Attila Hildmann (Archivbild)
Exklusiv

Antisemitische Hetze Neue Vorwürfe gegen Attila Hildmann

Stand: 11.07.2021 18:00 Uhr

Der Verschwörungstheoretiker Attila Hildmann soll sich noch immer im Ausland aufhalten. Die Berliner Justiz sucht ihn mit Haftbefehl - und wirft ihm nach Informationen von WDR und SZ weitere Straftaten vor.

Jetzt ist es eine Pizzeria. Vor Kurzem befand sich in dem kleinen Laden in Berlin-Charlottenburg noch ein Fast-Food-Imbiss für veganes Essen. Es gab Burger mit frittierter Aubergine, Räucher-Tofu und Rote Beete-Chips. Ein Schriftzug an der Markise erinnerte noch an den vorherigen Gastronom: "Attila Hildmann". Inzwischen wurde der Name abgeklebt.

Der Kochbuchautor und ehemalige Imbissbetreiber Hildmann soll sich im Ausland aufhalten, wohl in der Türkei. In Berlin ermittelt die Staatsanwaltschaft seit einiger Zeit gegen ihn. Mittlerweile wird er mit Haftbefehl gesucht.

Die Vorwürfe gegen Hildmann lauten unter anderem: Beleidigung, Bedrohung und Volksverhetzung. Hildmann gilt als ein Wortführer der verschwörungsideologischen Szene der Corona-Leugner. Über Telegram-Kanäle soll er nahezu täglich antisemitische, rassistische und rechtsextreme Hetze verbreitet haben.

Offenbar antisemitische Dokumente entdeckt

Nach Recherchen von WDR und Süddeutscher Zeitung geht die Berliner Justiz mittlerweile von mehr als 80 Straftaten aus, die Hildmann zur Last gelegt werden könnten. Damit hat sich die Zahl noch einmal erhöht. Unter anderem sollen inzwischen vier Mobiltelefone ausgewertet worden sein. Dabei sollen die Ermittler auf zahlreiche gespeicherte antisemitische Fotos und Texte gestoßen sein.

Die Berliner Staatsanwaltschaft hatte das Verfahren gegen Hildmann im vergangenen Jahr von der Justiz aus Brandenburg übernommen. Bei einer Gefährderansprache am Wohnsitz des Kochbuchautors im brandenburgischen Wandlitz waren im November 2020 mehrere Mobiltelefone und sechs Laptops beschlagnahmt worden. Die elektronischen Datenträger sollen auch Monate später noch nicht vollständig ausgewertet worden sein. Teile der Festplatten sind offenbar verschlüsselt.

Ein Maulwurf in der Justiz?

Im Februar erwirkte die Berliner Staatsanwaltschaft schließlich einen Haftbefehl gegen Hildmann. Wochenlang war er an seinem Wohnsitz nicht mehr angetroffen worden. Über den Haftbefehl soll der Verschwörungsideologe frühzeitig informiert gewesen sein, weshalb die Staatsanwaltschaft auch der Frage nachgeht, ob diese Information aus Justizkreisen verraten worden war.

Schon Ende Dezember 2020 soll sich Hildmann nach Erkenntnissen der Berliner Fahnder ins Ausland abgesetzt haben. Er soll mit dem Auto in die Türkei eingereist sein. Da er neben der deutschen auch die türkische Staatsbürgerschaft besitzt, gilt eine Auslieferung in die Bundesrepublik als unwahrscheinlich.

In Berlin befasst sich aktuell bereits die Pressekammer des Landgerichts mit Hildmann. Der Grünen-Politiker Volker Beck will einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen den Corona-Leugner durchsetzen. Hildmann hatte Beck mehrfach geschmäht und erklärt, dem Grünen würde die Todesstrafe drohen, wenn er "Reichskanzler" wäre. Am 4. August verhandelt das Gericht weiter, ob Hildmann eine Geldstrafe droht, wenn er solche Äußerungen erneut tätigt.

Telegram-Kanäle überraschend gesperrt

Anfang Juni waren zwei Kanäle von Hildmann beim Messenger-Dienst Telegram überraschend gesperrt worden. Über iPhones und Android-Smartphones sind sie nicht mehr erreichbar. Mehr als 100.000 Abonnenten hatte Hildmann dort zuletzt, veröffentlichte täglich Verschwörungsmythen zur Corona-Pandemie sowie über Impfstoffe und verbreitete antisemitische Hetze. Wer die Kanäle des Kochbuchautors sperrte, ist indes unklar.

Google erklärte, man sperre keine einzelnen Kanäle, sondern nur Apps, falls diese gegen Richtlinien verstoßen. Apple wollte sich offiziell zur Sperrung nicht äußern. In den Richtlinien für die Apps, die im App-Store angeboten werden, heißt es jedoch, "beleidigende Inhalte" seien nicht gestattet. Denkbar wäre daher auch, dass Telegram selbst Hildmanns Kanäle sperrte, dies allerdings gilt als unwahrscheinlich. Denn andere Profile, die ähnliche Inhalte verbreiten, sind weiterhin aktiv.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 25. März 2021 um 18:35 Uhr.