Bernhard Krüsken gibt ein Pressestatement
analyse

Ampel trifft Bauernvertreter "Keine Lösung in Sicht"

Stand: 15.01.2024 20:01 Uhr

Nach einem Gespräch mit den Ampelfraktionen zeigen sich die Bauernvertreter ernüchtert. Keine weitere Rücknahme der Kürzungen - aber Entlastung hat die Koalition zugesagt. Darüber, was das konkret heißt, geht der Streit wohl weiter.

Von Oliver Sallet, ARD Berlin

Als Christian Lindner die Bühne vor dem Brandenburger Tor betritt, weht ihm ein eisiger Wind entgegen. "Hau ab", rufen sie im Sprechchor. Vor ihm verschaffen etwa 10.0000 Landwirte, aber auch Teilnehmer anderer Branchen, aus ganz Deutschland ihrem Ärger Luft. Lindners Rede geht unter in einem Meer von Pfiffen und Buhrufen.

Auch er komme vom Land, ruft Lindner zurück. Er wisse, wie es sei, einen Pferdestall auszumisten. Die Sympathiebekundungen bleiben erfolglos. Am Ende muss Bauernpräsident Joachim Rukwied einspringen: Man solle ihn zumindest anhören, "das gebührt der Respekt".

Die Szene vom Brandenburger Tor könnte symbolischer kaum sein. Die Stimmung ist eisig, man versucht sich im Dialog, aber weiter kommt man nicht. Lindner verteidigt die Kürzungen bei den Dieselsubventionen, auch die Landwirtschaft habe ihren Beitrag zu nötigen Einsparungen zu leisten. Sein Angebot, ganz der FDP-Chef: Bürokratieabbau und mehr unternehmerische Freiheit - den Bauern scheint es kaum zu genügen.

Politik signalisiert Zugeständnisse

Beim zeitgleichen Treffen im Bundestag zwischen den Vorsitzenden der Ampelfraktionen und Vertretern von Verbänden dürfte es ruhiger zugegangen sein, wenn auch ähnlich hart in der Sache. Das Kernthema auf der Tagesordnung waren auch hier die Kürzungen der Agrarsubventionen, allen voran der Agrardiesel. Die Bauern fordern, dass die Ampelkoalition den in Schritten geplanten Abbau der Subvention komplett zurücknimmt.

Treffen zwischen Bauernvertretern und Fraktionsspitzen der Ampel

Alexander Budweg, ARD Berlin, tagesthemen, 15.01.2024 21:45 Uhr

Die Fraktionsspitzen lehnen das ab, versprechen aber im Anschluss an die Gespräche Entlastungen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich etwa kündigt an, die Koalition plane bis zur Sommerpause "strukturelle Entscheidungen", die der Landwirtschaft Planungssicherheit geben sollten. Am Donnerstag wolle die Koalition im Bundestag einen Entschließungsantrag für Erleichterungen bis zur Sommerpause einbringen.

Kaum Spielraum bei den Kürzungen

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sieht zwar ebenfalls kaum Spielraum bei den geplanten Kürzungen. Sie fordert jedoch eine Diskussion darüber, wie trotz konkreter Herausforderungen durch Klimawandel, Wettbewerb und Transformation mehr Einkommen auf den Höfen bleiben könnte. Die Marktmacht des Großhandels sei zu groß und Preise würden diktiert. 

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr sieht Landwirte als Unternehmer. Er fordert faire politische Rahmenbedingungen und den Abbau von Bürokratie, denn die Belastungen gingen "weit über den Agrardiesel hinaus".

Die Verbandsvertreter scheinen sich indes keine allzu großen Hoffnungen zu machen. So beklagt etwa Bernhard Krüsken vom Deutschen Bauernverband, dass man sich über viele Themen unterhalten habe, über die schon seit Jahren gesprochen werde, aber man in der eigentlichen Kernfrage Agrardiesel "noch keine Lösung" gefunden habe. Tina Andres vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft wirft der Ampel vor, zwar mehr Zukunft wagen zu wollen, dann aber die Landwirte "am Altar stehen zu lassen"

Probleme bekannt, getan wurde nichts

Einig scheinen die Vertreter und die Politik darin, dass es keiner neuen Problemanalyse bedürfe - sei es aus Zeitgründen, da der Haushalt bereits kurz vor der Verabschiedung steht, oder einfach deshalb, weil bereits in der Vergangenheit zwei Kommissionen ihre Arbeit getan hätten. So verweist Grünen-Fraktionschefin Haßelmann darauf, dass es kein "Erkenntisdefizit" gebe, wohl aber ein "Handlungsdefizit". In anderen Worten: Die Probleme sind seit Jahren bekannt, einzig getan wurde bislang nichts.

Die Politik gelobt Besserung. Wie diese aussehen soll, darüber geht der Streit nun wohl weiter. Auch Theresa Schmidt vom Bund der Deutschen Landjugend sieht beim Agrardiesel "keine Lösung in Sicht" und betont, Landwirte würden mit dem Geld "nicht in den Urlaub fahren", sondern es in ihre Betriebe investieren.

Rukwied: Der teuerste Agrardiesel Europas

"Keinen echten Schritt nach vorne gekommen" sei man, konstatiert Bauernpräsident Rukwied im Anschluss in einer Pressekonferenz und erhöht noch einmal den Druck auf die Ampel. Man habe über Themen diskutiert, "über die wir seit 30 Jahren ergebnislos diskutieren". Mit der Abschaffung der Subventionen würden Landwirte in Deutschland gemeinsam mit den Niederlanden "den teuersten Agrardiesel Europas fahren". 

Enttäuschung bei den Bauernverbänden nach Gesprächen mit Ampelpolitikern

Tina von Löhneysen, RBB, tagesschau, 15.01.2024 20:00 Uhr

Bis Donnerstagabend müsste ein Ergebnis her, also zum Abschluss der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses im Bundestag. Die Proteste wären dann sofort zu Ende, wenn die Bundesregierung ihre Pläne zurückziehe. Andernfalls behalte man sich weitere Aktionen vor. 

Die Ampel hat ihre Haltung klargemacht: Finanzminister Lindner will bei der schrittweisen Abschaffung der Subvention bleiben. Die Fronten zwischen den Bauern und der Bundesregierung bleiben also vorerst verhärtet. Einzig der Dialog ist angeschoben. "Ich höre Sie", rief Lindner den Demonstranten vor dem Brandenburger Tor zu. Es ging im Pfeifen und den Buhrufen der Massen unter.