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Nahost-Krieg ++ USA: Völkermord-Vorwurf an Israel unbegründet ++

Stand: 11.01.2024 23:22 Uhr

Die USA sehen keine Grundlage für Südafrikas Vorwurf des Völkermords an Israel. Das israelische Militär weitet nach eigenen Angaben den Einsatz in Chan Yunis aus. Alle Entwicklungen vom Donnerstag zum Nachlesen.

11.01.2024 • 23:22 Uhr

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Fast 100 Tage nach Beginn des Kriegs sind die Zustände in den wenigen noch funktionierenden Krankenhäusern des Gazastreifens Berichten zufolge katastrophal. "Es gibt kein Morphium mehr", sagte die amerikanische Ärztin Seema Jilani in einer Audio-Botschaft, die die Hilfsorganisation International Rescue Committee (IRC) verbreitete. Jilani war zuvor von einem zweiwöchigen Einsatz für das IRC im Al-Aksa-Krankenhaus im mittleren Gazastreifen zurückgekehrt. 

"So geben wir Patienten an der Schwelle zum Tod, im Todeskampf Midazolam, ein Medikament gegen Angstzustände, das aber Schmerzen nicht lindert", sagte die Ärztin. Oft könne die Medizin für Patientinnen und Patienten nicht mehr tun, als sie von Schmerzen zu befreien. Aber in Gaza stimme selbst das nicht mehr, Sterbenden könne keine Linderung verschafft werden. "Es gibt keinen Tod in Würde, wenn man auf dem Boden einer Notaufnahme in Gaza liegt, und wenn es im Spital kein Morphium mehr gibt, keine mobilen Sauerstoffgeräte."

Der britische Premierminister Rishi Sunak hat am Abend Medienberichten zufolge sein Kabinett kurzfristig zu telefonischen Beratungen einberufen. Es gehe dabei wohl um bevorstehende gemeinsame Militärschläge mit den USA gegen die Huthi-Rebellen im Jemen, wie unter anderem der Sender Sky News und der "Guardian" berichteten. Eine Regierungssprecherin wollte die Berichte auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa zurzeit nicht bestätigen.

Eine Reaktion der USA und ihrer Verbündeten hatte sich zuletzt immer stärker angedeutet. Großbritanniens Verteidigungsminister Grant Shapps hatte in den vergangenen Tagen immer wieder vor Konsequenzen gewarnt, sollten die Angriffe nicht aufhören.

Vizekanzler Robert Habeck hat die Gewalt israelischer Siedler gegen Palästinenser kritisiert. "Dass die Siedler teilweise sehr gewalttätig, die Möglichkeit überhaupt der freien Reise in den Westbank-Gebieten blockieren oder erschweren, das geht nicht", sagte der Grünen-Politiker bei einem Besuch bei der Palästinenserbehörde in Ramallah im Westjordanland. Dort hatte er zuvor Ministerpräsident Mohammed Schtaje getroffen sowie deutsche und lokale Wirtschaftsvertreter zusammengebracht. "Die Erwartung der Palästinenser ist, auf Israel einzuwirken, den Palästinensern eine faire Chance zu geben", sagte Habeck.

Robert Habeck (Mitte links) und Mohammed Schtaje (Mitte rechts) im Westjordanland.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Mitte links) und Mohammed Schtaje (Mitte rechts), Ministerpräsident im Westjordanland, bei einem Treffen in Ramallah.

Die Vereinigten Staaten sehen keine Grundlage für Südafrikas Anschuldigungen des Völkermords an Israel wegen der zivilen Todesfälle in Gaza, sagte der nationale Sicherheitssprecher des Weißen Hauses, John Kirby. Die Anschuldigungen seien unbegründet, sage er laut Nachrichtenagentur Reuters vor Reportern.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu kritisiert mit scharfen Worten die Völkermordsklage von Südafrika vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH). "Israel kämpft gegen mörderische Terroristen, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben: Sie haben geschlachtet, vergewaltigt, verbrannt, zerstückelt und enthauptet - Kinder, Frauen, ältere Menschen, junge Männer und Frauen", sagte er.

Israel werde des Völkermordes beschuldigt, während es gegen den Völkermord kämpfe, so Netanyahu. "Die Heuchelei Südafrikas schreit zum Himmel", sagte er weiter. "Wo war Südafrika, als Millionen von Menschen in Syrien und im Jemen getötet oder aus ihren Häusern gerissen wurden, von wem? Von Partnern der Hamas."

2023 war nach einem neuen Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) ein "schreckliches" Jahr für die Menschenrechte. In ihrem mehr als 700 Seiten Report hob HRW das "enorme Leid" hervor, das der Nahost-Krieg zwischen Israel und der Hamas sowie die Konflikte in der Ukraine, in Myanmar, Äthiopien und der afrikanischen Sahel-Region verursacht hätten. 

Israels Regierung habe auf den Großangriff der Hamas am 7. Oktober reagiert, "indem sie die Wasser- und Stromversorgung der 2,3 Millionen Zivilisten im Gazastreifen unterbrach und die Einfuhr von allem bis auf einen Bruchteil an Treibstoff, Lebensmitteln und humanitärer Hilfe blockierte - eine Form der kollektiven Bestrafung, die ein Kriegsverbrechen darstellt", hieß es im HRW-Bericht. 

Die Organisation sprach zudem von einer Doppelmoral unter den zumeist westlichen Ländern, die zwar den Angriff der Hamas scharf verurteilt hätten, sich aber anschließend mit ihrer Kritik am israelischen Krieg gegen die Palästinenserorganisation zurückhielten.

Die USA drängen weiterhin auf eine diplomatische Lösung im Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon. Der US-Gesandte und Vermittler, Amos Hochstein, sagte nach Angaben der libanesischen Nachrichtenagentur NNA: "Wir müssen eine diplomatische Lösung finden, die es dem libanesischen Volk ermöglicht, in seine Häuser im Süden des Libanon zurückzukehren, genauso wie das Volk Israels in der Lage sein muss, in seine Häuser im Norden zurückzukehren."

Hochstein war heute in die libanesische Hauptstadt Beirut gereist, um Gespräche mit verschiedenen Vertretern im Libanon zu führen. Zuvor war er bereits in Israel.

Angehörige israelischer Geiseln haben an der Grenze zum Gazastreifen mit Lautsprechern Botschaften in Richtung des abgeriegelten Küstengebiets gerufen. Dutzende Menschen versammelten sich dort, in der Hoffnung, dass ihre in den Gazastreifen verschleppten Verwandten ihre Stimmen hören können. Auf Videos war zu sehen, wie sie Schilder mit Fotos der Geiseln in die Höhe hielten und emotionale Botschaften riefen.

An der Grenze zwischen dem Libanon und Israel ist es erneut zu Beschuss gekommen. Dabei wurden nach Angaben der proiranischen Hisbollah auch zwei Sanitäter der Schiitenorganisation getötet und weitere Menschen verletzt. Laut des Gesundheitsministeriums im Libanon und der Hisbollah griff das israelische Militär ein Zivilschutzzentrum im Grenzort Hanin an. Das Ministerium verurteilte den Angriff scharf.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Israels Außenministerium sieht in dem von Südafrika gegen das Land angestrengte Völkermord-Verfahren das "größte Schauspiel der Heuchelei in der Geschichte". Ministeriumssprecher Lior Haiat schrieb am Donnerstag auf X, vormals Twitter: "Südafrika (...) hat die Realität in Gaza im Gefolge des Massakers am 7. Oktober krass entstellt." Es ignoriere die Tatsache, dass Hamas-Terroristen auf israelischem Boden Israelis ermordet, massakriert, vergewaltigt und entführt haben, "allein weil sie Israelis waren."

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat den Vorwurf Südafrikas, Israel begehe Völkermord im Gazastreifen, deutlich zurückgewiesen. "Israel Völkermord vorzuwerfen, ist aus meiner Sicht eine komplette Verdrehung von Opfern und Tätern - beziehungsweise falsch", sagte er in Jerusalem. Man könne zwar die israelische Armee für ein zu hartes Vorgehen kritisieren, dies sei aber kein Völkermord, betonte Habeck. "Diejenigen, die Völkermord begehen würden oder wollten, wenn sie könnten", seien die Hamas.

US-Außenminister Antony Blinken fordert von Israel eine Zusammenarbeit mit den Ländern der Region, um den Weg hin zur Gründung eines palästinensischen Staates zu ebnen. Dies sei das beste Mittel, um den Iran zu isolieren, sagte Blinken vor seinem Abflug aus Kairo, wo er den ägyptischen Präsidenten Fattah al-Sisi getroffen hatte. Die US-Regierung sei zudem darauf konzentriert, dass die Lage im Westjordanland nicht eskaliere.

Der britische Premierminister Rishi Sunak hält Südafrikas Klage gegen Israel wegen angeblicher Verstöße gegen die Völkermordkonvention in Gaza für "komplett unberechtigt und falsch". Das sagte der Sprecher des konservativen Regierungschefs vor Journalisten in London. Er fügte hinzu: "Diese Klage dient nicht der Sache des Friedens. Das Vereinigte Königreich steht zu Israels klarem Recht, sich im Rahmen des Internationalen Rechts zu verteidigen."

Rechtsvertreter Südafrikas beschuldigen Israel vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen, die Völkermordkonvention verletzt zu haben. Sie fordern im Eilverfahren einen sofortigen Rechtsschutz für die Palästinenser.

11.01.2024 • 13:53 Uhr

Hamas: 23.469 Tote im Gazastreifen

Seit dem siebten Oktober sollen bei israelischen Angriffen im Gazastreifen 23.469 Palästinenser getötet und 59.604 verletzt worden. Dies teilte das von der militant-islamistischen Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium im Gazastreifens mit.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Frankreich lässt wegen der Angriffe der Huthi-Rebellen seine Marine französische Handelsschiffe durch das Rote Meer eskortieren. Das gegenwärtige Mandat beinhalte nur den Geleitschutz, nicht direkte Angriffe auf die Huthis, teilte der oberste Kommandeur der Marine, Emmanuel Slaars, mit. Frankreich arbeite bei dem von den USA geführten Einsatz "Prosperity Guardian" zum Schutz der Handelsschifffahrt im Roten Meer intensiv mit. Seine Streitkräfte blieben aber vollständig unter Kontrolle der französischen Regierung.

"Der französische Einsatz besteht einerseits darin, die Meeresgebiete zu patrouillieren, in denen die Huthis operieren, um sie aufzuhalten." Diese Patrouillen erfolgten in Abstimmung mit "Prosperity Guardian." "Andererseits eskortieren wir regelmäßig Schiffe unter französischer Flagge oder mit französischen Interessen im Roten Meer. Wir begleiten sie auf ihrer gesamten Überfahrt."

Die Huthis haben sich solidarisch mit der islamistischen Hamas erklärt und wiederholt Schiffe angegriffen, die nach ihrer Darstellung in Verbindung mit Israel stehen.

Vizekanzler Robert Habeck hat von der israelischen Regierung verlangt, mehr für den Schutz von Zivilisten im Gazastreifen zu tun. "Ich fordere die israelische Regierung auf, Opfer zu vermeiden, zivile Opfer im Kampf gegen die Hamas, und humanitäre Hilfe, Medizin, Nahrung sicherzustellen für die Menschen, besonders bei einem solchen Wetter", sagte der Grünen-Politiker nach einem Treffen mit seinem israelischen Amtskollegen Nir Barkat im regnerischen Jerusalem. Es drohe nun die Ausbreitung von Seuchen im Gazastreifen.

Der Gewinn des Krieges dürfe nicht zum Verlust der Chance auf Frieden führen. Es gehe ihm um die Sicherheit Israels sagte Habeck, der das Recht das Landes auf Selbstverteidigung betonte. Dazu gehöre der Sieg über die Hamas.

Durch die Lage im Gazastreifen haben Palästinenser nach Einschätzung von Nicholas Emiliou, Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), unter Umständen besondere Ansprüche auf Asyl. In die EU geflüchtete Palästinenser könnten geltend machen, dass im Licht der allgemeinen Lebensbedingungen in der umkämpften Enklave der Schutz des UN-Hilfswerks UNRWA weggefallen sei, argumentierte Emiliou. Hiesige Behörden hätten zu berücksichtigen, ob eine Rückkehr dorthin aktuell möglich sei. Antragssteller müssten nicht nachweisen, dass sie individuell besonders durch die Umstände betroffen seien.

Emiliou betonte, der Flüchtlingsstatus dürfe dennoch nicht bedingungslos zuerkannt werden, sondern setze eine individuelle Prüfung voraus. Allerdings könne sich ein palästinensischer Asylbewerber, dessen Erstantrag abgelehnt worden sei, in einem zweiten Verfahren auf den fehlenden Schutz durch UNRWA berufen. Nach der einschlägigen EU-Richtlinie wird staatenlosen Palästinensern kein Flüchtlingsstatus zuerkannt, wenn sie bei der UNRWA registriert sind. Dieser Ausschluss gilt jedoch nicht, wenn Schutz oder Hilfe des UN-Hilfswerks "weggefallen" sind.

Ein bulgarisches Gericht hatte den EuGH in Luxemburg um Auslegung der Richtlinie gebeten. Die Meinung des Generalanwalts ist nicht bindend, stellt aber eine wichtige Orientierung für das spätere Urteil dar.

Bei der Anhörung zum Vorwurf des Völkermords gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag hat Kläger Südafrika seine Anschuldigungen begründet. Anwältin Adila Hassim vom juristischen Team Südafrikas sagte vor Gericht, die von den Angriffen Israels im Gazastreifen betroffenen Palästinenser hätten keinen sicheren Zufluchtsort. Sie würden im ihrem Zuhause getötet, aber auch an Orten wie Krankenhäusern, Schulen oder Moscheen und Kirchen, in denen sie Schutz suchten.

Palästinenser seien getötet worden, wenn sie israelischen Evakuierungsanordnungen nicht Folge geleistet hätten, aber auch dann, wenn sie sich an von Israel als sicher ausgewiesene Orte begeben hätten.

"Das Ausmaß des Tötens" sei so groß, dass Leichen häufig ohne Identifizierung in Massengräbern beigesetzt würden, sagte Hassim. Südafrika versucht darzulegen, dass Israel in seinem Krieg gegen die militant-islamistische Hamas im Gazastreifen Völkermord begehe. Die israelische Regierung hat die Vorwürfe scharf zurückgewiesen.

Die Hisbollah im Libanon hat nach eigenen Angaben seit Ausbruch des Gaza-Krieges und der Gefechte an der Grenze zu Israel nur einen Bruchteil ihrer Fähigkeiten gezeigt. Der stellvertretende Vorsitzende des Exekutivrats, Ali Damusch, erklärte: "Der Widerstand hat bei seinen Operationen nur einen winzigen Teil seiner Fähigkeiten - nämlich Waffen, Raketen und Fachkenntnisse - eingesetzt." Er fügte hinzu: "Wenn der Feind uns jedoch den Krieg aufzwingt, werden wir ihm all unsere Fähigkeiten und unsere Macht zeigen." Verbreitet wurde die Erklärung am Donnerstagmorgen auf Telegram.

Damusch äußerte sich kurz vor der Ankunft des US-Gesandten und Vermittlers Amos Hochstein in der libanesischen Hauptstadt Beirut. Amos soll zu Verhandlungen zu einem möglichen Waffenstillstand an der israelisch-libanesischen Grenze in den Libanon gereist sein, wie es aus Regierungskreisen hieß.

Eine der großen Fehleinschätzungen Israels ist nach Meinung von Ami Ajalon, Ex-Chef des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, dass die Palästinenser kein Volk seien. Palästinenser definierten sich als Volk und "sind bereit, für ihre Unabhängigkeit zu töten und getötet zu werden", sagte er der Zeitung "Haaretz". Terroristen, die getötet werden, würden in den Augen der Palästinenser zu Märtyrern.

Als israelische Strategie für nach dem Krieg sprach sich Ajalon dafür aus, den palästinensischen Hoffnungsträger und Fatah-Politiker Marwan Barghouti freizulassen. Marghouti wurde 2004 wegen der Beteiligung an mehreren Anschlägen zu fünffach lebenslänglicher Haft verurteilt und sitzt seither im Gefängnis. Barghouti sei der einzige Palästinenserführer, "der gewählt werden und eine vereinte und legitime palästinensische Führung auf einen Weg der einvernehmlichen Trennung von Israel führen kann", so Ajalon.

Ein entsprechendes Gesamtabkommen mit den Palästinensern müsse gleichzeitig die Rückkehr aller in den Gazastreifen entführten Geiseln beinhalten, so der frühere israelische Marinekommandeur. Anders als frühere Kriege werde die gegenwärtige Gaza-Kampagne "kein Bild des Sieges" haben. Die Rückkehr der Geiseln käme einem solchen Bild allerdings am nächsten.

In einem Brief haben mehrere Holocaustforscher aus Israel und dem Ausland den Leiter der Jerusalemer Holocaustgedenkstätte Yad Vashem, Dani Dayan, aufgefordert, einen "unmissverständlichen moralischen Aufruf zur Verurteilung des öffentlichen Diskurses, der zur Ausrottung und zur Begehung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Gaza aufruft", zu verfassen. Das berichtete die Zeitung "Haaretz" am Mittwochabend.

Die jüdische und menschliche Geschichte habe gezeigt, dass die Aufstachelung zur Ausrottung unter Verwendung einer entmenschlichenden Sprache oft ein erster Schritt hin zu Verbrechen sei, "die das Stadium des Völkermords erreichen können". Sie bezeichneten diese Lehre als einer der wichtigsten, die die Menschheit aus dem Holocaust gezogen und in internationale Konventionen aufgenommen habe. Dies sei Teil des Aufrufs "Nie wieder", in dessen Geist Gedenkorganisationen wie Yad Vashem ihre Aufklärungsarbeit leisteten. Unterzeichnet wurde der Brief laut Bericht unter anderem von Wissenschaftlern der Hebräischen Universität Jerusalem, den Universitäten Tel Aviv und Haifa sowie der Ben-Gurion-Universität.

Die israelische Armee weitet ihre Einsätze in Chan Yunis im Süden des Gazastreifens nach eigenen Angaben über und unter der Erde aus. Bisher seien allein im Bereich von Chan Yunis mehr als 300 Tunneleingänge und mehr als 100 Tunnel zerstört worden, teilte das Militär mit. Dabei habe man auch Terroristen getötet. In einem offensichtlich mit großem finanziellen Aufwand gebauten Tunnel unter der Stadt seien zuvor israelische Geiseln festgehalten worden, hieß es in der Mitteilung ohne weitere Angaben. Die im Gazastreifen herrschende islamistische Hamas erklärte, mindestens 62 Menschen seien bei Angriffen in der Nacht getötet worden.

Brigadegeneral Dan Goldfus sagte nach Angaben der "Times of Israel", die Armee habe ihre Strategie inzwischen angepasst. Während man anfangs nur die Eingänge zu den Tunneln aufgespürt und zerstört habe, schicke man jetzt Soldaten hinein. Der Kern der Hamas befinde sich im Untergrund. "Dort werden wir sie besiegen." Die Führung der Hamas um Jihia al-Sinwar wird von der Armee im Tunnelnetzwerk im Bereich von Chan Yunis vermutet.

11.01.2024 • 10:14 Uhr

Prozess in Den Haag begonnen

Begleitet von Demonstrationen hat vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag die Anhörung zur Völkermord-Klage gegen Israel begonnen. Zum ersten Mal stellt sich Israel der Klage Südafrikas zum Gaza-Krieg. Die Rechtsvertreter Südafrikas beschuldigen Israel vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen, die Völkermordkonvention verletzt zu haben. Sie fordern im Eilverfahren einen sofortigen Rechtsschutz für die Palästinenser. Demnach sollen die Richter das Ende der militärischen Handlungen anordnen.

Infolge der Angriffe der jemenitischen Huthi auf Schiffe im Roten Meer ist die Frachtmenge auf der wichtigen Handelsstraße eingebrochen. "Die dort transportierte Menge an Containern brach um über die Hälfte ein und liegt aktuell fast 70 Prozent unter dem eigentlich zu erwartenden Aufkommen", erklärte das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IFW). Spürbare Folgen für Verbraucher in Europa erwarten die Experten jedoch nicht.

Die vom Iran unterstützten Huthi greifen seit dem Beginn des Gaza-Kriegs Anfang Oktober Frachtschiffe im Roten Meer an. Viele Reedereien haben deshalb den Verkehr durch das Rote Meer eingestellt oder eingeschränkt und leiten Schiffe um das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika um.

Die USA haben Vorwürfe Südafrikas, Israel begehe einen Völkermord, zurückgewiesen. "Tatsächlich sind es diejenigen, die Israel gewaltsam angreifen, die weiterhin offen die Vernichtung Israels und den Massenmord an Juden fordern", sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matt Miller. Er betonte das "Recht Israels, sich gegen die terroristischen Akte der Hamas zu verteidigen."

In Den Haag soll am Vormittag die Anhörung der Anschuldigungen Südafrikas vor dem Internationalen Gerichtshof beginnen.

Knapp 400 Abgeordnete aus 28 Ländern haben einen Aufruf zu einer sofortigen Waffenruhe im Gaza-Krieg gestartet. Dahinter stehen die ehemalige Linken-Politikerin Sevim Dagdelen und die US-Demokratin Ilhan Omar. In Deutschland unterzeichneten auch die SPD-Politiker Ralf Stegner und Nina Scheer, international unter anderen der ehemalige britische Labour-Chef Jeremy Corbyn sowie Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus den USA, vielen EU-Staaten sowie weiteren Ländern.

In dem Appell heißt es: "Wir schließen uns als Abgeordnete aus der ganzen Welt zusammen, um eine sofortige, multilaterale Waffenruhe in Israel und Palästina, die Freilassung aller verbleibenden israelischen und internationalen Geiseln und die Erleichterung der Einfuhr von humanitärer Hilfe nach Gaza zu fordern. Darüber hinaus rufen wir unsere jeweiligen Regierungen und die internationale Gemeinschaft dazu auf, das Völkerrecht einzuhalten und schwere Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen."

Die israelische Armee hat zwei bei einem Luftangriff im Gazastreifen getötete palästinensische Journalisten des Fernsehsenders Al-Dschasira als Mitglieder von "Terrororganisationen" bezeichnet. Geheimdienstinformationen hätten bestätigt, dass Hamsa Wael Dahduh und Mustafa Thuria im Gazastreifen ansässigen Terrororganisationen angehört hätten, erklärte die Armee. Thuria habe der Brigade der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas in Gaza-Stadt angehört und Dahduh dem Islamischen Dschihad. Vor dem tödlichen Luftangriff am Sonntag hätten die beiden Männer Drohnen bedient, die eine direkte Gefahr für israelische Soldaten dargestellt hätten, erklärte die Armee weiter.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat sich erstmals öffentlich gegen Forderungen rechtsgerichteter Regierungsmitglieder ausgesprochen, die Palästinenser sollten den Gazastreifen freiwillig verlassen und Platz für Israelis machen. "Ich möchte einige Punkte absolut klarstellen: Israel hat nicht die Absicht, den Gazastreifen dauerhaft zu besetzen oder die Zivilbevölkerung zu vertreiben", erklärte Netanyahu auf der Social-Media-Plattform X. Obwohl dies die offizielle Politik Israels ist, waren Netanyahus frühere Äußerungen zur dauerhaften Besetzung des Gazastreifens widersprüchlich und mitunter undurchsichtig.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die Huthi-Rebellen im Jemen aufgerufen, ihre Angriffe auf Schiffe im Roten Meer unverzüglich einzustellen. Dies geht aus einer Resolution des Sicherheitsrates hervor, die mit elf Ja-Stimmen, keiner Gegenstimme und vier Enthaltungen angenommen wurde. Gleichzeitig werden die Huthi aufgefordert, die am 19. November von der Gruppe beschlagnahmte japanische "Galaxy Leader", die mit einem israelischen Geschäftsmann in Verbindung steht, samt Besatzung freizugeben. Die Resolution unterstützt die von den USA geführte Task Force zur Verteidigung der Schiffe, warnt aber gleichzeitig vor einer Eskalation der Spannungen.

Die Resolution ist nach Ansicht von Mohammed Ali al-Huthi, Chef des Obersten Revolutionskomitees der Huthis im Jemen, ein "politisches Spiel". Es seien die USA, die das Völkerrecht verletzten, behauptete er.

Eine israelische Delegation ist zu Verhandlungen über eine Freilassung weiterer Hamas-Geiseln in Kairo eingetroffen. Bundesaußenministerin Baerbock sieht keine Völkermord-Absichten beim israelischen Vorgehen im Gazastreifen. Die Entwicklungen vom Mittwoch zum Nachlesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 11. Januar 2024 um 09:36 Uhr.