzellspezialisten BlueRock Therapeutics, der sich unter anderem auf neurologische und kardiologische Krankheiten fokussiert.

Bayer muss Pharma-Pipeline stärken

Mit dem Milliarden-Deal unternimmt Bayer zudem einen weiteren Schritt zur dringend benötigten Stärkung seiner Pharma-Pipeline. Dies ist nötig, da die Patente seiner Kassenschlager - des Gerinnungshemmers Xarelto und des Augenmittels Eylea - Mitte des Jahrzehnts auslaufen. Dann drohen durch Konkurrenzprodukte erhebliche Umsatzeinbußen. Erst im August hatte sich der Konzern ein neues Medikament mit Milliarden-Umsatzpotenzial gesichert, einen Wirkstoff der britischen Biotechfirma Kandy Therapeutics zur Linderung menopausaler Probleme.

Die seit Wochen unter Druck stehende Bayer-Aktie legt am Montag um ein Prozent zu - gegen den schwachen Markttrend. In der vergangenen Woche war der Titel auf ein Neunjahres-Tief gefallen. Analyst Keyur Parekh von Goldman Sachs wertete die Übernahme des US-Unternehmens Asklepios BioPharmaceutical als strategisch positiv. Die Pipeline von Produkten in früher Entwicklungsphase werde verbessert und so der Einfluss des Patentauslaufs von Xarelto und Eylea in den einigen Jahren möglicherweise abgemildert, so Parekh.

nb