Katrin Ebner-Steiner, Spitzenkandidatin für die AfD in Bayern, bei einem Wahlkampfauftritt.
analyse

Ergebnisse der Landtagswahl Bayern rückt weiter nach rechts

Stand: 09.10.2023 03:20 Uhr

CSU und Freie Wähler werden Bayern weiterregieren - und doch hat sich etwas am Verhältnis zwischen den Koalitionspartnern verändert. Die Ampelparteien bekommen den Frust über den Bund zu spüren, am meisten profitiert die AfD.

Von Jonas Wengert, BR

Es war ein bemerkenswerter Satz, den Markus Söder am Wahlabend seinen Anhängern zurief: "Es ging uns nie um einen Schönheitspreis, aber um einen klaren Regierungsauftrag." Fraglich, ob die CSU-Basis die Einschätzung ihres Chefs mehrheitlich unterschreiben würde. 

Die Aussage trifft auch kaum das Stimmungsbild während des bayerischen Landtagswahlkampfs: Ein "klarer Regierungsauftrag" für Söders Partei stand praktisch nie in Frage. Zu groß war der Abstand zur politischen Konkurrenz über alle Umfragen hinweg.   

In Wahrheit geht es für die CSU eben immer um weit mehr, als nur irgendwie eine Regierung zustande zu bringen und den Ministerpräsidenten zu stellen. Es geht um Prestige, es geht um die Deutungshoheit im Freistaat und es geht auch um nackte Prozente. Einen Regierungsauftrag hätte eine CSU bei 34 Prozent genauso gehabt, wie eine bei 40 Prozent - und doch liegen zwischen diesen beiden Zahlen Welten. 

Kein Rückenwind für eine mögliche Kanzlerkandidatur

Am Ende landeten die Christsozialen bei 37,0 Prozent. In anderen Teilen Deutschlands wäre das für beinahe jede Partei ein Votum zum Jubeln - aber eben nicht für die CSU in Bayern, wo nicht wenige Anhänger insgeheim noch immer von der absoluten Mehrheit träumen. 

Bereits die 37,2 Prozent bei der Landtagswahl 2018 waren für das CSU-Selbstverständnis verheerend. Nun ging es nochmal ein klein wenig weiter runter: Kein Schönheitspreis für Söder und auch kein Rückenwind im Rennen um die Kanzlerkandidatur innerhalb der Union, über welche die Schwesterparteien im kommenden Jahr entscheiden wollen. 

Freie Wähler gehen gestärkt in Koalitionsverhandlungen

Stattdessen steht Söder erst einmal vor schwierigen Koalitionsverhandlungen. Nicht etwa, weil die CSU mit den Freien Wählern inhaltlich über Kreuz läge. Sondern vielmehr, weil die Freien Wähler um ihren Chef Hubert Aiwanger nun deutlich selbstbewusster auftreten dürften als noch vor fünf Jahren. Die Partei legte mehr als vier Prozentpunkte zu, landete bei 15,8 Prozent und wird mit dem besten Ergebnis ihrer Geschichte zweitstärkste Kraft. Weder die Flugblatt-Affäre noch anhaltende Populismus-Vorwürfe haben Aiwanger geschadet - ganz im Gegenteil. Seine Erzählung, er sei Opfer einer "Schmutzkampagne", verfing.

Söder missfiel es merklich, dass Aiwanger in den vergangenen Wochen derart viel Aufmerksamkeit auf sich zog und in Bayerns Bierzelten teilweise wie ein Popstar gefeiert wurde. Nicht erst durch das antisemitische Flugblatt, bereits mit seiner Impfskepsis während der Corona-Pandemie und seiner "Demokratie-zurückholen"-Rede in Erding hatte Aiwanger die CSU und Söder in Bedrängnis gebracht. 

Die beiden Parteichefs pflegten nie einen freundschaftlichen Umgang. Söder hatte bei öffentlichen Auftritten keinen Zweifel daran gelassen, wer in der bayerischen Staatskanzlei in seinen Augen Koch und wer Kellner ist. Aiwanger steht nach der Wahl gestärkt da, Söder nicht - für das persönliche Verhältnis zwischen dem CSU-Ministerpräsidenten und seinem Stellvertreter dürfte das nichts Gutes heißen. Das Ringen um ein viertes Ministerium, wie es für die Freien Wähler bereits im Gespräch ist, könnte nur einer von vielen Streitpunkten werden.  

Alle Ampelparteien verlieren

Im Wahlkampf verfolgte Söder eine klare Strategie: Es ging gegen die Bundesregierung im Allgemeinen und gegen die Grünen im Besonderen. Und tatsächlich gingen die Balken aller Ampelparteien in Bayern nach unten. Teilweise waren die Verluste dramatisch.

Die Grünen konnten zwar ihre Kernwählerschaft mobilisieren, sind mit 14,4 Prozent (minus 3,2 Prozentpunkte) aber nur noch viertstärkste Kraft im Landtag. Die Kanzlerpartei SPD unterbot ihr desaströses Ergebnis von 2018 (9,7 Prozent) noch einmal und ist mit 8,4 Prozent nun deutlich einstellig.

Und die FDP flog weit abgeschlagen mit 3,0 Prozent ganz aus dem Parlament. Alle drei Parteien bekamen den Unmut der Bevölkerung über den Bund voll ab. 

AfD saugt Ampelfrust auf

Söders Ampel-Bashing hat also funktioniert, aber anders als es der Ministerpräsident beabsichtigt hatte. Die Verluste zahlten nicht wie erhofft bei der CSU, sondern vielmehr bei den Freien Wählern ein - und vor allem bei der AfD. Sie ist mit 14,6 Prozent die größte Gewinnerin dieser Landtagswahl. Mit einem deutlichen Zugewinn von 4,4 Prozentpunkten wird sie drittstärkste Partei und aller Voraussicht nach Oppositionsführerin im bayerischen Parlament. 

Dass das Spitzenduo Martin Böhm und Katrin Ebner-Steiner im Freistaat weitgehend unbekannt war, schadete der AfD nicht. Sie musste auch keine konstruktiven Lösungsvorschläge für die Probleme in Bayern aufzeigen. Landespolitische Themen wie Bildung oder Wohnen spielten in diesem Wahlkampf ohnehin kaum eine Rolle. Die AfD sog den Frust über die Ampelparteien wie von selbst für sich auf. In der anstehenden Legislatur wird ihr eine bedeutendere Rolle zukommen als bislang.  

Bayern ist ein mehrheitlich konservatives, ländlich geprägtes Bundesland. Seit 1957 regiert die CSU. Nun haben die Freien Wähler und die AfD an Zustimmung gewonnen. Die Freien Wähler mit einem Parteichef Aiwanger, der immer wieder in rechtspopulistischen Gefilden fischt. Nicht umsonst gaben knapp 40 Prozent der Freien-Wähler-Anhänger in den Vorwahlbefragungen an, dass sie ihre Stimme der AfD geben würden, wenn es die Freien Wähler nicht gäbe.

Und die AfD legte mit einem Spitzenduo zu, das dem rechtsextremen Parteiflügel um den thüringischen Landeschef Björn Höcke zugerechnet wird. Bayern ist durch diese Landtagswahl ein Stück weiter nach rechts gerückt. 

Hans-Joachim Vieweger, ARD Berlin, tagesschau, 09.10.2023 08:33 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 09. Oktober 2023 um 06:30 Uhr.