Straßenschild vom Birkenweg in Süderbrarup. Eine Siedlung mit neueren Einfamilienhäusern ist dahinter zu sehen.

Schleswig-Holstein Hohe Preise für Fernwärme in SH noch bis Jahresende

Stand: 23.04.2024 05:00 Uhr

Wer ein durchschnittlich gedämmtes Haus mit Fernwärme heizt, zahlt in diesem Jahr besonders viel. 2.500 bis 6.000 Euro. Dabei sind die Energiepreise grundsätzlich gesunken. Verbraucherschützer sehen Ungereimtheiten.

Von Peer-Axel Kroeske

Der Birkenweg in Süderbrarup (Kreis Schleswig-Flensburg) gehört in diesem Jahr zu den teuren Pflastern in Schleswig-Holstein. Der Grund ist das Blockheizkraftwerk des Unternehmens Hansewerk Natur. Wer eines der Häuser damit heizt, würde bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden und den aktuellen Preisen knapp 6.000 Euro im Jahr bezahlen. Im Stichproben-Vergleich von NDR Schleswig-Holstein liegt die Siedlung damit preislich an der Spitze. Das Problem: Fernwärme-Kunden können dabei nicht einfach den Anbieter wechseln.

Süderbraruper suchen nach Alternativen

"Wir haben gerade entschieden, uns eine Wärmepumpe zu kaufen, weil das einfach zu teuer ist," berichtet Anwohnerin Gabi Knuth. Hier müsste man mit demselben Verbrauch nur mit 1.250 Euro Heizkosten pro Jahr kalkulieren. Ihr Nachbar Heiko Andresen überlegt das auch. Und Heiko Busch freut sich, dass er schon vor 18 Jahren auf Erdwärme gesetzt hat. Die Investitionskosten waren hoch. Doch jetzt zahle er knapp 1.000 Euro pro Jahr für sein 300 Quadratmeter-Haus, bei geringen Wartungskosten. Im Birkenweg geht es nur um ein paar Dutzend Haushalte am Wärmenetz - und je weniger es werden, umso mehr schlagen die Kosten auf die verbleibenden Verbraucher durch. Doch auch die Fernwärmepreise in den großen städtischen Netzen in Schleswig-Holstein erreichen in diesem Jahr ein extremes Niveau.

Das Blockheizkraftwerk am Birkenweg in Süderbrarup: Ein Betriebsgebäude etwa zu groß wie ein Haus, dahinter steht ein Schornstein.

Hier entsteht die momentan sehr teure Wärmeenergie für die Birkenweg-Siedlung in Süderbrarup. Im Blockheitkraftwerk wird dazu Erdgas verbrannt.

Preisbremse und reduzierte Mehrwertsteuer sind ausgelaufen

Hauptgrund ist die verzögerte Preiswirkung bei den Wärmepreisen. Meist werden sie für das komplette Jahr einheitlich festgesetzt, stellt die Landes-Verbraucherzentrale (VZSH) fest. Dabei gelten Faktoren, die jeder Anbieter in einer Formel veröffentlichen muss. In diese fließen zurückliegende Großhandels-Energiepreise in unterschiedlicher Gewichtung ein.

Im laufenden Jahr beziehen sich die Preise bei mehreren Anbietern auf den Zeitraum von September 2022 bis September 2023, sagt Energieexperte Tom Janneck von der VZSH. Und damit liegen zumindest die Anfangsmonate noch in der Zeit, als die Gaspreise Rekordwerte erklommen hatten. Auch im vergangenen Jahr waren die Fernwärmepreise schon hoch. Einen Teil hatte aber der Staat bezahlt. Inzwischen sind die Preisbremsen ausgelaufen. Zudem hat die Bundesregierung die zwischenzeitlich auf 7 Prozent reduzierte Mehrwertsteuer für Energie seit Anfang April wieder auf den ursprünglichen Wert von 19 Prozent gesetzt.

Schon 2.200 Unterstützer der Sammelklagen

Besonders viele Beschwerden in Schleswig-Holstein sind von Kunden des Unternehmens Hansewerk Natur eingegangen, das etliche kleine Fernwärmenetze im Land betreibt, berichtet Janneck. Der Bundesverband bietet an, sich für 35 Euro an einer Sammelklage zu beteiligen, um sicher zu gehen, dass Ansprüche nicht nach drei Jahren verfallen. Eine weitere ist gegen den Versorger EON geplant. Bundesweit insgesamt 2.200 Kunden wollen Stand Ende März 2024 bereits mitmachen. Ein Sonderfall ist das Unternehmen Getec, das von Bewohnern einzelner Wohnblocks in Pinneberg zum Teil Tausende Euro als Nachzahlung verlangte. Hier steht laut Verbraucherzentrale eine außergerichtliche Einigung an.

Ist die Preisformel fair?

Die Versorger berufen sich meist darauf, dass sie lediglich einfordern, was die Preisformel vorgibt. Doch Hansewerk Natur habe beispielsweise von einer dreimonatigen Berechnung auf einen jährlichen Rhythmus umgestellt, so Janneck. Dadurch stieg der Preis zunächst schnell an, falle aber nun mit Verzögerung. Die Formeln etlicher Versorger produzieren zudem Verzerrungen in extremen Situationen: Wenn der Einkaufspreis für Gas beispielsweise um 5 Cent steigt, müssten Verbraucher gleich 15 Cent pro Kilowattstunde mehr zahlen.

Zahlen unter Vorbehalt

Die Verbraucherzentrale rät daher, Widerspruch einzulegen und Rechnungen nur unter Vorbehalt zu zahlen. Wer risikobereit ist, könne auch einen reduzierten Preis zahlen. Hiervon sei ohne Rechtsschutzversicherung aber abzuraten, da es dann vermutlich zum Prozess komme und der Versorger im schlimmsten Fall die Wärmelieferung einstellt. In beiden Fällen ist eine gute Begründung notwendig. Absehbar ist zumindest, dass die Fernwärmepreise im kommenden Jahr flächendeckend wieder fallen, falls der Energiemarkt keine neuen Turbulenzen bereit hält.

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 23.04.2024 | 08:00 Uhr