
Scholz' Regierungserklärung Mit sich im Reinen
Vor dem EU-Rat konnte sich Bundeskanzler Scholz ausnahmsweise ziemlich gelassen der Opposition und seiner eigenen streitlustigen Koalition stellen. Mehr als eine Atempause ist das aber wohl nicht.
Der Zeitpunkt könnte aus Sicht des Kanzlers nicht vortrefflicher sein für eine Regierungserklärung: Bis zum Vorabend lieferte seine Bundesregierung Nachrichten über weitere Zusagen von "Leopard"-Kampfpanzern an die Ukraine.
So fehlte seinem Gegenpart, dem Oppositionsführer Friedrich Merz, die Hauptangriffsfläche gegen Olaf Scholz, die er sonst nutzen konnte. Man könne nur hoffen, dass man in der Rückschau nicht sagen werde, das sei zu wenig und zu spät gewesen, sagte er vergleichsweise leise - und zollte dann dem neuen SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius Respekt.
Es mag auch an den bedrückenden Nachrichten aus dem türkisch-syrischen Erdbebengebiet und einem Sterbefall im Parlament gelegen haben: Diese Regierungserklärung blieb ebenso wie ihr Echo in der Generaldebatte insgesamt eher eine der leisen Töne. Sie brachte dafür Hinweise über die Gemengelage innerhalb der Ampelkoalition - je nach angesprochenem Thema. Lediglich bei der Asylpolitik, die beim bevorstehenden EU-Gipfel auch verhandelt wird, wurde es etwas lauter.
Scholz wich kaum vom Redemanuskript ab und nahm sich zunächst einmal viel Zeit, sein Vorgehen bei der Unterstützung der Ukraine zu erklären - und damit auch zu rechtfertigen. Denn im Vorfeld war er genau dafür viel gescholten worden, zu zögerlich zu agieren - auch aus den Reihen der eigenen Koalition.
"Markige Statements schaden nur"
Scholz wäre nicht Scholz, wenn er jetzt nicht die Erzählung parat hätte, warum es genau richtig war, wie er gehandelt hat: Schließlich sei der "Zusammenhalt innerhalb unserer Bündnisse und Allianzen unser höchstes Gut". Deswegen müssten Entscheidungen zunächst vertraulich vorbereitet werden - "so wie Joe Biden und ich" dies mit Blick auf die jüngste Entscheidung getan hätten. "Was unserer Geschlossenheit hingegen schadet, ist ein öffentlicher Überbietungswettbewerb nach dem Motto: Kampfpanzer, U-Boote, Flugzeuge - wer fordert noch mehr?" Markige Statements schadeten nur.
Einerseits hatte Scholz damit gleich die Forderung der Ukraine nach Kampfflugzeugen vorerst abgeräumt - ein Signal also, dass er sich dazu nicht vorschnell äußern wird. Aber Scholz' deutliche Worte dürften getrost auch als koalitionsinterner Appell gedeutet werden - und als Retourkutsche, adressiert etwa an die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, die zur FDP gehört. Marie-Agnes Strack-Zimmermann hatte im Januar nach der Ramstein-Konferenz und dort ausbleibender Panzer-Zusagen festgestellt: "Die Geschichte schaut auf uns und Deutschland hat leider gerade versagt."
Ein Affront gegen Scholz, den er nun im Bundestag mit ruhiger Stimme parierte. Denn so kennt man ihn inzwischen als Kanzler: Er inszeniert sich gerne als der Ruhige, der Besonnene, der in langen Linien denkt, durchaus in gewollter Anlehnung an seine Vorgängerin Angela Merkel. Gemessen daran, wie seine Differenzen in der Frage des Vorgehens gerade auch mit der grünen Außenministerin Annalena Baerbock zuletzt öffentlich deutlich geworden waren, wirkte die Stimmung an diesem Tag auf der Kabinettsbank regelrecht fröhlich-entspannt.
Das dürfte nicht gespielt gewesen sein. Denn mit seiner Aktion, vergleichsweise spät, aber dafür gemeinsam mit europäischen Partnern als Unterstützer-Gruppe in der Sache "Leopard"-Kampfpanzer an die Ukraine liefern zu können, hatte Scholz sich Respekt verschafft bei seinen kleineren Koalitionspartnern. Allenfalls im Parlament - gerade in seiner SPD-Fraktion sah man einige nachdenkliche Gesichter, war hier doch die Skepsis an diesem Vorgehen am größten. Dort wird hingegen am meisten geklatscht, als Scholz darauf verweist, dass er stets mit "Umsicht" und "abgewogen" entscheide.
Subventionswettlauf mit den USA?
Der Anlass für diese Regierungserklärung war der für Donnerstag und Freitag anberaumte Europäische Rat zur Ukraine, zur EU-Asyl- und Migrationspolitik, aber auch zur Wettbewerbspolitik der Europäischen Union. Die sieht sich durch den "Inflation Reduction Act" der USA gezwungen, mit gemeinsamer Position zu reagieren. Weil die USA grüne Energien inländisch stark subventionieren wollen, besteht die Sorge vor einem Subventionswettlauf mit Europa. Innerhalb der Ampelkoalition gehen die Haltungen zu diesem Thema ebenso auseinander.
Scholz löste dies zunächst einmal damit, auf die vielen noch nicht ausgeschöpften Subventionsmöglichkeiten der EU beim Europäischen "Green Deal" hinzuweisen und die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dafür ausdrücklich zu loben. Aber auch klar einen Subventionswettlauf für den falschen Weg zu beschreiben - wofür er vor allem von der FDP Applaus bekam. Am Ende kriegte der Kanzler die Kurve. Er schaffte es, drei Koalitionspartner in einem Motiv zu vereinen: Es brauche "fairen Wettbewerb, Innovationen, offene Märkte und globalen Handel, der hohe Sozial- und Umweltstandards voranbringt".
Es ist eine Atempause für die Ampel, mehr nicht. Denn die Koalition steht am Anfang eines Jahres, in dem sich entscheiden wird, ob es die Regierung Scholz aus dem Krisenmanagement des Vorjahres in den Gestaltungsmodus hinüberschafft - oder nicht. Denn 2023 stehen schwierige Landtagswahlen an, die einem harmonischen Ampel-Miteinander durchaus Steine in den Weg legen können.