Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan steht bei einem Wahlkampfauftritt auf einer Bühne und spricht in ein Mikrofon.
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Nahost-Krieg ++ Türkei führt Gespräche mit der Hamas ++

Stand: 17.04.2024 23:32 Uhr

Die Türkei versucht, im Gaza-Krieg in eine Vermittlerrolle zu kommen. Außenminister Fidan traf dazu in Katar Hamas-Auslandschef Hanija. Israel wehrt sich gegen Bevormundung von außen. Alle Entwicklungen im Liveblog.

17.04.2024 • 23:32 Uhr

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Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat bei ihrem Besuch in Israel die militant-islamistische Hamas aufgerufen, die im Gazastreifen festgehaltenen israelischen Geiseln freizulassen. "Hamas-Anführer Sinwar hat es in der Hand: Die Geiseln könnten heute freikommen", erklärte Baerbock im Onlinedienst X. Stattdessen spiele der Hamas-Chef im Gazastreifen mit der eigenen Bevölkerung und israelischen Zivilisten "ein zynisches Spiel". "Wie perfide kann man sein. Lassen Sie endlich diese unschuldigen Kinder, Frauen und Männer frei", forderte Baerbock.

Zugleich appellierte sie an Israel, die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen verstärkt mit Hilfsgütern zu versorgen. Deutschland lasse nicht zu, "dass sich die Blicke der Weltgemeinschaft von den Menschen in Gaza abwenden". Die Ministerin rief Israel auf, "die dritte Phase des humanitären Korridors von Jordanien nach Gaza" sowie eine sichere Verteilung der Hilfslieferungen in dem Palästinensergebiet zu ermöglichen. "Bis zu hundert Lkw pro Tag mit Hilfe sind so möglich", erklärte sie.

Die israelische Armee hat sich nach Angaben von Einwohnern aus der Ortschaft Beit Hanun im Nordosten des Gazastreifens zurückgezogen. Ein Armeesprecher sagte, man prüfe die Berichte. Israelische Militäreinsätze in dem Gebiet hätten schwere Zerstörungen hinterlassen, sagten Augenzeugen. Dutzende Männer seien dort festgenommen und in israelische Gefängnisse zum Verhör gebracht worden. 

Anwohner berichteten außerdem, Israels Militär habe auch im Flüchtlingsviertel Nuseirat im zentralen Teil des Gazastreifens einen Einsatz beendet. Dieser dauerte rund eine Woche an.

Bundeskanzler Olaf Scholz sieht einen möglichen Ansatz für die von Israel geforderte Einstufung der iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation. Es gebe ein Urteil zu der Frage der Aktivitäten dieser Organisation, sagte er am Rande des EU-Gipfels. Dies könnte ein Ausgangspunkt für die Listung der Revolutionsgarden sein. Eine juristische Prüfung in der EU zu dem Thema laufe derzeit.

Eine Einstufung der iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation wird von Israel bereits seit langem gefordert, nach dem iranischen Angriff vom Wochenende war dies noch einmal bekräftigt worden. In der Vergangenheit hatte die EU immer betont, eine Terror-Listung der Garden sei derzeit rechtlich nicht möglich, weil es dafür eine nationale Gerichtsentscheidung oder Verbotsverfügung einer Verwaltungsbehörde brauche.

Erstmals seit der Öffnung des Hafens von Aschdod in Südisrael sind Hilfsgüter für den Gazastreifen über den Hafen abgewickelt worden. Acht Transporter mit Mehl seien dort kontrolliert und dann in den Gazastreifen gebracht worden, teilte Israels Armee mit. Die Lkw des Welternährungsprogramms (WFP) seien allerdings über den Grenzübergang Kerem Schalom im Süden in das Küstengebiet gefahren - nicht über Erez im Norden des Gazastreifens, dessen Öffnung Israel ebenfalls jüngst angekündigt hat. Kerem Schalom wird schon länger für Hilfslieferungen genutzt. 

Die USA hatten angesichts der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen jüngst ihren Verbündeten Israel zur raschen Ausweitung der humanitären Hilfe für die Zivilbevölkerung aufgefordert. Das israelische Kriegskabinett beschloss daraufhin Anfang April, den Grenzübergang Erez sowie vorübergehend den Hafen von Aschdod für Hilfslieferungen zu öffnen. 

Bundeskanzler Olaf Scholz hat Israel erneut aufgefordert, auf die iranischen Angriffe nicht mit einem massiven Gegenschlag zu antworten. "Für uns ist wichtig, dass dieser Moment genutzt wird für eine weitere Deeskalation, um die eigene Position zu stärken", sagte der SPD-Politiker vor dem EU-Gipfel in Brüssel. Israel solle "eben nicht mit einem massiven Angriff antworten".

Seiner Ansicht nach sollten neue EU-Sanktionen gegen den Iran in Erwägung gezogen werden. Diese müssten aber vorher juristisch geprüft werden, so Scholz.

Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat im Vorfeld eines EU-Sondergipfels gefordert, dass Europa seine Sanktionen gegen den Iran ausweiten sollte. Die Sanktionen sollten sich insbesondere gegen Unternehmen richten, die an der Herstellung von Drohnen und Raketen beteiligt sind. Auch die USA kündigten bereits neue Sanktionen an.

Die israelische Zeitung Haaretz berichtet unter Berufung auf das israelische Militär, dass bei dem Angriff der Hisbollah auf ein Dorf im Norden des Landes insgesamt 18 Personen verletzt worden seien, darunter auch 13 Reservisten. Insgesamt sechs Militärangehörige seien in Arab al-Aramsche schwer verletzt worden. Warum die Raketen und Dronen nicht abgewehrt wurden, werde nun untersucht. Zunächst war berichtet worden, dass ein Gemeindezentrum in dem Beduinendorf angegriffen worden sei.

Der UN-Sicherheitsrat stimmt am Freitag über den Antrag der Palästinenser auf Vollmitgliedschaft in den Vereinten Nationen ab. Das Vorhaben gilt allerdings als wenig aussichtsreich. Die USA, Israels engster Verbündeter, haben sich gegen die Initiative ausgesprochen und können ein Veto einlegen.

Der palästinensische UN-Gesandte Rijad Mansur hatte Anfang des Monats in einem Schreiben an UN-Generalsekretär António Guterres darum gebeten, das Verfahren zur Vollmitgliedschaft der Palästinenser wiederaufzunehmen. Die Palästinenser haben seit 2012 einen Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen. Sie fordern seit Jahren eine Vollmitgliedschaft.

Der türkische Außenminister Hakan Fidan hat bei einem Besuch in Katar auch den Auslandschef der islamistischen Hamas, Ismail Hanija, getroffen. Dabei sei es unter anderem um eine Waffenruhe im Gaza-Krieg und die Freilassung von Geiseln gegangen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Mittwoch unter Berufung auf Diplomatenkreise. Medienberichten zufolge will der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan den Hamas-Auslandschef am Wochenende auch in der Türkei empfangen.

Erdogan attackierte zudem einmal mehr die Regierung des israelischen Ministerpräsidenten Netanyahu. Diese sei für den Tod von Tausenden Kindern verantwortlich und habe "Hitler schon längst übertroffen". Erdogan hatte Netanyahu schon in der Vergangenheit wiederholt mit Adolf Hitler verglichen. Die Türkei hatte sich zuletzt trotz Erdogans Verbalattacken verstärkt darum bemüht, eine vermittelnde Rolle im Gaza-Krieg einzunehmen.

Das UN-Nothilfebüro OCHA braucht für die Versorgung der Not leidenden Bevölkerung des Gazastreifens und im von Israel besetzten Westjordanland in diesem Jahr nach eigenen Angaben Milliarden. Es gehe um zusätzliche 2,8 Milliarden US-Dollar (rund 2,6 Milliarden Euro) von denen der Großteil, rund 2,5 Milliarden Dollar, für die Menschen im Gazastreifen vorgesehen sei.

Diese Summe sei nötig, um gut drei Millionen Menschen im Gazastreifen, im Westjordanland und in Ost-Jerusalem bis Dezember mit dem Dringendsten zu versorgen. Der Gesamtbedarf sei eigentlich noch höher, rund vier Milliarden Dollar, aber die Experten schätzten, dass in den kommenden Monaten unter den schwierigen Bedingungen nicht alle nötigen Programme umgesetzt werden könnten. In Teilen des Gazastreifens droht Experten zufolge eine Hungersnot.

Bei dem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten sollen Israel und der Iran zu einem Verzicht auf weitere Angriffe gegeneinander aufgefordert werden. "Der Europäische Rat (...) fordert alle Parteien nachdrücklich auf, äußerste Zurückhaltung zu üben und keine Maßnahmen zu ergreifen, die die Spannungen in der Region verstärken könnten", heißt es in einem Entwurf für die Abschlusserklärung des Treffens, das am Mittwochabend beginnt.

Zugleich wird in dem Text noch einmal der iranische Angriff auf Israel verurteilt, mit dem die Regierung in Teheran am Wochenende auf einen mutmaßlich israelischen Luftschlag auf das iranische Botschaftsgelände in Damaskus reagiert hatte. Die EU sei bereit, weitere Sanktionen gegen den Iran zu verhängen, insbesondere im Zusammenhang mit Drohnen und Raketen. Ob weitere Sanktionen allerdings zielführend sind, gilt als umstritten. "Es ist eine gewisse Skepsis zu hören", sagt ARD-Korrespondent Christian Feld. Bisherige Sanktionen hätten die gewünschte Wirkung verfehlt.

"Es ist eine gewisse Skepsis zu hören", Christian Feld, ARD Brüssel, über EU-Sondergipfel zu Sanktionen gegen Iran

tagesschau, 17.04.2024 14:00 Uhr

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock fordert nach dem Angriff Irans Zurückhaltung von Israel und sieht darin ein Zeichen der Stärke. "Ich rede hier nicht von klein beigeben", sagte Baerbock. "Ich rede hier von einer klugen Zurückhaltung, die nichts weniger ist als Stärke." Diese Stärke habe Israel mit seinem "Defensivsieg" am vergangenen Woche schon gezeigt.

Die bislang verhaltene Reaktion auf den iranischen Angriff habe gezeigt, dass Israel "sich mit starken Partnern und Staaten der Region verteidigen kann, und dadurch, dass es dem iranischen Regime damit deutlich gemacht hat, wie sehr Iran sich verrechnet hat und in der Region isoliert dasteht". Mit Blick auf den Nahen und Mittleren Osten sagte die Außenministerin: "Eine der stärksten Waffen gegen Iran ist der Wunsch der Menschen, in allen Ländern der Region einfach nur in Frieden zu leben."

Im Anschluss an sein Treffen mit Außenministerin Annalena Baerbock und dem britischen Außenminister David Cameron hat Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu auf die Unabhängigkeit seines Landes gepocht. "Ich danke unseren Freunden für ihre Unterstützung bei der Verteidigung Israels, in Worten und in Taten", sagte er. "Sie haben auch alle möglichen Vorschläge und Ratschläge", sagte Netanyahu zu Beginn einer anschließenden Kabinettssitzung. "Ich schätze das, aber ich möchte klarstellen, dass wir unsere Entscheidungen selbst treffen werden. Der Staat Israel wird alles Notwendige tun, um sich selbst zu verteidigen."

Israel will nach eigenen Angaben militärisch auf den ersten Direktangriff des Irans reagieren. Israels Verbündete haben sich für eine maßvolle Reaktion ausgesprochen.

Angesichts der jüngsten Eskalation zwischen dem Iran und Israel hat sich der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, besorgt über mögliche Angriffe auf Atomanlagen geäußert. Dies würde ein "schrecklicher Fehler" sein, sagte Grossi und rief alle Seiten zur Zurückhaltung auf.

Zum iranischen Atomprogramm sagte er: "Es bestehen noch immer wichtige Informationslücken." Um Antworten zu geheimen nuklearen Aktivitäten des Iran in der Vergangenheit zu erhalten, werde er nach Teheran reisen, sagte er dem US-Sender CNN. Es gebe noch kein Datum und keine Agenda dafür. Experten halten Irans friedliche Nutzung des fast waffenfähigen Urans für nicht plausibel. Auch soll es ungeklärte Nuklear-Projekte und geheime Atomanlagen geben, zu denen der Iran der IAEA keinen Zugang gewährt.

Die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat wegen der Attacken israelischer Siedler auf Palästinenser im Westjordanland schwere Vorwürfe gegen das israelische Militär erhoben. Die Streitkräfte hätten sich an Gewalthandlungen entweder beteiligt oder es versäumt, diese zu stoppen. Die Gewalt israelischer Siedler habe nach dem Terrorangriff der militant-islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober zugenommen.

Nach Angaben von Human Rights Watch wurden seitdem mindestens sieben palästinensische Beduinen-Gemeinschaften vertrieben. Siedler hatten in der vergangenen Woche eine neue Reihe von Angriffen gestartet, nachdem ein 14-jähriger israelischer Junge getötet worden war. Das UN-Menschenrechtsbüro forderte die israelischen Sicherheitskräfte am Dienstag auf, "ihre aktive Teilnahme an und ihre Unterstützung für Siedlerangriffe auf Palästinenser unverzüglich zu beenden"

Bei einem Angriff aus dem Libanon sind nach Angaben von Sanitätern im Norden Israels mindestens 13 Menschen verletzt worden, vier davon schwer. Die Nachrichtenagentur AFP spricht unter Berufung auf das Krankenhaus Galiläa Medical Centre von 14 Verletzten. Das Geschoss sei am Mittwoch in einem Gemeindezentrum in dem Beduinendorf Arab al-Aramsche eingeschlagen, berichteten israelische Medien.

Der von der proiranischen Schiitenmiliz Hisbollah im Libanon kontrollierte Fernsehsender Al-Manar berichtete, es sei ein Gebäude beschossen worden, in dem sich israelische Soldaten aufgehalten hätten. Es habe Opfer unter ihnen gegeben. Dies sei eine Reaktion auf die Tötung von Mitgliedern und Kommandeuren der Hisbollah im Libanon durch Israel.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die auf Antisemitismus spezialisierte Beratungsstelle Ofek registriert seit dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel einen enormen Anstieg an Anfragen. Vom 7. Oktober bis 6. April habe sich der Bedarf an spezialisierter Beratung auf 1.333 Anfragen versiebenfacht, teilte der Verein mit. Allein in den ersten vier Wochen habe sich das Beratungsaufkommen verzwölffacht im Vergleich zu den Vorjahren.

Damit überträfen die aktuellen Zahlen die Gesamtzahl aller Beratungsanfragen seit der Ofek-Gründung im Juli 2017. Bis Juni 2023 zählte die Stelle bundesweit insgesamt 1.110 Anfragen.

Nach Einschätzung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird es eine eher zurückhaltende Reaktion Israels auf den Angriff des Iran geben. Sein Eindruck sei es nicht, "dass es in der politischen Führung des Landes bereits beschlossen wäre, das Land Israel in einen Abgrund zu führen", sagte Steinmeier.

"Ich kann es nicht beurteilen, ob es eine Reaktion gegen den Iran geben wird. Wenn Sie mich persönlich fragen, sage ich 'Nein'", sagte Steinmeier, der sich bei einer Veranstaltung im Schloss Bellevue äußerte.

Die Führung des Iran hat bei der jährlichen Militärparade ihren Angriff auf Israel vom vergangenen Wochenende als "Erfolg" gefeiert. "Dieser Einsatz hat gezeigt, dass unsere Streitkräfte bereit sind", sagte Präsident Ebrahim Raisi am Mittwoch auf einer Militärbasis am Rande der Hauptstadt Teheran vor Soldaten und Mitgliedern der Revolutionsgarde. Der Schlag gegen Israel habe den "Ruhm des zionistischen Regimes zunichte gemacht", führte er fort. 

Raisi wiederholte die Warnung gegenüber Israel, auf jede "noch so kleine Aggression" werde aus dem Iran eine "heftige und harte Reaktion" folgen. Israel hatte Vergeltung für den Angriff Teherans angekündigt.

Die Verhandlungen zwischen Israel und der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas sind nach Angaben des Vermittlers Katar ins Stocken geraten. "Wir befinden uns in einer heiklen Phase, in der es zu einem gewissen Stillstand gekommen ist, und wir versuchen so weit wie möglich, diesen Stillstand zu überwinden", sagte der katarische Regierungschef Scheich Mohammed bin Abdulrahman Al-Thani auf einer Pressekonferenz mit dem rumänischen Ministerpräsidenten Marcel Ciolacu.

Die Verhandlungsführer versuchten, "voranzukommen und dem Leid der Menschen im Gazastreifen ein Ende zu setzen und die Geiseln zurückzubringen", sagte Al-Thani weiter.

Katar ist gemeinsam mit den USA und Ägypten seit Monaten als Vermittler bei vertraulichen Verhandlungen über eine Feuerpause und Geiselfreilassungen tätig, die Gespräche gestalten sich als schwierig. Sowohl Israel als auch die Hamas werfen einander vor, die indirekten Gespräche zu behindern. 

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan empfängt am Wochenende Hamas-Chef Ismail Hanija, wie der türkische Sender NTV berichtet. Erdogan hat das israelische Vorgehen im Gazastreifen nach dem Hamas-Überfall am 7. Oktober wiederholt scharf kritisiert und die militant-islamistische Palästinenser-Organisation, die von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft wird, als Befreiungsbewegung bezeichnet.

Der britische Außenminister David Cameron hat die G7-Staaten vor ihrem Treffen in Italien zur Verabschiedung neuer "koordinierter Sanktionen" gegen den Iran aufgerufen. "Was wir wollen, sind koordinierte Sanktionen gegen Iran", sagte Cameron in Israel. Er warf Teheran vor, "hinter so vielen bösartigen Aktivitäten in dieser Region" zu stecken. "Ich denke, wir können mehr tun, um eine einheitliche Front zu zeigen", sagte Cameron über die G7, deren Außenminister sich bis Freitag auf der Insel Capri treffen.

Es müsse eine "klare, unmissverständliche Botschaft" an den Iran gesendet werden bezüglich Teherans Unterstützung für die radikal-islamische Palästinensergruppe Hamas, die verbündete Hisbollah-Miliz im Libanon und die Huthis im Jemen. "Ich hoffe, das wird beim Treffen geschehen", fuhr er fort. Er nannte die Situation im Nahen Osten "sehr besorgniserregend".

Die Verhandlungen über eine neue Waffenruhe in Gaza und die Freilassung weiterer Geiseln stecken nach Darstellung der islamistischen Hamas in einer "Krise". Das sagte ein ranghohes Hamas-Mitglied dem Nachrichtensender Al-Jazeera. Die USA, die zusammen mit Katar und Ägypten zwischen Israel und der Hamas vermitteln, würden "Partei für Israel ergreifen" und zuvor gemachte Angebote zurückziehen, hieß es.

Die USA hätten einen Vorschlag gemacht, der die israelische Position komplett übernehme. Israel habe zuvor einen Vorschlag der Hamas abgelehnt. Die israelische Zeitung Haaretz hatte zuletzt berichtet, dass die Hamas eine Freilassung von Geiseln aus Gaza im Gegenzug für palästinensische Häftlinge erst nach Ablauf einer 42-tägigen Feuerpause vorgeschlagen habe. Die Hamas hatte zuvor einen Vorschlag der USA abgelehnt, der die Freilassung von 40 Geiseln gegen 900 palästinensische Häftlinge während einer sechswöchigen Waffenruhe vorsah.

Auch der katarische Premier- und Außenminister Scheich Mohammed bin Abdulrahman Al Thani sagte, die Gespräche über einen Waffenstillstand im Gazastreifen und die Freilassung der Geiseln befänden sich in einer "heiklen Phase". "Wir versuchen so weit wie möglich, dieses Hindernis zu überwinden", fügte er hinzu, ohne weitere Einzelheiten zu nennen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier glaubt an eine zurückhaltende Reaktion Israels auf den Angriff des Iran am vergangenen Samstag. Er habe am Sonntagmorgen mit Israels Staatspräsident Isaac Herzog telefoniert und "nicht den Eindruck, dass die politische Führung des Landes entschlossen wäre, dieses Land in einen Abgrund zu führen", sagte Steinmeier bei einer Veranstaltung im Schloss Bellevue. Er glaube dass es in Israel "viele Leute" gebe, die die Lage "sehr verantwortlich und nachdenklich" beurteilten.

Steinmeier geht davon aus, dass Israel "nach wie vor die Priorität" habe, die sunnitischen Partner in der Region an sich zu binden und "Amerika nicht zu verlieren". Er glaube daher, dass die Reaktion Israels "eine andere sein wird als die, die medial erwartet wird", fuhr Steinmeier fort. Er glaube nicht, "dass dieses Land auf dem Weg zu einem endlosen Krieg ist".

Durch die israelische Militäroffensive im Gazastreifen sind nach Angaben des Hamas-geführten Gesundheitsministeriums im Gazastreifen seit dem 7. Oktober mindestens 33.899 Palästinenser getötet und 76.664 verwundet worden. 56 Palästinenser wurden demnach in den vergangenen 24 Stunden getötet und 89 verletzt. Die Vereinten Nationen halten die Angaben der Behörde für realistisch. Die tatsächliche Zahl der Opfer dürfte noch höher sein, da viele Menschen vermisst werden und noch immer Tote unter den Trümmern zerstörter Gebäude liegen.

Karte: Gazastreifen, schraffiert: von der israelischen Armee kontrollierte Gebiete

Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen, Schraffur: Israelische Armee

Israels Präsident Izchak Herzog hat sich beim Besuch von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und ihrem britischen Amtskollegen David Cameron für die Unterstützung bedankt. Herzog sprach nach Angaben seines Büros von einer "warmen Diskussion" mit Baerbock und Cameron. "Wir danken Großbritannien und Deutschland dafür, dass sie stark an der Seite Israels stehen angesichts des verwerflichen Angriffs des Irans", sagte Herzog. Israel sei eindeutig verpflichtet, sein Volk zu verteidigen.

Baerbock traf auch ihren israelischen Kollegen Israel Katz. Neben dem Angriff des Irans stehen auch die Bemühungen um die Freilassung der Geiseln aus den Händen der Hamas und die humanitäre Lage der notleidenden Zivilbevölkerung im Gazastreifen auf dem Programm. "Die sofortige Rückkehr aller Geiseln, die von der Hamas in Gaza festgehalten werden, hat für uns - und die internationale Gemeinschaft - weiter höchste Priorität", sagte Herzog nach Angaben seines Büros weiter. Gleichzeitig erhöhe man "dramatisch" die humanitären Hilfsleistungen für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen.

Der iranische Präsident Ebrahim Raisi hat Israel vor weiteren Aktionen gegen sein Land gewarnt. Selbst die "kleinste Invasion" Israels werde zu einer "massiven und harten" Reaktion des Iran führen, sagte Raisi laut einer Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur Irna während der jährlichen Armeeparade.

Der iranische Angriff vom Wochenende habe nur begrenzte Ziele gehabt. Wenn der Iran einen härteren Schlag hätte führen wollen, "wäre vom zionistischen Regime nichts mehr übrig", sagte Raisi.

Der Befehlshaber der iranischen Luftwaffe erklärte, die Kampfflugzeuge seien in Bereitschaft. Zudem werden nach Angaben der Seestreitkräfte iranische Handelsschiffe bis zum Roten Meer von Marineschiffen eskortiert.

Bei dem Großangriff auf Israel am Wochenende haben der Iran und seine Verbündeten nach Angaben des israelischen Verteidigungsministers Yoav Galant mehr als 500 Geschosse abgefeuert. Diese Zahl bestätigte eine Sprecherin Galants.

Die Armee hatte zuvor von mehr als 300 Geschossen allein aus dem Iran gesprochen. An der Attacke waren jedoch nach Medienberichten auch mit Teheran verbündete Milizen im Libanon, in Syrien, im Jemen und im Irak beteiligt.

Israels Präsident Isaac Herzog hat bei seinem Treffen mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und dem britischen Chefdiplomaten David Cameron die internationale Gemeinschaft aufgerufen, sich dem Iran gemeinsam und entschieden entgegenzustellen. Die Führung in Teheran gefährde mit ihrem Handeln "die Stabilität in der gesamten Region", sagte er in Jerusalem. "Die ganze Welt muss entschlossen und entschieden gegen die Bedrohung des iranischen Regimes handeln", hieß es.

Nach dem Angriff des Iran auf Israel mit mehr als 300 Drohnen und Raketen hat der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, gefordert, die iranische Revolutionsgarde auf die EU-Terrorliste zu setzen. "Der Hintergrund dieser Organisation ist eindeutig klar", sagte Weber im ZDF-"Morgenmagazin". Sie bringe Terror in die Region.

"Auch im mittleren Osten ist die wahre Natur Irans jedem bewusst", fügte er hinzu. Das zeige die Tatsache, dass neben den westlichen Staaten auch beispielsweise Jordanien bei der Abwehr der Raketen geholfen habe. Bei dem Regime im Iran handele es sich um einen "Terrorstaat", betonte der CSU-Politiker.

Der italienische Außenminister Antonio Tajani hat Israel zum Stopp des Militäreinsatzes im Gazastreifen und zu einer Waffenruhe aufgefordert. Der Gaza-Krieg sei zwar durch den "barbarischen" Angriff der radikal-islamischen Palästinenser-Organisation Hamas ausgelöst worden, sagte Tajani der Tageszeitung "La Stampa". "Aber jetzt ist eine Waffenruhe notwendig", fügt er hinzu.

Israel müsse seine Militäreinsätze einstellen, die massiv zulasten der palästinensischen Bevölkerung gingen. Italien hat das Vorgehen Israels nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober zunächst unterstützt, dies aber angesichts von Tausenden Toten unter der Zivilbevölkerung zuletzt abgeschwächt.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock ist bei ihrem siebten Israel-Besuch seit dem Terrorüberfall der islamistischen Hamas am 7. Oktober mit dem Staatspräsidenten Izchak Herzog zusammengetroffen. Bei der Unterredung am Morgen in Jerusalem war nach Angaben des Auswärtigen Amtes auch der britische Außenminister David Cameron dabei.

Im Anschluss wollte Baerbock auch ihren israelischen Amtskollegen Israel Katz sowie Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und Benny Gantz treffen, der Mitglied des israelischen Kriegskabinetts ist. Bei ihren Gesprächen dürften die wachsenden Sorgen vor einem drohenden Flächenbrand im Nahen Osten bei einem harten israelischen Gegenschlag nach dem iranischen Großangriff vom Wochenende eine zentrale Rolle spielen. Die Grünen-Politikerin dürfte auch die humanitäre Lage der notleidenden Zivilbevölkerung im Gazastreifen zur Sprache bringen.

Tim Aßmann, ARD Tel Aviv, zu Angst vor Eskalation im Konflikt mit dem Iran und zu Baerbocks Besuch in Israel

tagesschau24, 17.04.2024 09:00 Uhr

Der UN-Sicherheitsrat stimmt am Donnerstag über den Antrag der Palästinenser auf Vollmitgliedschaft in den Vereinten Nationen ab. Das berichtet die Nachrichtenagentur AFP und beruft sich auf Diplomatenkreise. Der palästinensische UN-Gesandte Rijad Mansur hatte Anfang des Monats in einem Schreiben an UN-Generalsekretär António Guterres darum gebeten, das Verfahren zur Vollmitgliedschaft der Palästinenser wiederaufzunehmen.

Das Vorhaben gilt jedoch als wenig aussichtsreich, da sich die USA dagegen ausgesprochen haben - der Israel-Verbündete kann ein Veto einlegen. "Wir sehen nicht, dass uns die Verabschiedung einer Resolution im Sicherheitsrat zwangsläufig zu einem Punkt führen wird, an dem wir eine Zwei-Staaten-Lösung finden können", sagte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield, vor der Presse in Seoul. Die Palästinenser haben seit 2012 einen Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen. Sie fordern seit Jahren eine Vollmitgliedschaft.

Die Vereinten Nationen (UN) ringen weiterhin darum, eine Hungersnot im Gazastreifen zu verhindern. Obwohl es bei der Koordination mit Israel gewisse Verbesserungen gegeben habe, seien Hilfslieferungen in das Palästinensergebiet noch immer mit Schwierigkeiten verbunden, sagte Andrea De Domenico, der Leiter des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA).

So komme es an den Kontrollpunkten zu erheblichen Verzögerungen. In der vergangenen Woche seien 41 Prozent der UN-Anfragen zur Lieferung von Hilfsgütern in den Norden des Gazastreifens abgelehnt worden. "Wir beschäftigen uns mit diesem Tanz, bei dem wir einen Schritt vor, zwei Schritte zurück oder zwei Schritte vor und einen Schritt zurück machen, wodurch wir im Grunde immer am selben Punkt bleiben", sagte De Domenico vor der Presse. "Für jede neue Chance, die wir bekommen, gibt es eine neue Herausforderung, die wir bewältigen müssen."

Das US-Militär hat nach eigenen Angaben erfolgreich zwei Drohnen in den von den Huthi-Rebellen kontrollierten Gebieten im Jemen bekämpft. Von Schiffen der US-Marine, der Koalition oder Handelsschiffen seien keine Schäden oder Verletzten gemeldet worden, erklärte das US Central Command (Centcom), das für den Nahen Osten zuständige Regionalkommando des US-Militärs.

Der britische Premier Sunak empfiehlt Israel, besonnen auf die Angriffe des Iran zu reagieren. Der türkische Präsident Erdogan erhebt schwere Vorwürfe gegen Israels Premier Netanyahu. Der Liveblog zum Nachlesen.