Ein Zählbrett hilft Björn dabei, genau 30 Bohnen in die Tüte zu legen.

Rheinland-Pfalz Ahrtaler Köksje: Eifeler Verein bringt alte Bohne zurück ins Ahrtal

Stand: 26.04.2024 06:05 Uhr

Um eine alte Stangenbohne aus dem Ahrtal zu erhalten, baut ein Verein sie in seinem Garten in Niederstadtfeld an. Und hat die Idee, die Ernte zurück in ihre Heimat zu bringen.

Matthias schneidet die Tüten zu, Christian stempelt sie, Klaus beschriftet sie, Janine und Björn zählen Bohnen ab und füllen sie in die Tüten und Martin hat die beliebteste Aufgabe: Er tackert die Tüten am Ende zusammen. Die sechs sind heute fleißig in der Naturgartenwerkstatt des Vereins Weggemeinschaft Vulkaneifel zugange. Der Verein kümmert sich um Menschen mit unterschiedlichen geistigen Behinderungen und psychischen Erkrankungen.

In der Gartenwerkstatt der Weggemeinschaft Vulkaneifel werden Bohnen sortiert und abgepackt.

In der Gartenwerkstatt der Weggemeinschaft Vulkaneifel werden Bohnen sortiert und abgepackt.

Seit einem Jahr kümmern sich die Menschen in der Werkstatt um einen kleinen Schatz: das Ahrtaler Köksje. Das ist eine traditionelle Trockenbohnensorte aus dem Ahrtal, die vom Aussterben bedroht ist, sagt Werkstattleiterin Elfriede Schmitz: "Als Stangenbohne bietet sie sich in unserem Garten der Weggemeinschaft sehr an, weil sie hoch wächst. Menschen mit Assistenzbedarf können sie gut ernten. Es ist für meine Mitarbeiter hier eine wunderschöne Arbeit, die Bohnen aus den Hülsen zu holen."

Alte Nutzpflanzen vor dem Aussterben bewahren

Damit will die Weggemeinschaft auch etwas Gutes tun. Am 5. Mai sollen die Tüten auf der "3. Saatgut- und Pflanzentauschbörse zur naturnahen Gartengestaltung" in Insul im Ahrtal verschenkt werden. Denn bei der Jahrhundertflut 2021 sind natürlich auch einige Gärten samt Saatgut von den Wassermassen mitgerissen worden, sagt Schmitz: "Als wir die Bohne gezüchtet haben, wussten wir noch nicht, ob wir das einfach nur für den Erhalt oder auch für den Verkauf tun. Dann kam uns die Idee: Warum machen wir das nicht als Charity-Aktion fürs Ahrtal? Dann können wir vielleicht einen besonderen Beitrag leisten und jemanden wirklich froh machen."

Der besondere Beitrag besteht auch darin, altes Saatgut und die damit verbundene Nutzpflanzenvielfalt zu erhalten, bevor sie aussterben. Denn das robuste und ergiebige Ahrtaler Köksje ist anders, als andere Bohnen: "Die Bohne kocht cremig-weich, zerfällt nicht, hat einen nussigen Geschmack und ist sehr aromatisch. Es ist auch eine gute Schnippelbohne", sagt Schmitz. Sie ist gelernte Gärtnerin und hat eine Zusatzausbildung zur Arbeitserzieherin gemacht.

Seither arbeitet sie hauptberuflich in der Weggemeinschaft, engagiert sich in ihrer Freizeit aber auch im Vielfaltssortengarten auf dem Demeter-Hof in Wittlich, einem Projekt, das Saatgut alter Nutzpflanzen erhalten will. Dass beide kooperieren, ist zufällig entstanden, sagt sie: "Weil im ersten Jahr viel Saatgut angefallen ist. Das zu ernten war zu viel Arbeit für die ehrenamtlichen Gärtnerinnen vom Viefaltssortengarten. Da hab ich gesagt: Wäre das nicht eine Idee für die Gartenwerkstatt?" Die Menschen in der Weggemeinschaft trocknen, sortieren und packen das Saatgut seither ab.

Demeter gründet auf einer anthroposophischen Weltanschauung

In den 1920ern war Rudolf Steiner, der Begründer der Waldorfschule, der erste, der im Rahmen seiner anthroposophischen Weltanschauung neue Grundsätze für eine alternative Landwirtschaft aufstellte. Landwirt war Steiner nicht, aber er glaubte, dass in Gründünger und Mist kosmische Kräfte walten und dass Sterne, Planeten und Mondzyklen die Landwirtschaft erheblich beeinflussen. Seine Methodik nannte er bio-dynamisch. Demeter baut noch heute nach seinen Richtlinien an. 

Gartenwerkstatt kümmert sich um seltenes Saatgut

Und manchmal, wie beim Ahrtaler Köksje, säen und ernten sie es eben auch selbst. Das alles macht großen Spaß, sagt zum Beispiel Klaus, der heute die Tüten beschriftet: "Ich bin auch mal woanders, aber hier in der Werkstatt in Niederstadtfeld bin ich gerne, weil es so abwechslungsreich ist." Auch Christian sagt, dass er die Papiertüten gerne stempelt, die vorher aus Fehldrucken einer großen Firma gefaltet und geklebt werden. Auch das Abzählen von genau 30 Bohnen mithilfe eines Brettes bringt den Mitarbeitenden Freude.

"Das ist mittlerweile für uns als Gartenwerkstatt ein unheimlich schönes Standbein und ganz wertvoll", erzählt Schmitz. Sie hat auch Kooperationen mit einer Bäckerei und einer Kaffeerösterei und stellt zum Beispiel Gemüsekisten zusammen: "Alles, was mit Natur zu tun hat, das machen wir."

Das seltene Saatgut bekommen Vielfaltssortengarten in Wittlich und Gartenwerkstatt in Niederstadtfeld aus verschiedenen Quellen: "Von der Universität in Mainz, die auch eine Gartenabteilung hat, haben wir mal den Salat 'Mombacher Winter' bekommen und ihn vermehrt", sagt Schmitz. Es gebe auch das Projekt "Arche des Geschmacks", das sich nach eigenen Angaben um solche Pflanzensorten kümmert, die im aktuellen Lebensmittelsystem nicht mehr vorkommen, weil ihre Zucht aufwendig ist.

Ahrtaler Köksje wird im Ahrtal verschenkt

Schmitz berichtet auch von der Genbank in Gartersleben, in der Saatgut eingefroren ist: "Wenn man nachweisen kann, dass man sich um den Erhalt bemüht, kann man von dort auch Rückstellungen bekommen. Manchmal kommen auch ältere Menschen zu uns und sagen: Ich hab hier noch eine seltene Bohnensorte von meiner Tante auf dem Speicher gefunden."

So landet auch eine Ahrtaler Bohne mal in der Eifel. Und jetzt soll sie ihren Weg Anfang Mai zurück ins Ahrtal finden, freut sich Elfriede Schmitz: "Wir als Weggemeinschaft werden auf dem Gartenmarkt einen Stand haben und unsere Sachen aus der Gartenwerkstatt mitnehmen. Wir werden aber vor allem unsere abgepackten Ahrtaler Köksje abgeben an die Menschen, die Interesse haben, sie weiter zu vermehren."

Sendung am Fr., 26.4.2024 6:00 Uhr, SWR4 RP am Morgen, SWR4 Rheinland-Pfalz