Eine Drohnenaufnahme eines Offshore-Windpark.

Schleswig-Holstein Windräder auf See stehen häufiger still - vor allem vor SH

Stand: 25.04.2024 05:00 Uhr

Offshore-Windräder könnten deutlich mehr Strom nach SH liefern. Die Netzbetreiber schalten sie aber verstärkt ab, weil Leitungen überlastet sind. Das erhöht den Strompreis.

Wenn Windanlagen bei einer frischen Brise an Land nicht laufen, dann fällt das auf. Auf See, Dutzende Kilometer vor der Küste, bekommt es kaum jemand mit. Genau das passiert verstärkt seit dem vergangenen Jahr. Nach einer neuen Statistik der Bundesnetzagentur, die dem NDR vorliegt, haben sich die Abregelungen von Offshore-Windanlagen, die mit dem Stromnetz in Schleswig-Holstein verknüpft sind, 2023 verdreifacht.

Inzwischen wird ein Drittel der möglichen Offshore-Stromproduktion aus Schleswig-Holstein nicht genutzt. Die Vervielfachung betrifft fast ausschließlich die Kabelstränge, die im Kreis Dithmarschen von den Windparks auf der Nordsee an Land gelangen. Bundesweit werden derzeit (Stand: 25. April 2024) etwa sechs Prozent der Windenergie mit nur leicht steigender Tendenz gedrosselt.

Offshore-Abschaltungen verdreifachen sich trotz Flaute beim Zubau

Die Entwicklung in Schleswig-Holstein verwundert, weil in den vergangenen beiden Jahren kaum Windanlagen auf hoher See hinzugekommen sind. Nur auf der Ostsee vor der Küste von Mecklenburg-Vorpommern gab es einen geringen Zubau. Als Ursache für die Offshore-Abschaltungen nennt der Netzbetreiber Tennet auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein die bundesweiten Engpässe im Stromnetz und dass es "kaum noch konventionelle Großkraftwerke im Norden gibt, die stattdessen gedrosselt werden könnten". Mehrere Flaschenhälse befinden sich nach Angaben der Bundesnetzagentur aktuell in Niedersachsen.

Große Windparks auf See eignen sich, Schwankungen im Stromnetz auszugleichen

Tatsächlich stellen immer mehr Kohlekraftwerke den Betrieb ein, vor allem in Nordrhein-Westfalen. Relevante Abschalttermine waren bereits 2021 sowie kürzlich Ende März 2024. Nach den Zahlen der Bundesnetzagentur sind insbesondere Steinkohlekraftwerke aus dem "Netzengpassmanagement" in den vergangenen beiden Jahren verschwunden.

Die verbleibenden Braunkohlekraftwerke gelten grundsätzlich als zu träge, um Schwankungen im Stromnetz schnell auszugleichen. Die Abschaltung der Atomkraft spielt kaum eine Rolle. Bis zu ihrer Abschaltung im April 2023 tauchten die Meiler nur mit geringen Leistungen in den Statistiken auf, da sie begrenzt flexibel waren.

Photovoltaik wird in SH kaum abgeschaltet

Netzbetreiber Tennet nennt auch den Ausbau der Windenergie an Land als Ursache. Die Abschaltungen an Land sind in Schleswig-Holstein 2023 leicht zurückgegangen. Statt viele Einzelanlagen zu drosseln, kann es effektiver sein, die großen Windparks auf See zu regulieren: Laut Tennet hängen sie direkt an den Stromautobahnen und haben damit eine größere Entlastungswirkung.

Photovoltaik ist im Norden kaum von netzbedingten Drosselungen betroffen, obwohl bundesweit in den Mittagsstunden immer öfter ein Überangebot von Sonnenstrom zu verzeichnen ist. Auch Biomasse spielt hier bisher kaum eine Rolle.

Verteuerung von 0,6 Cent pro Kilowattstunde durch Netzengpässe

Engpässe im Stromnetz verursachten 2023 nach Angaben der Bundesnetzagentur Kosten von 3,1 Milliarden Euro. Diese entstehen vor allem, weil Unternehmen in Süddeutschland Strom von Anlagen im Norden kaufen können, der technisch aufgrund der schwachen Stromleitungen gar nicht lieferbar ist.

Unterschiedliche Preiszonen im Großhandel könnten dies beheben, sind aber politisch umstritten. Die Folge: Kohle- und Gaskraftwerke springen im Süden an, um den nicht lieferbaren Windstrom zu ersetzen. Dies verursacht die höchsten Kosten. Außerdem werden Windpark-Betreiber entschädigt.

Umgelegt auf den gesamten deutschen Stromverbrauch verteuert sich die Kilowattstunde durch die Engpässe um 0,6 Cent (nach den Daten von 2023). Allerdings tragen Haushalte dabei einen höheren Anteil an den Netzentgelten als Industrie und Gewerbe.

In der Summe bewegen sich die Abschaltungen auf Land und See in Schleswig-Holstein wieder auf dem Niveau von 2015 bis 2020. Zwar erwartet Staatssekretär Joschka Knuth im schleswig-holsteinischen Energiewendeministerium, dass mit der verspäteten Inbetriebnahme des Suedlink-Kabels 2028 die Engpässe vorerst beseitigt sein werden. Doch danach geht der Offshore-Ausbau erst richtig in die Vollen.

Bis 2040 stehen nach dem Netzentwicklungsplan 17 Gigawatt Offshore-Leistung, die bei Starkwind in SH ankommen soll, nur 14 Gigawatt für den Abtransport per Gleichstrom nach Süddeutschland gegenüber. Auch das Wechselstromnetz wird verstärkt, das weitere Energie verteilen kann.

So viel zusätzliche Leistung von Offshore-Windparks kommt in SH bis 2040 hinzu*
Jahr Leistung Anschlusspunkt
2027 0,98 GW Büttel (Kreis Dithmarschen)
2030 4 GW Heide (Kreis Dithmarschen)
2033/34 4 GW Pöschendorf (Kreis Steinburg)
2035/38 4 GW Sahms (Kreis Herzogtum Lauenburg)
2036 2 GW Hardebek (Kreis Segeberg)
2039 2 GW Brunsbüttel (Kreis Dithmarschen)

*Quellen: Netzentwicklungsplan / Tennet

Perspektive bis 2040: Stromüberschuss im Norden

Auch an Land entstehen aber neue Wind- und Solarparks, so dass die Lücke noch wachsen könnte, falls der Verbrauch im Norden nicht entsprechend steigt. Dies erhöht den Anreiz, den Strom vor Ort - wie etwa in der Batteriefabrik Northvolt bei Heide (Kreis Dithmarschen) oder zur Herstellung von Grünem Wasserstoff - zu nutzen. Dabei wünscht sich Tennet, dass die neuen Großverbraucher den Strom vor allem in den Stunden nutzen, in denen ein Überangebot vorhanden ist.

Diese "Stromautobahnen" sollen die Windenergie aus SH nach Süden übertragen*
Jahr Leistung Name Anschlusspunkt
2028 2 GW Suedlink Vorhaben 3 Brunsbüttel (Kreis Dithmarschen)
2028 2 GW Suedlink Vorhaben 4 Wilster (Kreis Steinburg)
Anfang 2030er 2 GW Korridor B Heide-West (Kreis Dithmarschen)
2032 2 GW NordOstLink Heide (Kreis Dithmarschen)
2032 2 GW NordOstLink Pöschendorf (Kreis Steinburg)
2037 4 GW SuedWestLink Sahms (Kreis Herzogtum Lauenburg)

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 25.04.2024 | 08:00 Uhr