Zwei Schülerinnen einer Kieler Schule sitzen an einem gekippten Fenster
Exklusiv

Corona in Deutschland Luftfilter - zu teuer für die Schulen?

Stand: 22.10.2020 11:46 Uhr

Im Kampf gegen die Ausbreitung von Corona-Viren in Klassenzimmern könnten mobile Luftfilteranlagen eine wichtige Rolle spielen. Doch vielen Landesregierungen sind sie offenbar zu teuer, wie Monitor-Recherchen zeigen.

Von Lisa Seemann und Shafagh Laghai, WDR

Lüften, lüften, lüften - so lautet der Ratschlag des Umweltbundesamtes und der Politik an die Schulen, um das Ansteckungsrisiko mit Covid-19 zu verringern. Für Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, geht das jedoch an der Realität vieler Schulen vorbei. Er schätzt, dass in etwa 100.000 Klassenräumen nicht richtig gelüftet werden kann. Sie müssten dann diese Räume sperren. Das würde aber einen massiven Unterrichtsausfall und für einen Teil der Schüler einen sofortigen Wechsel in den Fernunterricht bedeuten. Oder, so Meidinger: "Wir brauchen zusätzliche Möglichkeiten, hier die Luft rein zu halten. Das sind eben dann Luftreinigungsfilter."

Doch bei technischen Lösungen wie mobilen Luftfilteranlagen winkt die Mehrheit der Landesregierungen bisher ab. Aus einer aktuellen Umfrage des ARD-Magazins Monitor bei den Kultusministerien der Länder geht hervor, dass acht Bundesländer keine Anschaffung der Geräte planen und es ihren Schulträgern im Land auch nicht empfehlen wollen. Einige verweisen darauf, dass es "keine eindeutige wissenschaftliche Meinung" gäbe.

"Konzentration an Partikeln sinkt"

Das ist insofern verwunderlich, da selbst das Umweltbundesamt, die Behörde, die die Kultusminister berät, die Wirksamkeit der Geräte bei richtiger Anwendung anerkennt. "Die mobilen Luftreinigungsgräte sorgen in jedem Fall dafür, dass die Konzentration an infektiösen Partikeln absinkt. Allerdings müssen die Anlagen entsprechend dimensioniert und richtig aufgestellt werden", sagt Wolfram Birmili vom Umweltbundesamt. Es muss sich jemand um die Geräte kümmern und die Filter müssen regelmäßig gewechselt werden. Kostenpunkt in der Anschaffung: Je nach Gerät pro Klassenzimmer zwischen 1000 und 3000 Euro.

Experten weisen darauf hin, dass mobile Luftfilteranlagen besonders in Klassenräumen nützlich wären, in denen nicht ausreichend stoß- und quergelüftet werden kann, um ansteckende Aerosole aus der Raumluft zu entfernen. In Fachkreisen ist mittlerweile unstrittig, dass sogenannte HEPA-Filter der Klasse H13 und H14 effektiv Aerosole und damit auch Viren aus der Luft filtern. Dass sie auch in Klassenräumen effektiv sind, zeigen neuste Studien.

90 Prozent der Aerosole entfernt

Joachim Curtius von der Goethe-Universität in Frankfurt hat in einer Wiesbadener Schule mobile Luftfilteranlagen getestet - vier kleine Geräte mit HEPA-Filter, verteilt in einem Klassenzimmer. Das Ergebnis: 100 Prozent Schutz vor Aerosolen habe man nicht, aber "in einem typischen Klassenzimmer konnten in einer halben Stunde 90 Prozent der Aerosole entfernt werden". Daher "gibt es eigentlich keine Gründe, warum man die Luftreiniger nicht im Klassenraum einsetzen sollte", so der Forscher. Zusätzliches Lüften sei aber weiterhin notwendig, um die verbrauchte Luft gegen Frischluft auszutauschen.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch Untersuchungen von Christian Kähler von der Bundeswehruniversität in München. Die Geräte würden Aerosolpartikel und damit auch Viren aus der Luft filtern. Sie seien ein effektiver Schutz "selbstverständlich auch vor Corona".

Würde "Unsummen verschlingen"

Warum dann die Zurückhaltung vieler Bundesländer? Für Heinz-Peter Meidinger vom Deutschen Lehrerverband ist die Sache klar: "Es ist den Schulträgern, es ist den Ländern, die ja dafür zuständig wären, zu teuer." Noch Ende August hatte das die NRW-Bildungsministerin Yvonne Gebauer offen so ausgesprochen. Sie halte von den Geräten viel, aber die Anschaffung für alle Klassenzimmer würde "Unsummen verschlingen".

Diese Woche dann eine Kehrtwende in NRW: Das Land hat ein neues Förderprogramm aufgelegt. 50 Millionen Euro für mobile Luftreiniger in Klassenzimmern, die nicht ausreichend gelüftet werden können. Auch Hessen und Rheinland-Pfalz haben erst in dieser Woche ähnliche Programme auf den Weg gebracht, Bayern fördert sie seit Anfang des Monats. Insgesamt bieten aber nur vier von 16 Bundesländern ihren Schulen aktuell finanzielle Unterstützung für mobile Filteranlagen an.

Landesbehörden nutzen Luftfilter

Während die Landesregierungen mit Förderprogrammen für Schulen zögern, haben einige Landesbehörden nach Monitor-Recherchen diese Geräte für sich selbst bereits angeschafft. Das Staatsministerium Baden-Württemberg zum Beispiel nutzt sie "vor allem in der hauseigenen Kantine zum Schutz der Beschäftigten oder bei größeren Terminen zum Schutz der Teilnehmenden", heißt es. Auch die Hessische Staatskanzlei hatte sie in der Corona-Pandemie angeschafft, der Landtag NRW hat sich nach einem Testbetrieb auch für die Anschaffung mehrerer Geräte entschieden.

Eine Investition in mobile Luftfiltergeräte - auch in Schulen - ist für Joachim Curtius von der Goethe-Universität prinzipiell auch langfristig sinnvoll - "bezüglich Grippe-Viren und Feinstaubbelastung. Insofern ist es auch nicht nur beschränkt auf die nächsten drei, vier Monate, sondern eigentlich dauerhaft".

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die ARD in Monitor am 22. Oktober 2020 um 22:05 Uhr.