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EU-Agrarsubventionen Große Unternehmen bleiben Hauptprofiteure

Stand: 01.12.2022 18:00 Uhr

Der größte Posten im EU-Haushalt sind mit 450 Milliarden Euro die Agrarsubventionen. Anders als versprochen profitieren noch immer große Unternehmen. Wie problematisch die Verteilung auch sonst ist, zeigt eine Analyse von NDR, WDR und SZ.

Von Von Sarah Wippermann und Daniel Drepper, NDR/WDR

Jedes Jahr verteilt die Europäische Kommission mehr als 50 Milliarden Euro Agrarsubventionen. Deutschland profitiert nach Frankreich und Spanien am meisten davon. Mehr als 400.000 Empfänger bekamen hierzulande seit 2014 gut 53 Milliarden Euro. Die Subventionen gehen dabei vor allem nach Bayern und Niedersachsen, die in den vergangenen Jahren zusammen rund ein Drittel der deutschen Subventionen erhalten haben. 

Dies ergibt die Auswertung einer Datenbank des Projektes "Farmsubsidies" zur Frage, wer besonders viele Subventionen bekommen hat und welche Probleme das mit sich bringt. 

Ungleiche Verteilung

Deutsche Landwirte erhielten im Schnitt für die vergangenen acht Jahre 127.000 Euro. Doch die Schere geht weit auseinander: Das oberste Prozent der Empfänger erhielt fast ein Viertel aller Subventionen - also mehr als zwölf Milliarden Euro oder knapp 30.000 Euro pro Betrieb im Monat. Die gesamte untere Hälfte der kleinen landwirtschaftlichen Betriebe und Landwirte zusammen dagegen weniger als vier Milliarden. Das sind gerade einmal 200 Euro pro Betrieb im Monat.

Die problematischen Tendenzen zeigen sich in ganz Europa. In den acht untersuchten Ländern gehören vor allem große Unternehmen und öffentliche Einrichtungen zu den Profiteuren der Subventionen. In allen Ländern nehmen wenige große Empfänger das meiste Geld ein. Die Verteilung ist oft sogar noch ungleicher als in Deutschland. Das oberste Prozent der Empfänger kassiert in Europa mehr als ein Drittel aller Subventionen. Immer wieder zeigt sich, dass eigentlich branchenfremde Investoren und Institutionen von den landwirtschaftlichen Subventionen profitieren. So geht in Österreich und Polen viel Geld an die katholische Kirche.

RWE, BASF, Bayer erhalten Subventionen

Der Energiekonzern RWE erhielt seit 2014 mehr als drei Millionen Euro. Auf Anfrage schrieb ein Sprecher, dass RWE Böden, die für den Bergbau genutzt wurden, für die Landwirtschaft rekultivierten. Dazu gehörten auch Agrarsubventionen, weil diese sonst für nachfolgende Landwirte nicht mehr zur Verfügung stünden. Die Bayer AG und BASF erhielten jeweils rund eine Millionen Euro.

BASF betreibt den "Gutsbetrieb Rehütte". Alle landwirtschaftlichen Betriebe könnten Subventionen beantragen. Der Gutsbetrieb sei ein klassischer landwirtschaftlicher Betrieb, so ein Sprecher von BASF. Um nachhaltig und wirtschaftlich zu arbeiten, böten die Subventionen Unterstützung. Die Bayer AG produziere auf ihren eigenen oder gepachteten Flächen Futtermittel, so ein Sprecher des Unternehmens. Zudem nützten sie diese auch für die vorgeschriebenen Prüfungen von Pflanzenschutzmitteln vor der Zulassung.

Subventionen auch bei hohen Treibhausgas-Emissionen

Besonders üppig werden in Deutschland ehemalige Staatsbetriebe aus der früheren DDR bedacht. Nach der Wiedervereinigung wurden die sogenannten Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften privatisiert, wodurch große Flächen an einzelne Privat-Unternehmer gingen. Allein unter den 100 größten Empfängern in Deutschland befinden sich der Analyse zufolge mindestens 24 ehemalige DDR-Produktionsgenossenschaften. 

Sieben der zehn größten Fleischproduzenten haben in den vergangenen Jahren Agrarsubventionen erhalten und auch Betriebe, die gegen das Tierschutzgesetz verstoßen haben, sind unter den Empfängern. Entgegen der klimapolitischen Zielsetzungen der Agrarsubventionen, finden sich auch etliche große Firmen in der Datenbank, die mit hohen Treibhausgas-Emissionen wesentlich zur Klimakrise beitragen.

Stiftungen erhalten Gelder

Viel Geld geht zudem seit Jahren an große Investoren und Stiftungen von Unternehmern. Die Bundesregierung veröffentlichte 2020 eine Liste mit landwirtschaftlichen Betrieben, die mittlerweile zu großen Holdings gehören. NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung" (SZ) haben diese Angaben mit der neuen Datenbank abgeglichen. Demnach erhielten Betriebe, die zur DAH-Holding der Familienstiftung des Bauunternehmers Zech gehören, seit 2018 mindestens 21,5 Millionen Euro Agrarsubventionen.

Die Lukas-Stiftung, eine Eigentümerstiftung der Unternehmensgruppe von Aldi-Nord, erhielt seit 2019 etwa 2,7 Millionen Euro, die Lindthorst-Gruppe knapp 12,5 Millionen Euro und die Steinhoff-Familienholding mindestens 11,6 Millionen Euro.

Auf Anfrage betonten sowohl die DAH-Gruppe als auch die Lukas Stiftung, dass die Agrarsubventionen bei den jeweiligen Landwirten ankämen. "Ich glaube die Form, wie es die Zusammenschlüsse gibt, die sollte unerheblich sein für die Förderung. Ob es nun ein loser Zusammenschluss, ein Unternehmensverbund oder ein Maschinenring oder ein Genossenschaftsprinzip ist", schreibt Felix Colsman, Geschäftsführer der DAH-Gruppe. Die Bewirtschaftung sei nur durch Subventionen möglich. Die Lindthorst-Gruppe und die Steinhoff-Familienholding äußerten sich auf Anfrage nicht.

Reform zuletzt um zwei Jahre verschoben

"Es ist einfach irrsinnig viel Steuergeld, das da ausgegeben wird. Und es profitieren vor allem Großgrundbesitzer", sagt Karl Bär, Bundestagsabgeordneter der Grünen. Bär schlägt deshalb vor, die Basisprämie, die einfach pro Hektar Geld an die Landwirte verteilt wird, komplett abzuschaffen. Das Geld solle stattdessen in Projekte fließen, die an konkrete Umweltvorgaben gebunden sind.

Das Landwirtschaftsministerium schreibt, es strebe für die Zukunft "ein Modell an, das umsteuert und verstärkt Gemeinwohlleistungen kleinerer und mittlerer Betriebe honoriert". Das Ministerium nennt diese Maßnahme "Umverteilungseinkommensstützung".

Der Kampf ums Geld und die unterschiedlichen Interessen ist so hart, dass eine Reform der Agrarsubventionen zuletzt um zwei Jahre verschoben werden musste. Nun ändern sich die Regeln statt wie geplant Anfang 2021 erst in wenigen Wochen. Zum einen wird dann die Basisprämie abgesenkt: Der Betrag pro Hektar sinkt. Dafür können sich Landwirte aber auf besondere Öko-Förderungen bewerben.

Zum anderen können die einzelnen Länder nun mit nationalen Strategieplänen ihre eigenen Schwerpunkte setzen. Die jeweiligen nationalen Pläne wurden zuletzt in Brüssel von vielen Seiten kritisiert. Die zuständige EU-Direktion für Landwirtschaft schreibt auf Anfrage, die nationalen Strategiepläne unterstützten eine ökologischere Landwirtschaft. Es gebe jedoch keine konkreten Vorgaben, bestimmte Ziele zu erreichen. Dies sei den Mitgliedsstaaten überlassen. 

In Deutschland sieht der Koalitionsvertrag vor, dass spätestens zur Mitte der Legislaturperiode überprüft wird, ob die aktuelle Strategie dazu führt, ökologische Landwirtschaft wirklich zu fördern. Für die Zeit ab 2027 will die Bundesregierung dann ein Konzept vorlegen, um die bisherigen Direktzahlungen für die reine Fläche der Betriebe durch die Honorierung von Klima- und Umweltleistungen zu ersetzen.

Die Farmsubsidies-Daten wurden in den vergangenen Jahren von FragDenStaat in Kooperation mit Arena for Journalism in Europe gesammelt und wurden nun gemeinsam analysiert von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung sowie CORRECTIV, Der Standard, IrpiMedia, Reporter.lu, Reporters United Greece, Expresso, Follow The Money und Gazeta Wyborcza.

Benedikt Strunz, Benedikt Strunz, NDR, 30.11.2022 18:53 Uhr