Nach den Bombenfunden Wie steht es um die Sicherheit von Luftfracht?

Stand: 01.11.2010 17:45 Uhr

Die Bombenfunde in London und Dubai haben ein Thema in die Öffentlichkeit gerückt, das Politik und Experten schon lange bekannt ist: mangelnde Sicherheit bei der Luftfracht. Doch welche Regeln gibt es überhaupt? Die wichtigsten Fragen und Antworten hat tagesschau.de zusammengestellt.

Was wird per Flugzeug verschickt?

Grundsätzlich müssen zwei Bereiche unterschieden werden: Den Löwenanteil bildet die Luftfracht, verschickt von Unternehmen aus dem In- und Ausland. Hinzu kommt der Versand von Paketen durch Privatpersonen. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr laut Statistischem Bundesamt in Deutschland 3.243.083 Tonnen per Luftfracht bewegt. Darunter sind vor allem teure, kurzlebige und verderbliche Güter. Für dieses Jahr rechnet das Bundesamt aber mit einem Zuwachs bei der Luftfracht von rund 25 Prozent.

Wie häufig wird Fracht auch in Passagierflugzeugen transportiert?

Das lässt sich nicht genau sagen und variiert auch je nach Fluggesellschaft. Luftfahrtexperte Heiner Siegmund betont aber im Gespräch mit tagesschau.de, dass selbst bei Airlines wie der Lufthansa, die eigene Frachtflieger besitzen, rund die Hälfte der Güter mit Passagiermaschinen transportiert wird. In der Branche insgesamt sind es laut dem Parlamentarischen Staatsekretär im Bundesverkehrsministerium, Jan Mücke, sogar 60 Prozent.

Welche Sicherheitsbestimmungen gelten für die Luftfracht?

In Deutschland gilt das "Dezentrale Sicherheitskonzept". Es orientiert sich an der entsprechenden Verordnung der Europäischen Union, die binnen drei Jahren umgesetzt werden muss. Demnach muss bei Luftfracht eine lückenlose Sicherheitskette dokumentiert sein. Dafür ist hierzulande das Luftfahrtbundesamt zuständig. Es soll die Hersteller von Waren und die von ihnen beauftragten Spediteure, die diese zum Flughafen bringen, überprüfen. Bis 2013 gilt aber noch eine Übergangslösung. Unabhängig davon gilt: Ist die Sicherheitskette nicht eingehalten, müssen alle Sendungen einzeln kontrolliert werden. Letzteres ist auch der Fall, wenn Privatpersonen Sachen verschicken.

Welche Regeln gelten für die Industrie?

Im Bereich der Industrie gelten - zumindest auf dem Papier - strenge Standards. Produzenten müssen sich bis 2013 über das Luftfahrtbundesamt als "bekannter Versender" registrieren lassen. Dafür muss gewährleistet sein, dass alle Mitarbeiter, die mit der zu verschickenden Ware in Kontakt kommen, sicherheitsüberprüft sind und die Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden. Dies soll vor Ort vom Luftfahrtbundesamt kontrolliert werden. So soll beispielsweise überprüft werden, ob das Lager ausreichend gesichert ist und die Mitarbeiter entsprechend geschult sind.

Auch der Spediteur, der die zu verschickende Ware zu einem Verteilzentrum oder direkt zum Flughafen bringt, wird vom Luftfahrtbundesamt überprüft. Nur wenn er alle Sicherheitsauflagen erfüllt, wird er als "reglementierter Beauftragter" eingestuft. Die so eingehaltene Sicherheitskette soll garantieren, dass keine illegalen oder gefährlichen Güter in die Luftfracht gelangen. Abgesehen von einzelnen Stichproben finden daher in diesen Fällen auch keine Kontrollen an den Flughäfen mehr statt. Kritiker wie Siegmund bezeichnen diese momentan eingeführten Regeln als "bürokratisches Monster, das keine Sicherheit gewährleistet". Sie fordern daher eher eine zentrale Überprüfung der Fracht an den Flughäfen. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte eingeräumt, dass Luftfracht bisher noch "relativ wenig" kontrolliert wird.

Wie wird Fracht von unregistrierten Versendern kontrolliert?

In diesem Fall sind für die Kontrollen die Paketdienstleister unter Aufsicht des Luftfahrtbundesamtes zuständig. Diese müssen dafür sorgen, dass alle Sendungen überprüft werden. Entweder werden die Pakete geöffnet, viel häufiger werden aber technische Geräte oder Hunde eingesetzt. Beide sind in der Lage, problematische Substanzen wie etwa Sprengstoff aufzuspüren.

Wo liegen die größten Sicherheitslücken?

Das Problem liegt vor allem in den verschiedenen nationalen Sicherheitsstandards. In vielen afrikanischen Staaten oder Ländern der ehemaligen Sowjetunion gelten weniger strengere Regeln als beispielsweise in der Europäischen Union oder den USA. Häufig wird die Luftfracht dort nicht ausreichend oder gar nicht kontrolliert. Zudem werden die ohnehin weniger strengen Sicherheitsbestimmungen in den Warenlagern oder an den Flughäfen häufig nicht eingehalten. So kann es relativ leicht passieren, dass unkontrollierte Luftfracht nach Europa kommt.

In den USA ist die Bundesbehörde "Transportation Security Administration" (Transport-sicherheitsbehörde) für einen sicheren Luftfrachtverkehr zuständig. Allerdings wird auch in den USA nicht die komplette Fracht überprüft. Für Waren, die in Passagierflugzeugen transportiert werden, gilt aber seit diesem Jahr die Regel, dass alle Güter kontrolliert werden müssen. Inwieweit das bereits umgesetzt wird, ist unklar.

Flugzeug beim Start auf dem Flughafen Zürich

Um die Sicherheit effektiv zu erhöhen, müssten für Luftfracht international verbindliche Standards gelten - und überprüft werden.

Wie könnte die Sicherheit in Deutschland erhöht werden?

Durch das bestehende System sind sehr viele Stationen und damit auch Menschen in die Sicherheitskette eingebunden. Damit gibt es auch potentiell sehr viele Angriffspunkte. Oder wie es Siegmund ausdrückt, "es besteht eine dokumentarische Sicherheit, keine wirkliche Sicherheit". Eine Möglichkeit dies zu ändern wäre, die Kontrollen zentral an den Flughäfen oder zumindest im Umfeld der Flughäfen vorzunehmen. Dafür müssten auch wieder Firmen durch das Luftfahrtbundesamt lizenziert werden, allerdings würde dies weit weniger betreffen als bei der momentanen Regelung.

Wie könnte die Sicherheit generell erhöht werden?

Auch wenn die bestehenden Regeln der Europäischen Union bei der nächsten Überprüfung 2013 verschärft werden sollten, ändert das nur wenig an der Problematik: Sendungen aus Ländern mit niedrigeren Sicherheitsstandards würden immer noch weitgehend unkontrolliert nach und über Europa fliegen. Stattdessen müssten weltweit vergleichbare Sicherheitsbestimmungen eingeführt und diese dann auch effektiv kontrolliert werden. Ein Modell wäre auch hier eine zentrale Kontrolle der Fracht an den Flughäfen.

Zusammengestellt von Stefan Keilmann, tagesschau.de