Demonstration in Tel Aviv
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Nahost-Krieg ++ Tausende fordern Rücktritt von Netanyahu ++

Stand: 13.01.2024 21:03 Uhr

Mehrere Tausend Menschen haben bei einer Demonstration in Tel Aviv den Rücktritt von Ministerpräsident Netanyahu gefordert. In London gingen Tausende pro-palästinensische Demonstranten auf die Straße. Alle Entwicklungen im Liveblog.

Mehrere Tausend Menschen haben bei einer Demonstration in der israelischen Metropole Tel Aviv den Rücktritt von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu gefordert. Redner der Kundgebung warfen seiner Regierung vor, nicht genügend zu tun, um die zu Beginn des Gaza-Kriegs von Terroristen der Hamas in den Gazastreifen verschleppten Geiseln wieder nach Hause zu bringen. Am Sonntag wird der Krieg seit 100 Tagen andauern.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu kündigt eine deutliche Ausweitung des Verteidigungsbudgets an. Damit sollten die Unabhängigkeit beim Ausbau der Streitkräfte und die Sicherheit des Landes in den kommenden Jahren gewährleistet werden. Entsprechende Pläne wolle die Regierung in acht Wochen vorstellen, sagt Netanyahu vor Journalisten.

Nach der Festnahme dreier mutmaßlicher Mitglieder der Hamas Mitte Dezember in Deutschland will Israels Regierung Erkenntnisse gewonnen haben, wonach die extremistische Palästinenserorganisation Terroranschläge in Europa geplant habe. Eines der möglichen Ziele soll die israelische Botschaft in Stockholm gewesen sein.

"Infolge anhaltender geheimdienstlicher Bemühungen kam ein beträchtliches Maß an Informationen ans Tageslicht, die beweisen, dass die Terrororganisation Hamas darauf abzielte, ihre gewalttätigen Aktivitäten ins Ausland auszuweiten, um unschuldige Menschen auf der ganzen Welt anzugreifen", teilte das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu mit. Israel habe diese Erkenntnisse aus der Arbeit der eigenen Geheimdienste und der Zusammenarbeit mit den entsprechenden Diensten anderer Länder gewonnen.

Konkret habe man Informationen gewonnen, wonach Hamas-Zellen im Ausland einen Anschlag auf die israelische Botschaft in Stockholm vorgehabt hätten. Auch hätten die mutmaßlichen Terroristen Drohnen beschaffen und Mitglieder organisierter Verbrecherbanden in Europa anwerben wollen.

Israel erwägt nach einem Bericht der US-Zeitung "Wall Street Journal" einen als äußerst heikel geltenden Armeeeinsatz unmittelbar an der Grenze des Gazastreifens zu Ägypten. "Israelische Offizielle haben Ägypten informiert, dass sie eine Militäroperation entlang der Gaza-Seite der Grenze planen", schrieb das Blatt unter Berufung auf namentlich nicht genannte israelische und ägyptische Quellen.

Karte mit Siedlungsgebieten im Gazastreifen und Grenzübergängen zu Israel und Ägypten

Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat sich fast 100 Tage nach Kriegsbeginn entschlossen für eine Fortführung der Offensive im Gazastreifen ausgesprochen. "Niemand wird uns aufhalten", sagte Netanyahu bei einer Pressekonferenz. "Es ist möglich und notwendig, bis zum Sieg weiterzumachen und das werden wir tun", kündigte der Regierungschef an.

Die im Fernsehen übertragene Pressekonferenz fand am Vorabend des 100. Tags im Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas statt.

Tausende pro-palästinensische Demonstranten haben in London gegen Israels Offensive im Gazastreifen protestiert. Die Polizei, die mit rund 1.700 Polizisten im Einsatz war, warnte die Demonstranten, mit ihren Plakaten und Sprechchören nicht "absichtlich die Grenzen zu überschreiten". Die Demonstration war Teil eines Aktionstages in 30 Ländern, zu dem mehrere Organisationen auf Großbritannien aufgerufen hatten. Seit Beginn des Kriegs zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas finden in London am Wochenende regelmäßig Demonstrationen statt.

Der Protest heute war insofern besonders, als dass Großbritannien am Vortag Stellungen der vom Iran unterstützten Huthi-Miliz im Jemen angegriffen hatte. Die Miliz hatte zuvor wiederholt Handelsschiffe im Roten Meer angegriffen, die sie in Verbindung mit Israel brachte. Die schiitischen Rebellen sehen sich als Teil der gegen Israel gerichteten selbsternannten "Achse des Widerstands", zu der auch die Hamas gehört.

Pro-palästinensische Demonstranten fordern in London einen dauerhaften Waffenstillstand.

Pro-palästinensische Demonstranten fordern in London einen dauerhaften Waffenstillstand und ein Ende der Belagerung des Gazastreifens.

Fast 100 Tage nach der Verschleppung ihrer Angehörigen durch die radikalislamische Hamas haben Israelis in Tel Aviv den Nachbau eines Tunnels enthüllt. Der Künstler Roni Levavi sagte, er habe mit der Installation "die getreueste Rekonstruktion" eines Hamas-Tunnels im Gazastreifen erschaffen wollen. Für die Konstruktion habe er sich an in den Medien veröffentlichten Abbildungen orientiert. Das Innere des Tunnels ist spärlich beleuchtet, der Boden ist dreckig und ständig ist das Geräusch von Schusswechseln und Artilleriebeschuss zu hören.

Es wird davon ausgegangen, dass viele der verbliebenen israelischen Geiseln in solchen Tunneln festgehalten werden. Die Installation steht vor dem Kunstmuseum in Tel Aviv, dessen Vorplatz von den Angehörigen in "Platz der Geiseln" umbenannt wurde. Angehörige erinnern dort an Ständen und mit Kunstinstallationen an das Schicksal der Verschleppten.

Ein 30 Meter langer Tunnel, der von dem israelischen Künstler Roni Levavi geschaffen wurde.

Ein 30 Meter langer Tunnel, der von dem israelischen Künstler Roni Levavi geschaffen wurde - Nachbau eines Hamas-Tunnel.

Eine Demonstration in Solidarität mit den Menschen im Gazastreifen ist in Basel friedlich verlaufen. Nach Schätzungen der Polizei nahmen etwa 2500 Menschen daran teil. Es herrschten Minustemperaturen in der Stadt. Der Polizei seien keine gröberen Sachbeschädigungen bekannt, berichtete die Kantonspolizei im Kurznachrichtendienst X.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren teils mit Bussen aus anderen Teilen der Schweiz angereist. Während des Protestzugs wurden Palästina-Fahnen geschwungen, Sprechchöre riefen "Palestine must be free" (Palästina muss frei sein) und "Stop the Genozide» (Stoppt den Völkermord). Auf einige Schaufenster wurden Aufkleber mit Boykottaufrufen gegen Israel geklebt. Ausrichter war ein vor kurzem gegründetes Bündnis Schweiz-Palästina, in dem sich mehrere lokale Gruppen zusammengeschlossen haben.

An der Grenze zwischen dem Libanon und Israel hat es erneut gegenseitigen Beschuss gegeben. Die libanesische Hisbollah-Miliz feuerte mehrere Geschosse auf den Norden Israels ab, teilte das israelische Militär mit. Sie seien über unbebautem Gebiet niedergegangen. Die israelischen Armee habe die Stellungen unter Beschuss genommen, von denen die Angriffe ausgegangen waren. Darüber hinaus bombardierten israelische Kampfjets "terroristische Infrastruktur" der Hisbollah im Süd-Libanon, hieß es in der Mitteilung weiter. Über mögliche Opfer der israelischen Angriffe ist noch nichts bekannt.

Wie die Hisbollah in Beirut bekanntgab, führte sie im Laufe des Tages mehrere Angriffe auf Ziele im Norden Israels aus. Demnach beschossen ihre Kämpfer mit Artilleriewaffen Kasernen, Stellungen und Sammelpunkte der israelischen Streitkräfte. Die Angaben beider Seiten können derzeit nicht überprüft werden.

Seit Beginn des Nahost-Krieges am 7. Oktober kommt es auch an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon immer wieder zu Konfrontationen zwischen der israelischen Armee und der Hisbollah-Miliz. Auf beiden Seiten gab es bereits Tote. Es ist die schwerste Eskalation seit dem zweiten Libanon-Krieg im Jahre 2006.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Inmitten regionaler Spannungen will der Iran nach eigenen Angaben neue Raketen- und Drohnenverbände an den Grenzen stationieren. Dies gab der Kommandeur der Bodenstreitkräfte, Kiumars Heydari, im Gespräch mit der Staatsagentur Irna bekannt, wie die Nachrichtengantur dpa berichtet. Zudem seien elf Kampfverbände an den Grenzen stationiert. Heydari versicherte zugleich, dass keine Bedrohung von Außen bestünde.

Drei Monate nach Beginn des Kriegs in Nahost haben sich die Spannungen in der Region weiter zugespitzt. Besonders die Lage am Roten Meer bereitet Beobachtern Sorgen, dass sich der Konflikt nun zu einem Flächenbrand ausweiten könnte. Die vom Iran unterstützte Huthi-Miliz im Jemen hatte in den vergangenen Wochen immer wieder Schiffe attackiert. Eine von den USA geführte Allianz griff daraufhin Stellungen der islamistischen Gruppe an.

13.01.2024 • 14:08 Uhr

Familien erinnern an Hamas-Geiseln

Fast 100 Tage nach der Entführung von rund 240 Menschen aus Israel in den Gazastreifen fordern Angehörige entschiedenere Bemühungen für deren Freilassung. Das Forum der Geiselfamilien errichtete heute im Zentrum von Tel Aviv den Nachbau eines kurzen Tunnelstücks. In derartigen Anlagen unter der Erde soll die islamistische Terrororganisation Hamas Berichten zufolge noch mehr als 100 Geiseln gefangen halten.

Am Abend plant die Organisation, mit einer 24 Stunden langen Kundgebung den Druck zu verstärken, um eine Freilassung der Entführten zu erreichen. Eine gewaltsame Befreiung der Verschleppten durch das israelische Militär gilt Berichten zufolge als nahezu undurchführbar.

Die Bundesregierung will sich einem Medienbericht zufolge mit einem Kriegsschiff an einer neuen EU-Marinemission zur Sicherung des Seeverkehrs im Roten Meer gegen Angriffe der jemenitischen Huthi-Rebellen beteiligen. Die Fregatte "Hessen" solle bereits am 1. Februar in Richtung Rotes Meer starten, berichtet die "Welt am Sonntag". Eine offizielle Bestätigung gab es dafür zunächst nicht.

Die Bundeswehr stehe "für eine Beteiligung grundsätzlich bereit", bekräftigte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums laut der Nachrichtenagentur AFP. "Jedoch wird dafür ein Mandat benötigt." Solange dieses nicht vorliege, könne er den Bericht in dieser Form nicht bestätigen.

Die Europäische Union will in Kürze eine Marinemission zur Sicherung der Schifffahrt im Roten Meer auf den Weg bringen. Nach übereinstimmenden Diplomatenangaben vom Freitag werden Vertreter der Mitgliedsländer am Dienstag in Brüssel erstmals über das Mandat beraten. Sollte die Bundeswehr an einer neuen EU-Militärmission teilnehmen, wäre dafür die Zustimmung des Bundestags nötig.

In der Nacht haben israelische Soldaten drei Palästinenser getötet, die versuchten, die Siedlung Adora nahe Hebron im Westjordanland zu überfallen. Das teilte das israelische Militär mit. Die Getöteten seien mit Messern, einem Gewehr und Äxten bewaffnet gewesen. Die offizielle palästinensische Nachrichtenagentur Wafa berichtete, zwei seien 16 Jahre alt gewesen und einer 19. Laut israelischem Militär wurde bei einem Schusswechsel ein Soldat verletzt.

Der UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths hat im Nahost-Krieg erneut zu einem Waffenstillstand aufgerufen. Was die Welt seit dem 7. Oktober, als Terroristen der islamistischen Hamas und anderer Gruppierungen das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels anrichteten, erlebt habe, sei "ein Schandfleck auf unserem kollektiven Gewissen", sagte Martin Griffiths vor dem UN-Sicherheitsrat. "Ich wiederhole meine Forderung nach einem Waffenstillstand. Vor allem aber fordere ich den Rat erneut auf, dringend Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Krieg zu beenden", sagte der Chef des UN-Nothilfebüros OCHA.

In rund 100 Tagen hat Israels Armee große Teile des Gazastreifens in Schutt und Asche gelegt. Mehr als 23.000 Menschen wurden nach Angaben des Hamas-Gesundheitsministeriums bisher getötet, etwa 70 Prozent davon Frauen und Minderjährige. Rund 360.000 Wohneinheiten in dem Palästinensergebiet wurden nach UN-Informationen zerstört oder beschädigt. Die Lage sei angesichts Israels andauerndem unerbittlichen Militäreinsatzes entsetzlich, beklagte Griffiths. Zugleich gehe auch der Beschuss aus Gaza auf Ziele in Israel weiter.

Antje Passenheim, ARD New York, tagesschau, 13.01.2024 05:48 Uhr

Der durch die anhaltenden Angriffe der Huthis entstehende volkswirtschaftliche Schaden beträgt laut Medienangaben 360 Millionen Euro pro Stunde. Das berichtet die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf Angaben des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD). Diese Zahl nannte demnach kürzlich eine der führenden EAD-Diplomatinnen bei einem Treffen der 27 zuständigen Botschafter im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee (PSK). Grund seien Umwege von bis zu 6.000 Kilometern, steigende Energiekosten, Staus bei der Abfertigung und Störungen in den Lieferketten.

Israel hat nach eigenen Angaben eine Medikamentenversorgung der von der Hamas festgehaltenen Geiseln erwirkt. Die Bundesregierung stellt sich vor dem Hintergrund des Völkermord-Verfahrens klar an die Seite Israels. Der Liveblog vom Freitag zum Nachlesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 13. Januar 2024 um 08:06 Uhr.