Demonstranten im Stadtzentrum von Tel Aviv fordern die Freilassung der Geiseln
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Nahost-Krieg ++ Tausende demonstrieren für Geisel-Freilassung ++

Stand: 16.03.2024 23:03 Uhr

Tausende Menschen haben in Tel Aviv und anderen israelischen Städten für die Freilassung von Geiseln demonstriert. Die WHO ruft Israel zum Verzicht auf die Rafah-Offensive auf. Der Liveblog vom Samstag zum Nachlesen.

16.03.2024 • 23:01 Uhr

Ende des Liveblogs

Hiermit schließen wir den Liveblog für heute. Vielen Dank für Ihr Interesse - und bis morgen!

Tausende Menschen haben in Tel Aviv und anderen israelischen Städten für die Freilassung von Geiseln aus der Gewalt der islamistischen Hamas und gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu demonstriert.

Angehörige der Geiseln, die im Gazastreifen festgehalten werden, forderten einen neuen Geisel-Deal und riefen die Regierung zu schnellem Handeln auf. Mehrere Demonstrationen verteilten sich in Tel Aviv und blockierten zentrale Verkehrsadern der Küstenmetropole.

Bei einigen Kundgebungen kam es zu chaotischen Szenen zwischen der Polizei und Demonstranten. Mancherorts legten Menschen kleinere Feuer, zündeten Rauchbomben und forderten in Sprechchören die Freilassung der Geiseln.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat an Israel appelliert, "im Namen der Menschlichkeit" auf die geplante Offensive in Rafah im Süden des Gazastreifens zu verzichten. Er sei "zutiefst besorgt" über Berichte, wonach Israel eine Bodenoffensive in Rafah plane, erklärte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus im Onlinedienst X. Eine weitere Eskalation der Gewalt in dem dicht besiedelten Gebiet "würde noch mehr Tote und Leid nach sich ziehen".

Erstmals hat auch die Bundeswehr Hilfsgüter über dem Gazastreifen abgeworfen - Mehl und Reis für die notleidende Bevölkerung. Außerdem kamen Lebensmittel per Schiff. Wo liegen die Probleme beim Transport - und was ist noch geplant? Ein Überblick.

Israel befindet sich nach den Worten des Generalstabschefs Herzi Halevi in einem Mehrfrontenkrieg. Jedes Ereignis und jeder Zwischenfall an einer der Fronten könnten sich auf andere Regionen auswirken und dort eine Reaktion hervorrufen, sagte Halevi bei einem Besuch von Grenzpolizisten im Westjordanland.

Die israelische Armee veröffentlichte erst am Samstag die Worte des Militärchefs. Angesichts des muslimischen Fastenmonats Ramadan seien alle Sicherheitskräfte besonders wachsam, betonte er.

Halevi nannte in dem Zusammenhang den Libanon, Syrien, das Westjordanland, Gaza und «auch weiter weg». Das Augenmerk der Armee und aller anderen Einsatzkräfte müsste auf dem gesamten Zeitraum des Ramadan und allen Fronten liegen.

Bundeskanzler Olaf Scholz ist zu einem Besuch in Jordanien eingetroffen, wo er politische Gespräche über die Lage in Gaza führen will. In der Stadt Akaba wird Scholz am Sonntag mit König Abdullah II. zusammentreffen, dessen Land die Luftbrücke zur Versorgung der Palästinenser im Gazastreifen initiiert hat.

Auch die Bundeswehr beteiligt sich inzwischen am Abwurf von Hilfsgütern über dem Palästinensergebiet, Start- und Landepunkt der Hercules-Transportmaschinen der Luftwaffe ist ein Stützpunkt in Jordanien.

Nach Schüssen nahe der Stadt Hebron im Westjordanland haben israelische Soldaten Militärangaben zufolge einen bewaffneten Palästinenser getötet. Der Angreifer habe unweit eines israelischen Siedlungsviertels das Feuer eröffnet, teilte die Armee mit.

Soldaten in der Nähe hätten den bewaffneten Mann dann "neutralisiert". Es gab zunächst keine Berichte über Verletzte. Der bewaffnete Arm der islamistischen Hamas, die Kassam-Brigaden, reklamierte den Anschlag für sich.

Menschenrechtsaktivisten haben scharfe Kritik an den Haftbedingungen für Palästinenser in israelischen Gefängnissen geäußert. "Wir sind äußerst besorgt", sagte die Vorsitzende des Öffentlichen Komitees gegen Folter in Israel (PCATI), Tal Steiner, der Nachrichtenagentur AFP. 

Es gebe fast 10.000 palästinensische Häftlinge in Israel, dies sei ein Anstieg "um 200 Prozent im Vergleich zu einem normalen Jahr". Seit dem Beginn des Krieges zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas im Oktober habe sich die Lage deutlich verschlechtert. 

16.03.2024 • 16:10 Uhr

Scholz warnt vor Offensive in Rafah

Bundeskanzler Olaf Scholz hat erneut vor der von Israel angekündigten Offensive auf Rafah im Süden des Gazastreifens gewarnt. "Wir machen uns Sorgen über den weiteren Fortgang der militärischen Entwicklung", sagte Scholz vor seinem Abflug zu politischen Gesprächen in Jordanien und Israel.

Es bestehe die Gefahr, dass es bei einer umfassenden israelischen Offensive in Rafah zu "sehr vielen furchtbaren zivilen Opfern kommt". Dies müsse "unbedingt vermieden werden".

Zugleich drang der deutsche Regierungschef auf eine rasche Waffenpause. "Wichtig wäre, dass es jetzt ganz schnell zu einer Verständigung kommt über eine Waffenpause, die es ermöglicht, dass die Geiseln freigelassen werden und die gleichzeitig auch humanitäre Hilfe nach Gaza kommen lässt."

Die Gespräche über eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas sollen offenbar mit hochrangigen Teilnehmern am Sonntag in Katar fortgesetzt werden. Das berichtete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf eine mit der Angelegenheit vertraute Person. Erwartete Teilnehmer des Treffens in Doha seien demnach der Chef des israelischen Geheimdiensts Mossad, David Barnea, der katarische Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani und Vertreter Ägyptens.

Die Nachrichtenagentur AP berichtete ebenfalls über eine Fortsetzung der Gespräche am Sonntag und berief sich dabei auf zwei ägyptische Behördenvertreter, von denen einer an den Gesprächen beteiligt ist und der andere über sie informiert wurde. Laut den Angaben würden die Gespräche möglicherweise auch erst am Montag wieder aufgenommen.

Es wäre das erste Mal seit dem Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan, dass es wieder zu indirekten Gesprächen beider Seiten kommt. Internationale Vermittler hatten zunächst gehofft, vor dem Ramadan eine sechswöchige Waffenruhe zu vereinbaren. Die Hamas verweigerte sich jedoch jeder Übereinkunft, die hinter einem dauerhaften Waffenstillstand zurückbleibt, was wiederum von Israel zurückgewiesen wurde.

Die Zahl der im Krieg im Gazastreifen getöteten Palästinenserinnen und Palästinenser soll auf 31.553 gestiegen sein. Das teilte das von der militant-islamistischen Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium mit. Das Ministerium unterscheidet in seiner Aufzählung nicht zwischen Zivilisten und Militanten, hat aber erklärt, zwei Drittel der Getöteten seien Kinder und Frauen.

Das Kinderhilfswerk UNICEF warnt vor einem dramatischen Anstieg von Mangelernährung bei Kindern im Gazastreifen. Im Norden des Gazastreifens sei fast jedes dritte Kind (31 Prozent) unter zwei Jahren akut mangelernährt, teilte das UN-Hilfswerk mit. Noch im Januar seien es 15,6 Prozent der Kinder gewesen. Durch die weitreichenden Auswirkungen des Krieges sowie die anhaltenden Einschränkungen bei der Bereitstellung von Hilfsgütern habe die Mangelernährung bei Kindern im Gazastreifen "ein verheerendes, noch nie dagewesenes Ausmaß" erreicht.

Erstmals erhobene Daten in Khan Younis im mittleren Teil des Gazastreifens zeigten, dass dort 28 Prozent der Kinder unter zwei Jahren akut mangelernährt seien. Zehn Prozent von ihnen litten bereits unter schwerer Auszehrung. Das gehe aus einer Erhebung hervor, die UNICEF und Partnerorganisationen im Februar im Norden des Gazastreifens durchgeführt hätten. Selbst in Rafah, mit dem einem besseren Zugang zu Hilfsgütern, habe sich die Zahl der akut mangelernährten Kinder unter zwei Jahren von fünf Prozent im Januar auf zehn Prozent Ende Februar verdoppelt.

Die Luftwaffe hat ihren Hilfseinsatz über dem umkämpften Gazastreifen begonnen. Nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums wurden am Samstag erste Hilfsgüter aus einem Transportflugzeug an Fallschirmen abgeworfen. Die Bundeswehr hatte für die Beteiligung zwei in Frankreich stationierte C-130-"Hercules"-Transportflugzeuge in die Region verlegt. Jede Maschine kann dabei bis zu 18 Tonnen Last transportieren. Die Flugzeuge werden von Jordanien aus eingesetzt.

Blick aus dem Flugzeug als ein Hilfspaket am Fallschirm über dem Gazastreifen abgeworfen wird.

Laut der Luftwaffe wurden vier Tonnen Lebensmittel über dem Norden des Gazastreifens aus circa 1.000 Metern Höhe aus einer Transportmaschine vom Typ C-130 "Hercules" abgeworfen.

Mit dem Einsatz beteiligt sich die Bundeswehr an der Luftbrücke für Gaza, die von dem arabischen Land initiiert wurde. Auch andere Partner wie die USA oder Frankreich beteiligen sich an der Initiative. 

Die deutsche Luftwaffe hat vier Tonnen Hilfsgüter über Gaza abgeworfen

Nina Rieger, BR, tagesschau, 16.03.2024 13:45 Uhr

Die Hilfsgüter des ersten über den neuen Seekorridor an die Küste des Gazastreifen gefahrenen Schiffs sind nach Angaben einer US-Hilfsorganisation vollständig entladen worden. "Die gesamte Ladung wurde entladen und wird nun für die Verteilung in Gaza vorbereitet", erklärte die NGO World Central Kitchen am Samstag. Sie machte keine Angaben dazu, wann und wo die Hilfsgüter verteilt werden sollten. 

Das Schiff "Open Arms" hatte den Lastkahn, der nach Angaben von World Central Kitchen knapp 200 Tonnen Lebensmittel geladen hatte, aus Zypern an die Anlegestelle im Südwesten der Stadt Gaza geschleppt. Dort wurde die Ladung auf zwölf Lastwagen verteilt. Mit den gelieferten Lebensmitteln sollen Mahlzeiten für die Bewohner des nördlichen Gazastreifens zubereitet werden, wo die humanitäre Lage besonders prekär ist. 

Bundeskanzler Olaf Scholz bricht am Nachmittag zu einer zweitägigen Nahost-Reise auf. Stationen sind Jordanien und Israel. Zentrale Themen sind der Gaza-Krieg und die bessere Versorgung der dortigen Bevölkerung mit Hilfsgütern. Am Sonntag trifft Scholz in der Stadt Akaba zunächst den jordanischen König Abdullah II., dessen Land die Luftbrücke zur Versorgung der Palästinenser im Gazastreifen organisiert hat; an ihr beteiligt sich nun auch Deutschland mit zwei Bundeswehr-Maschinen.

Danach reist Scholz nach Tel Aviv weiter. Geplant sind Gespräche mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und Präsident Izchak Herzog. Es ist das zweite Mal, dass Scholz seit dem Großangriff der militant-islamistischen Hamas auf Israel vom 7. Oktober in die Region reist. Er hatte zehn Tage danach als erster Regierungschef Israel besucht. 

Die Fatah-Bewegung hat auf Kritik der Hamas zur Ernennung des neuen Ministerpräsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) reagiert. Die Hamas habe mit ihrem Angriff auf Israel vom 7. Oktober eine "Rückkehr der israelischen Besatzung des Gazastreifens" verursacht. Dies habe zu einer "schlimmeren und grausameren Katastrophe" geführt als die Katastrophe im Jahr 1948, ein Verweis auf die Vertreibung von rund 760.000 Palästinensern bei der Gründung Israels. Es sei die Hamas-Führung, die von der Realität und den Palästinensern abgekoppelt sei, erklärte die Fatah.

Palästinenserpräsident Abbas von der Fatah im Westjordanland hatte seinen langjährigen Wirtschaftsberater Mustafa am Donnerstag zum neuen Ministerpräsidenten ernannt.

Hochrangige Vertreter der islamistischen Hamas und der pro-iranischen Huthi-Miliz aus dem Jemen haben nach Angaben aus Palästinenserkreisen bei einem Treffen über eine "Koordinierung" ihres Vorgehens gegen Israel gesprochen. Aus Kreisen der Hamas und des Islamischen Dschihad berichtete die Nachrichtenagentur AFP, Anführer der beiden Palästinensergruppen, der marxistischen Volksfront zur Befreiung Palästinas und Huthi-Vertreter hätten das "wichtige" Treffen in der vergangenen Woche abgehalten.

Die Hamas kritisiert die Ernennung des neuen Ministerpräsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mohammad Mustafa, durch Präsident Mahmud Abbas. "Wir lehnen es ab, diesen Ansatz fortzusetzen, der unserem Volk und unserer nationalen Sache Schaden zugefügt hat und weiterhin zufügt", teilte die Hamas in einer Erklärung mit. Die Hamas erklärte, die Entscheidung sei getroffen worden, ohne sie zu konsultieren, obwohl sie kürzlich an einem Treffen in Moskau teilgenommen hatte, bei dem auch Abbas' Fatah-Bewegung zugegen war.

Das Verfahren gegen Deutschland wegen Beihilfe zu einem mutmaßlichen Völkermord an Palästinensern soll im April beginnen. Israel hat den USA in einem Brief versichert, US-Waffen gemäß internationalen Rechts einzusetzen. Der Liveblog zum Nachlesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 17. März 2024 um 08:00 Uhr.