Michael Winterhoff
exklusiv

Staatsanwaltschaft Bonn Anklage gegen Kinderpsychiater Winterhoff

Stand: 04.07.2023 13:21 Uhr

Im Fall des Kinderpsychiaters Winterhoff hat die Staatsanwaltschaft Bonn laut WDR und SZ Klage erhoben. Ex-Patienten und Fachleute werfen ihm vor, zweifelhafte Diagnosen gestellt und zu häufig ein ruhigstellendes Medikament eingesetzt zu haben.

Von Nicole Rosenbach, WDR

Gefährliche Körperverletzung in 36 Fällen lautet die Anklage. Das Landgericht Bonn bestätigte auf Anfrage von WDR und "Süddeutscher Zeitung", dass es sich um einen 68-jährigen Mann aus Bonn handelt. Den Namen wollte das Gericht nicht nennen. Nach Informationen von WDR und "Süddeutscher Zeitung" handelt es sich um den Kinderpsychiater Michael Winterhoff.

Die Anklage wurde demnach der Verteidigung von Winterhoff zugesandt, die nun Stellung nehmen könne. Die Frist dafür werde in der Regel nicht unter zwei Wochen gesetzt, in umfangreichen Verfahren könne aber eine Fristverlängerung beantragt werden.

Nach Ablauf der Frist werde die zuständige Kammer über die Aufnahme der Hauptverhandlung entscheiden. WDR und SZ hatten im August 2021 erstmals über dubiose Behandlungsmethoden des Bonner Kinderpsychiaters berichtet. Er hatte vielen seiner jungen Patienten "frühkindlichen Narzissmus" und "Eltern-Kind-Symbiose" attestiert, Diagnosen, die sich in keinem Lehrbuch finden und in Fachkreisen höchst umstritten sind.

Ehemalige Patienten berichteten, Winterhoff habe ihnen daraufhin, zum Teil über viele Jahre hinweg, Psychopharmaka verschrieben, vor allem Pipamperon. Dabei handelt es sich um ein sedierendes Mittel, dessen Einnahme Experten nur in Notfällen empfehlen, für einen begrenzten Zeitraum. Es kann schwere Nebenwirkungen auslösen. Einige der früheren Patienten gaben an, bis heute unter den Folgewirkungen der Behandlung durch Winterhoff zu leiden.

Ermittlungen in zahlreichen Fällen

Laut Staatsanwaltschaft Bonn wurde in einer Vielzahl von Fällen "im hohen dreistelligen Bereich" ermittelt. Im Mai 2022 hatten 100 Kriminalbeamte 15 Jugendhilfeeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen, in denen Winterhoff tätig war, sowie die Räume seiner früheren Praxis in Bonn durchsucht. Dabei seien Patientenakten und umfangreiches Beweismaterial beschlagnahmt worden, die eine eigens gegründete Ermittlergruppe gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft Bonn auswertete.

Die Kinderpsychiater, der seit Ende 2021 nicht mehr in seiner Bonner Praxis praktiziert, bestreitet die Vorwürfe und geht davon aus, dass seine Behandlung rechtskonform erfolgt sei. Er habe Pipamperon nur verschrieben, wenn Kinder "von Aggressionen, Stimmungslabilität und Verwirrtheit beherrscht" gewesen seien. Regelmäßig sei überprüft worden, ob die medikamentöse Behandlung noch notwendig sei.

Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Fassung der Meldung hieß es: Gefährliche Körperverletzung in 36 Fällen lautet die Anklage der Staatsanwaltschaft Bonn gegen den Kinderarzt Michael Winterhoff. Das bestätigte das Landgericht Bonn auf Anfrage von WDR und "Süddeutscher Zeitung". Wir haben diese Stelle korrigiert.

Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen