Windräder oberhalb der Gemeinde Bell im Hunsrück, Rheinland-Pfalz
Exklusiv

Erneuerbare Energien Denkmäler gegen Windräder

Stand: 17.08.2022 06:11 Uhr

Die Energiewende werde durch den Denkmalschutz ausgebremst, beklagt die Windkraftbranche: Rund zehn Prozent der geplanten Anlagen lägen deshalb auf Eis. Ein positives Beispiel gibt es in Bayern.

Die Stromgewinnung aus erneuerbaren Energien ist mittlerweile von "überragendem öffentlichen Interesse". Das hat die Bundesregierung mit dem "Osterpaket" von Klimaschutzminister Robert Habeck gesetzlich festgelegt. Bei den Denkmalschutzbehörden auf Landesebene sei das aber noch nicht angekommen, beklagt die Windenergiebranche. Die "Fachagentur Wind an Land" ermittelte in einer Branchenbefragung, dass zehn Prozent aller Windkraftprojekte republikweit durch den Denkmalschutz ausgebremst werden. Tendenz steigend. "Die Fälle nehmen gerade sehr stark zu", sagt Ulf Sieberg vom Windkraftentwickler WPD.

Beispiel Brandenburg: Seit sieben Jahren arbeitet Kathrin Bender von WPD jetzt schon am Windeignungsgebiet in der Gemarkung Radekow/Damitzow in der Uckermark. Eigentlich sei bis zum Frühjahr dieses Jahres alles klar gewesen: Naturschutz, Vogelflug, Verkehrsachsen, Luftfahrt, Boden, Landwirtschaft, Eigentumsverhältnisse - alles berücksichtigt.

Dann kam der Denkmalschutz. Mit dem Bescheid vom 15. Juni 2022, der rbb24-Recherche vorliegt, teilt das Landesamt für Umwelt in Potsdam mit, dass die Errichtung von fünf Windkraftanlagen abgelehnt wird. Begründung: Die "gestalterische Komposition und das Erscheinungsbild" des Gartendenkmals Damitzow werde "in erheblicher Weise beeinträchtigt".

Für Kathrin Bender ist das ein Unding: "Man hat viel Zeit und Hirnschmalz in das Projekt gesetzt. Und dann sehen wir, dass trotz aller Krisen, die wir in Deutschland und weltweit haben, solche Projekte an nicht nachvollziehbaren Meinungen scheitern", klagt sie. Und ergänzt: "Es ist ein Skandal, dass die Denkmalbehörde jetzt im Genehmigungsverfahren aufwachen und Stellungnahmen schreiben, die sie auch schon während der Regionalplanung hätten einbringen können und müssen."

Das Denkmal: ein verfallenes Gutshaus, ein verwilderter Garten

Das Gartendenkmal Damitzow besteht aus einem verfallenen alten Gutshaus, in dem zu DDR-Zeiten ein Konsum-Laden war, einigen Nebengebäuden, einem "Schlosssee" und viel Wald drumherum. Das Ensemble ist ein Naturparadies für Wanderer, ein Naherholungsgebiet für die Menschen aus der Umgebung, aber auch ein Denkmal?

Das Gutshaus ist seit Jahrzehnten baufällig, die Terrasse von wildwuchernden Pflanzen überwachsen, die Sicht auf den See und die Umgebung durch den verwilderten Baumbestand versperrt. Wird das alles tatsächlich in erheblicher Weise beeinträchtigt, wenn in einem Kilometer Entfernung über den Bäumen auf der anderen Seite des Sees ein paar Windflügelspitzen zu sehen sein werden?

Es seien nicht nur ein paar Windflügelspitzen, befürchtet Günter Graumann, sondern riesige 250 Meter hohe Türme mit blinkenden Lichtern. Das "Wupp, wupp"-Geräusch der Anlagen in den umliegenden Windparks sei schon jetzt auf seinem Steg am See zu hören, je nachdem, wie der Wind steht. Graumann hat vor 20 Jahren eines der Nebengebäude des Gutshauses gekauft, betreibt dort eine Ferienunterkunft und betätigt sich als Hobby-Historiker, der versucht, die Kulturgeschichte des Damitzower Gartendenkmals zu rekonstruieren.

"Energiewende steht und fällt nicht mit ein paar Windkraft-Anlagen"

Graumann kann nicht verstehen, dass sein "wunderschönes Natur-Kleinod" mit diesem "schönen Blick über den ganzen See" jetzt durch Windräder verschandelt werden soll. Deswegen hat er die Denkmalschutz-Beamten durch das Areal geführt. Die folgten seiner Argumentation: Zwar gebe es ein öffentliches Interesse an der Durchsetzung der Energiewende, heißt es im Ablehnungsbescheid, "jedoch steht und fällt die Erreichung des Ziels nicht mit der Errichtung der beantragten Windkraftanlagen".

Graumann sieht das auch so: "Wenn einer für die Windkraft ist, dann sind das wir in der Uckermark. Wir haben ja schon Hunderte, Tausende Windkrafträder hier stehen, bringen ja schon viele Opfer, indem wir sagen: Die lassen wir mal da stehen und gehen da nicht gegen an."

Richtig ist, dass rund um das Autobahnkreuz Uckermark riesige Windparks zu sehen sind. Aber Tausende Windräder sind das nun doch nicht. Brandenburg hat bisher rund 4000 Windräder insgesamt. Das Ziel, zwei Prozent seiner Fläche für die Windkraft zur Verfügung zu stellen, ist damit noch lange nicht erreicht. Noch nicht einmal in der Uckermark sind sie so weit, und in Deutschland schon gar nicht. Damitzow ist nur ein Beispiel. Im Potsdamer Umweltministerium sieht man das Ganze gelassen: In Brandenburg seien solche Fälle selten und "bisher kein flächendeckendes Problem".

Versorgung von 25.000 Vierpersonenhaushalten gekippt

Weniger gelassen ist die Windkraft-Branche, die den Denkmalschutz deutschlandweit als Problem identifiziert. Die geplanten Windanlagen in Damitzow hätten 25.000 Vier-Personen-Haushalte mit erneuerbaren Energien versorgen können, rechnen die Leute vom Projektierer WPD vor. Darüber hinaus verstehen sie nicht, dass die Denkmalschutzbehörden nicht schon bei der Regionalplanung, als das Areal als Windeignungsgebiet ausgewiesen wurde, ihre Bedenken angemeldet haben.

Die Windkraft-Leute haben nun Widerspruch eingelegt und wollen notfalls klagen. Es geht auch um etwa eine Million Euro Entwicklungskosten, die WPD nicht in den Sand setzen will.

Ihre Hoffnung setzt die Branche auf das Beispiel Bayern: In der vergangenen Woche legte das Kabinett in München einen Gesetzentwurf vor, der das Denkmalschutzproblem für die Windkraft erheblich vereinfachen soll. Danach soll eine Liste von "besonders landschaftsprägenden Denkmälern" erstellt werden. In Bayern wären das etwa 100 Denkmäler wie etwa das Schloss Neuschwanstein. In deren Umgebung muss dann eine "denkmalverträgliche Lösung" gefunden werden, bei allen anderen Denkmälern würde die Denkmalschutz-Prüfung für die Windkraft ganz wegfallen. Windenergieanlagen stellten nämlich "keine eigentliche Substanzgefährdung" dar.

In Damitzow feiert Günter Graumann die vorläufige Verhinderung der Windanlagen als Sieg. Die für den Ort mitzuständige Bürgermeisterin Silke Natter aus Tantow ist weniger euphorisch. Sie sieht schon jetzt die Gefahr, dass ihre Gemeinde "umzingelt" wird von Windenergieanlagen. Aber: "Aus meiner Erfahrung ist es so, dass, wenn irgendwo Windräder hingebaut werden sollen, dass sie auch gebaut werden. Wir als Gemeinde haben sowieso sehr selten Einfluss darauf."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete rbb am 16. August 2022 um 08:30 Uhr in der Sendung "Antenne Brandenburg".