Eine Turnhalle, die zur Unterkunft für Geflüchtete umfunktioniert wurde.

Unterbringung von Geflüchteten Keine Turnhallen mehr

Stand: 16.03.2023 08:34 Uhr

Die Frage, wo Schutzsuchende untergebracht werden können, treibt Länder und Kommunen weiter um. Heute beraten die Ministerpräsidenten über das Problem. Sie fordern mehr Unterstützung vom Bund.

Von Nina Amin, ARD Berlin

In Berlin wohnen Geflüchtete wieder in Containern und Hallen auf stillgelegten Flughäfen. Es fehlen freie Plätze in Flüchtlingsunterkünften. Das große Ziel: "Keine Turnhallenbelegung in der Hauptstadt, so wie wir es 2015 gemacht haben", sagte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey dem ARD-Hauptstadtstudio.

Schutzsuchende wieder in Turnhallen unterbringen - das will in Städten und Gemeinden niemand. Schon allein, weil die Stimmung gegenüber den Geflüchteten kippen könnte, wenn Kinder und Vereine wochenlang keinen Sport machen können.

Immerhin sind noch zwei Drittel der Bevölkerung für die Aufnahme von Menschen, sagt Hannes Schammann, Professor für Migrationspolitik an der Universität Hildesheim. Aber die Frage, ob Deutschland sich die Aufnahme und Versorgung in dem Umfang weiterhin leisten könne, treibe viele um.

Kommunen fordern mehr Hilfe vom Bund

Vor den Beratungen der Ministerpräsidenten erneuerte Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) seine Forderung nach mehr Geld vom Bund für die Aufnahme von Flüchtlingen. "Wir glauben, dass die bisherigen Leistungen des Bundes wirklich unzureichend sind", sagte Weil im ARD-Morgenmagazin.

"So wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben", Stephan Weil, SPD, Ministerpräsident Niedersachsen, zu MPK über Flüchtlinge

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In Niedersachsen trage der Bund etwa ein Sechstel der Kosten des Landes und der Kommunen mit. "Das ist eine viel zu niedrige Quote, die meines Erachtens wesentlich erhöht werden muss", sagte Weil. "Fair wäre aus meiner Sicht eine Regelung fifty-fifty." Weil hat derzeit den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz inne.

Konkrete Hilfe wichtiger als mehr Geld

Acht von zehn Schutzsuchenden kommen aktuell aus der Ukraine, viele Frauen und Kinder auf der Flucht vor dem russischen Angriffskrieg. Aber auch viele Menschen aus Syrien oder Afghanistan haben in den vergangenen Monaten in Deutschland Asyl beantragt.

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Der Deutsche Städtetag fordert mehr Unterstützung vom Bund. Dessen Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy findet konkrete Hilfe bei der Unterbringung noch wichtiger als mehr Geld. Sein Vorschlag: Der Bund könnte eigene Unterkünfte bereitstellen, um Menschen kurzfristig aufzunehmen. "Wir brauchen Vorlauf. Wenn wir im Notfall eine Zeltstadt brauchen, muss die erst einmal aufgebaut werden", so Dedy. Natürlich sei es Aufgabe der Länder, aber die zur Verfügung gestellten Plätze reichen nicht. Und da könnte der Bund einspringen, mit eigenen Einrichtungen. die er dann auch betreibt.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums meint, dafür gebe es keine rechtliche Grundlage. Laut Asylgesetz sind die Länder für Aufnahme und Unterbringung von Schutzsuchenden zuständig. Trotzdem stellt der Bund den Ländern schon mehr als 330 Gebäude zur Verfügung, beispielsweise ehemalige Kasernen.

Der Deutsche Städtetag geht aber noch weiter: Wer keine Aussicht auf Asyl hat, soll in den Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben. "Wir würden gerne die ziemlich knappen Plätze in den Kommunen für die Menschen nutzen, bei denen wir davon ausgehen können, dass sie perspektivisch bei uns bleiben können", sagt Dedy.

Ampel will keine großen Sammelunterkünfte mehr

Das geht SPD, Grünen und FDP aber zu weit. Die Grünen-Migrationsexpertin Filiz Polat argumentiert, dass die Unterbringung dann am besten klappt, wenn die Menschen vor Ort eingebunden sind. Große Sammelunterkünfte sehen die Ampel-Regierung und Migrationsexperten als Integrationshindernis.

Hannes Schammann von der Universität Hildesheim meint, Aufgabe des Bundes sei es, jetzt für die Zukunft vorzusorgen. Er ist überzeugt, dass das nicht die letzte Fluchtzuwanderung war. Besonders klimabedingte Migration werde künftig zunehmen. Darauf müssten sich die Kommunen und auch der Bund stärker einstellen und sich flexiblere Unterbringungskonzepte dafür überlegen, meint Schamann. So könnten finanzielle Mittel bereitgestellt werden, um Unterkünfte vorzuhalten, damit sie bei Bedarf kurzfristig in Betrieb gehen könnten.

Beim heutigen Treffen der Länderchefs- und chefinnen ist genau das gefragt: flexible Lösungen, wie die Menschen schnell ein festes Dach über den Kopf bekommen. Die Unions- und SPD-geführten Länder forderten schon im Vorfeld: Der Kanzler soll zur Chefsache machen, wie künftig mit steigenden Flüchtlingszahlen umgegangen wird - und wer das bezahlt. Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios soll am 10. Mai eine Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz mit Olaf Scholz stattfinden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 16. März 2023 um 10:00 Uhr.