
"Marder" für die Ukraine Warum der Panzer-Streit nicht beendet ist
Die Bundesregierung liefert der Ukraine nun doch Schützenpanzer. Ein bedeutender Schritt, aber auch ein später. Und die nächste Debatte hat bereits begonnen.
Die deutsche Unterstützung für die Ukraine tritt in eine neue Phase ein - daran gibt es keinen Zweifel: Lange kam es Kritikern so vor, als gäbe es im Kopf des Bundeskanzlers eine rote Linie, die nicht zu überschreiten sich Olaf Scholz fest vorgenommen hätte.
Vor allem in den Reihen von FDP und Grünen rollten Politikerinnen und Politiker mit den Augen, wenn das Kanzleramt gebetsmühlenartig das Argument vortrug, man werde im Alleingang keine Kampf- und Schützenpanzer westlicher Bauart liefern in die Ukraine liefern. Diese rote Linie, wenn sie denn je existierte, hat Scholz nun ausradiert oder zumindest verschoben.
"Marder" können echten Unterschied machen
Dahinter dürfte zu einem erheblichen Teil militärische Einsicht stecken: Ukrainische Soldaten müssen sich mangels Material zum Teil in offenen Pick-Up-Trucks an die Frontlinie karren lassen und sind damit russischem Beschuss schutzlos ausgeliefert. Deutsche Schützenpanzer können hier im Verbund mit Material aus den USA und Frankreich einen echten Unterschied machen - und die "Marder" der Ukraine somit helfen, geraubte Gebiete wieder zurückzugewinnen.
Zudem waren Befürchtungen zuletzt wieder gewachsen, nach derzeit weitgehend eingefrorenen Frontlinien könnte im Frühjahr doch wieder Russland die Oberhand gewinnen. Auch so ist zu erklären, dass der Zeitenwende nun also eine Art Panzerwende folgt.
Warum so spät?
Kritiker aus der Opposition, aber auch aus den Reihen der Grünen und der FDP, fragen aber nun: Warum erst jetzt? Seit Monaten bittet Kiew händeringend um die Lieferung von Schützen- und Kampfpanzern. Die USA signalisieren schon länger, dass sie sich durchaus ein mutigeres Deutschland wünschen.
Auf einen Vorschlag, wie man die moralische Klippe eines deutschen "Militärsolos" elegant umschifft, verweisen Ampelkoalitionäre seit Monaten: Indem man im Verbund mit anderen europäischen Staaten - und eben nicht im Alleingang - etwa den Kampfpanzer "Leopard" liefern könnte.
"Die Partner gehen voran, wir folgen"
Nun verweist Kanzlersprecher Steffen Hebestreit darauf, dass so eine Entscheidung ja nicht "aus der hohlen Hand" getroffen werde, man sich also seit Mitte Dezember mit den USA und Frankreich abstimme. Trotzdem war es der französische Staatspräsident Emmanuel Macron, der Mittwochabend vorpreschte mit der Ankündigung, der Ukraine leichte Kampfpanzer zu liefern.
So entstand wieder einmal der Eindruck, als bewege sich Deutschland nur auf extremen Druck von außen hin und nur dann, wenn es sich wirklich gar nicht mehr vermeiden lässt. "Es ist ein Muster: Die Partner gehen voran, wir folgen", so formuliert es Jana Puglierin von der Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR) im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio.
Dabei hatte doch Verteidigungsministerin Christine Lambrecht unlängst noch einmal bekräftigt, Deutschland wolle sicherheitspolitisch eine "Führungsrolle" in Europa einnehmen.
Praktische Fragen sind noch ungeklärt
Jedenfalls wurde der Handlungsdruck durch die Macron-Ankündigung am Donnerstag so groß, dass der Kanzler die "Marder"-Lieferung ankündigte, bevor praktische Fragen geklärt waren: Zum Beispiel die, ob die Schützenpanzer aus Bundeswehr-Beständen oder von der Industrie kommen sollen. Schneller ginge es, erfuhr das ARD-Hauptstadtstudio aus informierten Kreisen, wenn die Truppe selbst einige nicht im Gebrauch befindliche zur Verfügung stellte.
Aber auch bei der Firma Rheinmetall gäbe es wohl noch etwa 60 verfügbare Modelle, die allerdings erst noch flott gemacht werden müssten. Insgesamt schweben der Bundesregierung offenbar 40 "Marder" vor, die man an die Ukraine geben will - genauso wie ein "Patriot"-Flugabwehrsystem. Bei beidem ist noch eine Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte nötig. Auch da wird Deutschland eine entscheidende Rolle spielen.
Bleibt das Tabu der Kampfpanzer-Lieferung?
Und dann ist da noch die Kampfpanzer-Frage: Nun, da der "Zeitenwende"-Kanzler die "Panzerwende" eingeleitet hat und der Ukraine Schützenpanzer liefern will, sollte auch der Kampfpanzer "Leopard 2" kein Tabu mehr sein, fordern bereits umso laustärker Oppositions- wie Koalitionspolitiker.
Sie verweisen darauf, dass sich Russlands Präsident Wladimir Putin nur an den Verhandlungstisch begeben wird, wenn er sieht, dass er militärisch nicht mehr weiterkommt. Und darauf, dass eine solche Lieferung im ureigensten Sicherheitsinteresse auch Deutschlands sei: Gewinnt Putin seinen Vernichtungskrieg, fühle er sich ermutigt und werde damit zu einer noch deutlich größeren Bedrohung.
Klar ist: Je mehr Material die Ukraine in ihrem Abwehrkampf verschleißen muss, umso größer wird der Druck auf Scholz, auch hier einzulenken. Die Debatte um den "Marder" mag beendet sein, die Debatte um den "Leopard" hat gerade erst begonnen.