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Spionageverdächtige in Großbritannien Ausspähaktionen in Deutschland?

Stand: 18.08.2023 10:49 Uhr

In Großbritannien wurden mehrere Personen festgenommen, die für Russland spioniert haben sollen. Deutsche Sicherheitsbehörden gehen Hinweisen nach, wonach die Verdächtigen auch hier militärische Anlagen ausgespäht haben könnten.

Die Nachricht über fünf mutmaßliche russische Spione in Großbritannien sorgte diese Woche für Schlagzeilen. Die Beschuldigten wurden laut britischer Medienberichte bereits im Februar festgenommen, sie sollen gefälschte Pässe und andere Ausweisdokumente aus Großbritannien, Bulgarien, Frankreich, Spanien, Kroatien, Slowenien und Tschechien besessen und in "unangemessener Absicht" verwendet haben.

Bei den mutmaßlichen Agenten sollen teilweise sogar gefälschte Presseausweise von "National Geographic" und "Discovery Channel" gefunden worden sein. Britische Sicherheitsbehörden sollen davon ausgehen, dass diese Dokumente zur Tarnung von Reisen genutzt worden sein könnten.

Bei den Beschuldigten soll es sich um bulgarische Staatsangehörige handeln, die teilweise schon jahrelang im Vereinigten Königreich leben. Drei von ihnen, zwei Männer und eine Frau, sollen sich ab Januar 2024 in London vor Gericht verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, für den russischen Geheimdienst gearbeitet zu haben.

Nach Deutschland gereist

Nach WDR-Informationen prüfen deutsche Sicherheitsbehörden, ob die Spionageverdächtigen möglicherweise auch in Deutschland aktiv geworden sind. So soll mindestens eine der Personen in der Vergangenheit in die Bundesrepublik gereist sein. Die Sicherheitsbehörden gehen Hinweisen nach, dass es sich bei dieser Reise womöglich um eine Ausspähaktion militärischer Anlagen hierzulande gehandelt haben könnte.

Mit den Ermittlungen, die auf Informationen britischer Behörden zurückgehen, ist das Bundeskriminalamt (BKA) beauftragt. Die Behörde wollte sich ebenso wie die Bundesanwaltschaft, das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) auf Nachfrage nicht zu dem Sachverhalt äußern.

Der Verfassungsschutz warnt seit Längerem vor russischen Ausspähaktionen. Russland werde seine Spionageaktivitäten hierzulande aufgrund der Kriegssituation in der Ukraine sehr wahrscheinlich verstärken. Und wohl auch anpassen müssen. Denn seit Kriegsausbruch wurden mehr als 400 russische Spione, die als Diplomaten getarnt waren, aus Europa ausgewiesen, mehr als 40 davon aus Deutschland.

Reisende Spione

Moskaus Geheimdienste, so die Einschätzung der hiesigen Sicherheitsbehörden, werden deshalb wohl zukünftig verstärkt auf reisende Spione setzen müssen - oder auf angeworbene Zuträger, die ihnen Informationen gegen Geld beschaffen.

Vor allem der Verteidigungssektor gilt den Sicherheitsbehörden als spionagegefährdet, etwa Einrichtungen der Bundeswehr und der NATO in der Bundesrepublik. Vor allem die Waffenlieferungen an die Ukraine und die Ausbildung ukrainischer Militärangehöriger, so die Einschätzung des Militärischen Abschirmdienstes, stünden im Fokus russischer Geheimdienste.

Über Bundeswehrkasernen und US-Truppenübungsplätzen in Rheinland-Pfalz und Bayern waren im vergangenen Jahr kleine Drohnen entdeckt worden. Ebenso wurden verdächtige Fahrzeuge gemeldet, die in der Nähe der Liegenschaften aufgetaucht waren.

Anfang August hatte das BKA im Auftrag des Generalbundesanwalts einen Bundeswehroffizier festgenommen, der im Verdacht steht, als sogenannter "Selbstanbieter" russischen Geheimdiensten seine Zusammenarbeit angeboten zu haben. Der Hauptmann ist im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Koblenz beschäftigt und hatte dort Zugang zu geheimen Informationen über Rüstungsprojekte.

Ab Mai 2023 soll er sich "aus eigenem Antrieb" mehrfach an das Russische Generalkonsulat in Bonn und die Russische Botschaft in Berlin gewandt haben. Dabei soll er bei einer Gelegenheit auch Informationen übermittelt haben, die er bei seiner Tätigkeit im BAAINBw erlangt haben soll.

Mehrere Konsulate in Deutschland sollen schließen

Bis Ende des Jahres soll Russland mehrere seiner Konsulate in Deutschland schließen und damit das diplomatische Personal, zu dem auch noch immer Geheimdienstmitarbeiter zählen, noch einmal deutlich verringern.

Nur die Botschaft in Berlin und eines von bislang fünf Konsulaten sollen in Betrieb bleiben. Dies ordnete das Auswärtige Amt an, nachdem Moskau seine Maßnahmen gegen deutsche Einrichtungen und Organisationen noch einmal verschärft hatte. Mit dem Schritt werde "strukturelle und personelle Parität" hergestellt, sagte ein Sprecher des Außenministeriums. 

Die russische Regierung hatte im Mai erklärt, die Zahl der erlaubten deutschen Staatsbediensteten in Russland werde ab Juni auf 350 Personen begrenzt. Betroffen davon waren auch Kulturinstitute und deutsche Schulen. "Diese ungerechtfertigte Entscheidung zwingt die Bundesregierung zu einem sehr erheblichen Einschnitt in allen Bereichen ihrer Präsenz in Russland", sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes. Mehrere deutsche Konsulate würden daher bis Jahresende geschlossen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 10. August 2023 um 14:00 Uhr.