Interview

Interview mit Rolf Peffekoven "Reformen schaffen zu wenig Arbeitsplätze", 06.05.03

Stand: 29.08.2007 04:42 Uhr

"Es wird nicht genug getan, um neue Arbeitsplätze zu schaffen", kritisierte der ehemalige Wirtschaftsweise Rolf Peffekoven im Interview mit tagesschau.de. Die Reformvorschläge griffen zu kurz. Peffekoven war von 1991 bis 2001 Miglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage. Er lehrt am Institut für Finanzwissenschaften der Universität Mainz.

tagesschau.de: Sind die Reformvorschläge der Regierung geeignet, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen?

Peffekoven: Ich sehe in den Regierungsplänen zumindest einen Ansatz, wie man erfolgreich versuchen kann, sie zu bekämpfen und zwar in dem Plan, Arbeitslose dazu zu verpflichten, einen angebotenen Arbeitsplatz auch anzunehmen.

tagesschau.de: Das wären in der Regel Stellen, die sehr schlecht bezahlt sind.

Peffekoven: Wir haben sehr viele gering qualifizierte Arbeitslose, die oft keine Aussicht auf eine Stelle haben. Wenn sie nach ihrer Produktivität entlohnt werden, dann sind die Löhne so niedrig, dass sie jetzt meist unterhalb der Sozialhilfe liegen. Da ist es richtig, dass man sich Gedanken darüber macht, wie man  Anreize schafft, dass eine Arbeit, wenn sie vorhanden ist, auch angenommen wird.

tagesschau.de: Könnte man denn die Krise nicht auch anders lösen? Weniger Geld heißt doch weniger Kaufkraft. Hätten die Menschen mehr Geld, kauften sie mehr, und mehr Arbeitsplätze würden dadurch entstehen.

Peffekoven: Aber wer bezahlt denn die höheren Löhne? Das sind die Unternehmen, und wenn sie das tun, sinken ihre Gewinne. Das wiederum führt zu Entlassungen an anderer Stelle. Es ist sicher richtig, dass wir in der gegenwärtigen Situation mehr Binnennachfrage sehr gut gebrauchen könnten, nur - die muss von irgendjemandem bezahlt werden. Das können weder die Unternehmer noch der Staat, der hat kein Geld für ein Konjunkturprogramm, das ohnedies nicht sinnvoll wäre. Jede Person, die wieder einen Arbeitsplatz hat, hat in der Regel auch ein höheres Einkommen, und das stärkt die Kaufkraft. Es ist sicher nicht zu bestreiten, dass bei denjenigen, wo die Arbeitslosenhilfe auf die Sozialhilfe abgesenkt wird, die Kaufkraft abnimmt. Das wird auch die Nachfrage schwächen. Aber den ersten Effekt halte ich für wichtiger. 

tagesschau.de: Wie bewerten Sie die Reformvorschläge von Regierung und Opposition?

Peffekoven: Sie gehen nicht weit genug. Es wird nicht genug getan, um neue Arbeitsplätze schaffen. Denn es hat nur Sinn, die Zumutbarkeitsregeln zu verschärfen, wenn auch tatsächlich Arbeitsplätze angeboten werden. Dies ist meine Kritik, sowohl an der Agenda 2010 als auch an den Vorschlägen der Opposition.

tagesschau.de: Was sollte die Regierung denn weiter tun? Den Kündigungsschutz will sie ja schon aufweichen.

Peffekoven: Das ist auch richtig. Aber man muss noch weiter gehen: Arbeitsplätze werden von Unternehmen geschaffen, die dafür Geld ausgeben müssen. Das macht ein Unternehmer nur dann, wenn die Aussichten günstig sind und wenn es sich für ihn lohnt. Deshalb bin ich der Meinung, dass wir die Kosten der Arbeit senken müssen, durch moderate Lohnerhöhungen, durch die Senkung der Lohnnebenkosten und auch durch Steuersenkungen.

Das Interview führte Sabine Klein, tagesschau.de