
Synodaler Weg Frust und Wut aus der frömmsten Mitte
Stand: 31.01.2020 17:40 Uhr
Bei der ersten Synodalversammlung der katholischen Kirche hagelt es Kritik aus den eigenen Reihen - am Umgang mit Missbrauchsfällen und der Rolle der Frauen. Nicht alle Bischöfe sind einsichtig.
Analyse von Anja Würzberg, NDR
Schwester Philippa Rath ist eine Frau, die nicht zu Ängstlichkeit neigt. Die Benediktinerin aus der Abtei Sankt Hildegard in Rüdesheim schaut ihre Gesprächspartnerin mit festem Blick an. Dass diese lebenserfahrene Ordensfrau sich mal mitten in einem Ehedrama wiederfinden würde, hätte sie sich sicherlich nicht träumen lassen.
So wirkt es, was sich derzeit im Dominikanerkloster in Frankfurt abspielt: Eine lang überfällige Ehetherapie zwischen Klerikern und Kirchenvolk. Die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken haben sich zu einem zweijährigen, schon jetzt schmerzvollen Reformprozess durchgerungen. 230 Mitglieder bilden die Synodalversammlung, die nach dem Willen von Erzbischof Reinhard Kardinal Marx, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, und Thomas Sternberg, dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, echte Reformen beschließen sollen. In dieser ersten Sitzung wird um Regeln und Grundsätzliches gerungen. Und das hat es in sich.
Die Ordensfrau spricht von Angst
Am Anfang jeder Ehetherapie steht die Aussprache. Da kommt alles auf den Tisch, was man jahrelang runtergeschluckt und hingenommen hat. Und das ist im Fall der katholischen Kirche eine ganze Menge. An diesem milden und sonnigen Freitag in Frankfurt wird deutlich: Der Frust und die Wut kommen aus der frömmsten Mitte der katholischen Kirche.
Schwester Philippa ist das beste Beispiel. Sie spricht am Morgen des ersten Sitzungstags vor den 217 anwesenden Delegierten schonungslos von Angst. Als Seelsorgerin in ihrer Abtei Sankt Hildegard hat sie in den vergangenen 15 Jahren Hunderte von Gesprächen mit Gästen geführt. Sie schildert ihre Erfahrung, dass viele dieser Gäste Angst haben - vor ihren Bischöfen und den Strukturen der katholischen Kirche. Als Ordensfrau werde ihre Berufung derzeit auf eine harte Probe gestellt - auch das müssen sich die Bischöfe von Schwester Philippa sagen lassen.
Die Angst, die sie beschreibt, empfinden auch die Opfer von sexuellem Missbrauch, mit denen Schwester Philippa gesprochen hat. Seit Wissenschaftler, beauftragt von der Deutschen Bischofskonferenz, die Personalakten der Bistümer analysiert haben, ist das ganze Ausmaß des Missbrauchs in der katholischen Kirche offensichtlich. Die Wissenschaftler vermuten in ihrer Studie, dass strukturelle Gründe diesen Missbrauch begünstigt haben. Diese sollen künftig in vier Themenforen aufgedröselt werden: Macht, Sexualmoral, Zölibat, Rolle der Frauen.
Einige fixieren stumm die Tischkante
Die Rolle der Frauen: Das ist das Stichwort für Schwester Philippa. Sie gehört zu den Mitgliedern der Synodalversammlung, die schon am Eröffnungsabend im Frankfurter Kaiserdom ihre Position markieren dürfen. In ihrer kurzen Rede wünscht sie sich wie viele Frauen in der katholischen Kirche mehr Mitbeteiligung und Mitverantwortung, auch in geistlichen Leitungsämtern. Die Bischöfe nehmen Schwester Philippas Forderung hin. Sie müssen viel hinnehmen auf diesem Synodalen Weg.
Einige Bischöfe gehen den Reformprozess sichtlich konstruktiv und selbstkritisch an, so wie Bischof Franz-Josef Overbeck aus Essen. Er spricht von einem notwendigen Reifungsprozess der Kirche. Andere sträuben sich wie Ehemänner, die man gegen ihren Willen zur Therapiestunde geschleppt hat. Stumm fixieren sie die Tischkante. Einer macht seinem Unwillen gleich zu Beginn Luft: der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer.
Eines wird ganz klar an diesem ersten Sitzungstag der Synodalversammlung: Dieser Reformprozess beginnt ohne Erfolgsgarantie. Und doch sind Kleriker und Kirchenvolk bei ihrer Ehetherapie zum Erfolg verdammt. Denn eine Scheidung ist im katholischen Kirchenrecht nicht vorgesehen.
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