Das grün-schwarze Logo des russischen Auslandssenders RT
Analyse

Russischer Auslandssender Wie RT Deutsch ins Fernsehen will

Stand: 18.01.2022 12:34 Uhr

Seit Jahren will der russische Auslandssender RT in Deutschland einen Fernsehkanal etablieren. Im Dezember startete er ein Programm, aber es bleibt ein Katz-und-Maus-Spiel mit den Behörden.

Eine Analyse von Silvia Stöber

Am 16. Dezember hat der russische Auslandssender RT DE sein lange angekündigtes deutschsprachiges Fernsehprogramm gestartet. Es dauerte nur wenige Tage, bis die Übertragung von einem Satelliten aus wieder eingestellt wurde. Der Fall ist zu einem Ringen zwischen Russland und den Behörden geworden, in Deutschland eine weitere, zumal starke Waffe im "Informationskrieg", wie es von russischer Seite immer wieder heißt, zu etablieren.

Geplant war ein Fernsehsender von Anfang an, wie RT-DE-Programmdirektor Alexander Korostelev im April 2021 dem Sender Arte sagte. Seit dem Start 2014 war RT Deutsch lediglich mit einer Website, Videoshows und in den sozialen Medien präsent - mangels Rundfunklizenz. Die Gewährung einer solchen regelt der Medienstaatsvertrag. Laut §53 (3) darf eine Zulassung, abgesehen von Ausnahmen, nicht an öffentliche und staatliche Stellen im In- und Ausland erteilt werden. Dieses Gebot der Staatsferne resultiert aus den Erfahrungen des Nationalsozialismus.

Eine Frage der Staatsferne

Ein wesentlicher Aspekt ist die Finanzierung. Nach Angaben von RT DE wird die Mutterorganisation TV Novosti "aus dem öffentlichen Haushalt der Russischen Föderation finanziert". Nach Angaben von RT-Vizechefredakteurin Anna Belkina erhält der Fernsehsender RT DE im Jahr 2022 ein Budget in Höhe von 2,8 Milliarden Rubel (etwa 32 Millionen Euro) aus dem Staatshaushalt.

Die Bundesregierung bewertet RT Deutsch und andere Medien oder Tochterunternehmen als "Schlüsselakteure in einem komplexen Netzwerk, das ihre Narrative im Auftrag russischer staatlicher Stellen verbreitet, unter anderem mit dem Ziel, den politischen Meinungsbildungsprozess in Deutschland zu beeinflussen." Dies steht in einer Antwort auf eine Anfrage von FDP-Bundestagsabgeordneten im September 2020.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz schrieb in seinem Jahresbericht 2020, russische Staatsmedien seien ein Instrument, um die öffentliche Meinung in Deutschland durch Propaganda, Desinformation und andere Versuche der Einflussnahme zu Gunsten Russlands zu lenken. Im Bericht 2019 werden in diesem Zusammenhang konkret "der Internetsender RT Deutsch sowie die Nachrichtenagentur Sputnik" genannt.

Äußerungen führender RT-Mitarbeiterinnen zeigen, dass sie RT selbst nicht als klassisches Informationsmedium sehen. So sagte die Geschäftsführerin der RT DE Productions GmbH, Dinara Toktosunova, dem Sender Arte im April 2021: "Ich glaube, die ganze Welt befindet sich im Krieg um Informationen. Wenn Sie fragen, wo der Dritte Weltkrieg stattfindet, dann in der Informationssphäre. In diesem Zusammenhang befinden wir uns natürlich alle in diesem Krieg." Dies spiegelt Aussagen von RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan wieder, die bereits seit 2012 von einem Informationskrieg und RT als Waffe spricht.

Auf Umwegen zum Fernsehprogramm

Nachvollziehbar ist, dass RT in verschiedenen Schritten versuchte, ein Fernsehprogramm in Deutschland zu etablieren. Womöglich wurde die Beantragung einer bundesweiten Rundfunklizenz vorbereitet - eine Frage dazu beantwortete Belkina nicht. Zumindest gab es 2019 Pläne, für RT Deutsch einen Beirat "renommierter deutscher Persönlichkeiten aus den wichtigsten gesellschaftlichen Gruppierungen" zu gründen, wie der damalige Chefredakteur Ivan Rodionov dem Berliner "Tagesspiegel" sagte.

2021 entschied sich RT für einen anderen Weg: Die Mutterorganisation TV Novosti versuchte zunächst, EU-Regularien über europaweite Ausstrahlung zu nutzen. Am 15. Juni 2021 reichte TV Novosti in Luxemburg einen Antrag ein. Doch wies das dortige Staatsministerium den Antrag mit Verweis auf die Zuständigkeit der deutschen Behörden zurück. Entsprechend der EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste habe man sich dazu mit den zuständigen Stellen in Deutschland verständigt.

Lizenz in Serbien

RT DE blieb auch danach bei seiner Anfang 2021 gemachten Ankündigung, im Dezember auf Sendung zu gehen. Wie dann klar wurde, sollte dies im Rahmen des Europäischen Übereinkommens über grenzüberschreitendes Fernsehen des Europarates geschehen. In Serbien erhielt TV Novosti eine Lizenz, mit der RT DE schließlich am 16. Dezember über die Satelliten 9B und 16A des Betreibers Eutelsat auf Sendung ging.

Am nächsten Tag leitete die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) als unabhängige Aufsichtsbehörde jedoch ein Verfahren ein, weil die erforderliche Sendelizenz für eine bundesweite Ausstrahlung in Deutschland weder beantragt, noch erteilt worden sei. Am 22. Dezember stellte Eutelsat die Ausstrahlung auf dem Satelliten 9B ein.

Mit Verweis auf die genannte Europaratskonvention protestierte RT und kündigte an, alle rechtlichen Mittel auszuschöpfen. Belkina erklärt dazu: "Unsere Lizenzierungslösung ist eine optimale Lösung für einen internationalen deutschsprachigen Sender, die alle geltenden rechtlichen und regulatorischen Anforderungen des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen (ECTT) erfüllt, wodurch RT DE von Zuschauern in ganz Europa, einschließlich Deutschland, empfangen werden kann." Weitere Lizenzen seien nicht erforderlich.

Wo hat RT DE seinen Sitz?

Der Rechtsstreit fokussiert sich nun darauf, wo RT DE seinen Sitz hat und ob er damit der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt. Offenbar plante RT dies ein: Bis Anfang Juni war die RT DE Productions GmbH mit Geschäftsführerin Dinara Toktosunova im Impressum der Seite rt.de.com als verantwortlich angegeben. Kurz darauf wurde dies geändert, seitdem steht dort TV Novosti mit Sitz in Moskau.

RT ging deswegen sogar gegen "Bild" vor Gericht: Die Zeitung hatte geschrieben, den Antrag in Luxemburg habe am 15. Juni die RT DE Productions GmbH gestellt - statt korrekterweise TV Novosti zu nennen.

Belkina erklärte auf Anfrage von tagesschau.de: "Die redaktionelle Aufsicht und die Entscheidungsfindung für den Sender RT DE finden in Moskau statt, und die Inhalte werden für die Ausstrahlung in deutscher Sprache bei einer Reihe von Quellen in Auftrag gegeben." Sie ergänzte, RT sei in redaktioneller und operativer Hinsicht unabhängig von jeder Regierung. Im Interview mit dem NDR-Magazin ZAPP hatte Programmdirektor Korostelev am Produktionsstandort Berlin Adlershof gesagt: "Wir hier vor Ort bestimmen, welche Themen von Relevanz sind."

Aufsichtsbehörde in Berlin sieht sich zuständig

Die Aufsichtsbehörde MABB wiederum geht davon aus, "dass die RT DE Productions GmbH mit Sitz in Berlin für das Programm medienrechtlich verantwortlich ist". Das teilte Sprecherin Melanie Wenzl auf Anfrage von tagesschau.de mit. Die Lizenz, die TV Novosti nach Angaben von RT DE in Serbien erhalten habe, stelle "nach derzeitiger Einschätzung der MABB keine ausreichende Grundlage für eine Verbreitung des Programms der RT DE Productions GmbH in Deutschland dar".

Die RT DE Productions GmbH habe fristgerecht am 30. Dezember 2021 zu einem Anhörungsschreiben der MABB Stellung genommen und Akteneinsicht beantragt. Dies und eine Verlängerung der Frist für eine Stellungnahme bis zum 14. Januar habe die MABB gewährt. Daraufhin habe die RT DE Productions GmbH wiederum fristgerecht Stellung genommen, ergänzte Wenzl.

Da es sich um einen bundesweiten Sachverhalt handele, werde die Gemeinschaft der Medienanstalten (Kommission zur Zulassung und Aufsicht - ZAK) diesen prüfen und voraussichtlich Anfang Februar einen Beschluss fassen. RT DE sendet derweil weiter auf dem Satelliten Eutelsat 16A. Empfangbar ist das Programm über Smart TV, Apps und online.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 28. September 2021 um 22:45Uhr.